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Wieder zurück im Lager schritt Kari direkt auf das Lazarettzelt zu.
Langsam erhob sich Ingvar von seinem Lager am Rand des Zeltes und ging auf Kari zu.
Erst direkt vor dem Jarl blieb er stehen und sank bleich auf die Knie.
Kari nickte ihm zu. „... also hast du es schon erfahren."
„Ja, Jarl. Morgen werdet Ihr die Urteile sprechen."
„Steh auf, Ingvar." forderte Kari die Wache auf.
„Du hast richtig gehört. Morgen Vormittag werdet ihr alle auf den Richtplatz gebracht und ich werde die Urteile fällen."
Ergeben senkte Ingvar den Kopf.
Einen Moment lang musterte Kari den Mann vor ihm, dann schüttelte er leicht den Kopf und seufzte.
„Ingvar..." ruhig legte er dem Mann die Hand auf die Schulter. „Von allen Männern, die ich morgen richten werden, bist du der, der am Wenigsten zu fürchten hat."
„Ich danke Euch, Jarl." Ingvar lächelte schwach.
„Allerdings erwarte ich von dir, dass du diese Nacht das Zelt nicht mehr verlässt."
„Natürlich, Jarl. Ihr habt mein Wort."
Zufrieden nickte Kari.
Wenig später betrat er ein kleineres Zelt.
Vor ihm am Boden, angebunden an den Stützpfeiler, saß Leon.
Angespannt hob der Mann den Blick, senkte ihn aber respektvoll, als er Kari erkannte.
„Jarl..." grüßte er.
„Morgen wirst du zum Richtplatz geführt werden." erklärte Kari schlicht.
„Doch zuvor möchte ich wissen, welche Eindrücke du gewonnen hast..."
Für einen kurzen Moment senkte Leon den Blick, schien sich zu besinnen.
„Die Sklaven sind verunsichert, ängstlich. Aber lange nicht so eingeschüchtert wie unter Fü... wie unter Skyldar. Ich habe auch nicht gesehen, dass irgend einer von ihnen bestraft wurde - oder gar etwas getan hätte, was eine Strafe nötig gemacht hätte."
Kari hörte aufmerksam zu, blickte ihn aber lediglich abwartend an. „Das ...hat mich sehr überrascht. So etwas kannte ich vorher nicht, Jarl. Ich bin offensichtlich einem Irrtum unterlegen, dass Schläge zwingend nötig sind." Leon schluckte schwer und zögerte. „Ich wünschte, ich hätte das früher erkannt, Jarl. Aber meine Einsicht kommt zu spät, wie ich vermute."
„Morgen Vormittag wirst du dein Urteil erfahren." erklärte Kari, ohne auf Leons Worte einzugehen.

Am nächsten Morgen hatten sich schon ein Großteil der Wachen und auch der Sklaven auf dem Richtplatz versammelt. Wenig später brachten die Wachen zunächst die beiden Brüder auf den Richtplatz und banden sie an zwei der nebeneinander liegenden Pfähle.
Ängstlich blickten die beiden Männer sich um, leisteten aber keine Gegenwehr.
Kurz darauf brachten weitere Wachen Leon und den Vater der Brüder auf den Richtplatz und banden sie an die beiden Pfähle auf der anderen Seite. Doch während Leon ruhig und gefasst mit seiner Wache mitging, leistete der Vater der Brüder erbitterten Widerstand. Dennoch war er kurz darauf sicher an einen der Pfähle gekettet.
Als nächstes brachten die Wachen des Jarl die erste Wache des früheren Fürsten, der sich mit aller Kraft gegen den Griff der Männer wehrte.
Während zwei Männer ihn sicher festhielten, fesselten zwei weitere Wachen den sich sträubenden Mann mit gestreckten Armen und Beinen zwischen zwei Pfähle und postierten sich zur Sicherheit hinter dem Mann.
Kurz darauf wurde auch Skyldar auf den Richtplatz geführt und ebenso gefesselt.
Als letztes erschien Ingvar in Begleitung von Dimitri. Gefasst und ohne Fesseln ging er neben Dimitri her und kniete sich neben den beiden Brüdern auf den Boden.

Langsam kehrte Ruhe unter den Wachen ein. Schließlich teilte sich die Menge und Arvid und Kjell trugen einen Tisch in die Mitte. Unter einem Tuch verborgen schienen verschiedene Gegenstände auf ihren Einsatz zu warten.
Als erneut Ruhe eingekehrt war, traten Aaron und Kari auf den Platz. Neben ihnen her gingen Finya und Juna, die jedoch sogleich einen Platz direkt neben der Garde von König Aaron einnahmen und von ihnen in die Mitte genommen wurden.
Mit dem Rücken zu seinen Gefangenen wandte Kari sich an die Zuschauer.
„Wir haben uns heute versammelt um über Skyldar - ehemals Fürst Skyldar - und einen Teil seines Gefolges zu richten. Sie alle haben sich entgegen meiner Befehle verhalten und die Sklaven und Wachen in diesem Gefolge grundlos gequält. Dies kann, will und werde ich nicht akzeptieren. Skyldar hat darüber hinaus seinen Eid mir gegenüber gebrochen und mich hintergangen."
Einen Moment schwieg Kari und drehte sich langsam zu Skyldar um, der ihn bereits jetzt aus vor Schreck geweiteten Augen ansah.
„Skyldar...du weißt bereits, welche Strafe dich erwartet. Bevor ich dir den Blutadler schneide, wirst du die gleichen Qualen und Schmerzen ertragen, die du deinen Untergebenen angetan hast."
Ein fast schon entsetztes Raunen ging durch die Reihen der Wachen, doch als Kari sich zu ihnen umdrehte, konnte er in keinem ihrer Gesichter Ablehnung oder Widerstand lesen.
„Doch zunächst zu Izum, deiner ersten Wache. Auch du hast den Tod verdient. Dein Tod wird langsam und qualvoll sein, denn dir werden die Silberrunen eingeschnitzt werden."
Erneut ging ein Raunen durch die Reihe der Vampire, doch erneut konnte Kari nichts als Zustimmung in ihren Gesichtern lesen.
„Garan..." wandte er sich an den Vater der beiden Brüder. „Auch du wirst heute den Tod erleiden. Den Tod durch den Silbertrank."
Alle drei Männer blickten Kari entsetzt an und rissen panisch an ihren Fesseln, die sie jedoch sicher zurück hielten.
Ungerührt wandte sich Kari an die verbliebenen vier Männer. „Was die restlichen Urteile betrifft: Es wird für heute keine weiteren Todesurteile geben. Daher werde ich eure Urteile erst verkünden, nachdem die Todesurteile vollstreckt sind. Ingvar...du kannst aufstehen."
Mit zitternden Knien kam Ingvar auf die Knie. Mit einer Handbewegung wies Kari ihm einen Platz neben Leon zu. Nervös trat Ingvar neben den Cousin des früheren Fürsten und blickte zu den Männern die heute der Tod erwarten würde. Jeder von ihnen blitzte ihn wütend an. „Verräter..." zischten sie.
„Du hast deinen Eid gebrochen. Dafür hättest auch du den Tod verdient." fuhr Skyldar ihn wütend an.
Ingvar schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe meinen Eid nicht gebrochen. Mein Eid galt dem FÜRSTEN. Nicht Euch als Person. Ihr seid kein Fürst mehr - also bin ich nicht mehr länger an meinen Eid gebunden. Ohne meinen Eid wäre ich schon viel früher gegen Euch vorgegangen."
Skyldar knurrte und riss so stark an seinen Fesseln, dass die Stämme, an die er gebunden war, bedrohlich schwankten. Sofort traten die Wachen zu ihm und hielten ihn zusätzlich fest.
„Genug jetzt..." fuhr Kari ihn an. „Du hast ein ehrloses Leben gelebt. Zeige wenigstens jetzt, im Angesicht des Todes, einen Funken Ehre."
Wütend spuckte Skyldar vor seinem Fürsten aus, doch Kari schien darauf gar nicht einzugehen.
„Du beweist nur, wie wenig Ehre du hast." erwiderte er lediglich trocken.
Für einen Moment wanderte sein Blick zum Himmel. „Die Sonne ist auf halbem Weg zum Zenit. Zeit, die Urteile zu vollstrecken." erklärte er dann.
„Arvid...der Silbertrank."

Finya 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt