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Am Rande des Zeltes hatte Ichiro unterdessen seine Hand aus der Tasche gezogen. Grinsend hielt er die geöffnete Handfläche Barun entgegen.
Irritiert blickte dieser auf die bunten, gläsernen Kugeln und sah Ichiro fragend an.
Kurz wanderte Baruns Blick prüfend zu den Vampiren, bevor er sich flüsternd an Ichiro wandte. „Was ist das und was macht man damit?"
Ichiro wollte gerade antworten, als Arvid kopfschüttelnd zu den beiden Kindern sah.
„Barun...du musst nicht flüstern. Du machst doch nichts Verbotenes. Immerhin habe ich dich doch sogar aufgefordert, Zeit mit Ichiro zu verbringen." sprach er zwar freundlich, aber doch mit einem leichten Tadel.
Verlegen senkte Barun den Kopf. „Ja, He... Ja, Arvid."
Ichiro sah Barun strahlend an. „Du brauchst keine Angst vor den Herren hier zu haben. Auch nicht vor ihren Wachen. Sie sind alle freundlich und gerecht." Barun nickte. „Ich weiß...aber so lange war es anders..."
„Lass uns spielen, Barun..." erwiderte Ichiro sanft und drückte Barun die Kugeln in die Hand.
„Das sind Murmeln..." erklärte Ichiro. „Mein Herr hat sie mir geschenkt..."
Ichiro ging auf die Knie und strich den sandigen Boden glatt.
Dann zeichnete er etwas entfernt einen Kreis auf den Boden.
Aus seiner Tasche holte er weitere Kugeln, wobei eine ein gutes Stück größer war.
Ichiro setzte sich neben Barun und rollte die große Kugel, So dass sie mitten im Kreis liegen blieb.
„Wir rollen unsere Kugeln abwechseln. Du mit den grünen Kugeln und ich mit den blauen Kugeln. Wer am Ende am nächsten zur großen Kugel liegt hat gewonnen. Natürlich darf man andere Kugeln auch wegschießen."
Barun nickte leicht und Ichiro rollte seine erste Kugel.
War Barun anfangs noch sehr skeptisch und unsicher, so wurde er von mal zu mal fröhlicher und entspannter. Schließlich begann er sogar vor Freude zu lachen.
Mit Tränen in den Augen blickte Harun zu seinem Sohn, wandte seinen Blick dann glücklich und dankbar zu Arvid.
„Ich glaube ich habe Barun noch nie so glücklich erlebt..."
Arvid lächelte milde. „Du wirst ihn in Zukunft noch viel häufiger fröhlich und ausgelassen erleben. Er ist noch ein Kind. Das ist wichtig für ihn. Egal, zu welchem Herren ihr kommen werdet...König Aaron wird sicherstellen, dass ihr dort gerecht behandelt werdet."

Arvid nickte ihm zu und trat dann auf Jaro zu, um auch diesen erneut zu untersuchen. Zufrieden nickte er. „Deine Wunde ist ausreichend verheilt. Du musst somit nicht mehr in diesem Zelt bleiben. Ich werde Aaron sagen, dass du ab morgen Abend Dienste übernehmen kannst."
Jaro nickte. „Ich danke dir, Arvid..."
Seine Hand wanderte an seine Hüfte, wo der Silberdolch befestigt war.
Arvid lächelte. „Allerdings werde ich ihm empfehlen, dir für den Anfang leichte Aufgaben zuteilen zu lassen. Nur um sicher zu gehen, dass die Wunde nicht doch wieder aufbricht."

Etwa eine Stunde später trat Arvid auf die beiden Kinder zu. Auch wenn das Innere des Zeltes mit Kerzen und Lampen angenehm hell erleuchtet war, war es draußen bereits dunkel geworden.
Inzwischen zeigte Barun deutliche Anzeichen von Erschöpfung, was jedoch keinem der beiden Jungen aufzufallen schien.
„Für heute ist es genug, Barun." erklärte er freundlich. Sofort unterbrach der Junge das Spiel, stand auf und verneigte sich gehorsam.
Arvid stützte ihn leicht, als er kurz darauf zu seinem Lager ging und sich hinlegte.
Arvid deckte ihn zu und strich ihm sanft über den Kopf. „Schlaf jetzt, Barun."
Als Arvid sich wieder aufrichtete, ließ er seinen Blick über die vorbereiteten Lagerstätten gleiten, die jedoch fast alle unbesetzt waren. Lediglich drei Plätze waren belegt. Eine durch Yunus mit seiner Tochter, die anderen beiden von Barun und Harun. Selbst Baruns Eltern hatten dieses Zelt inzwischen verlassen, wenn auch sie jeden Tag nach den beiden sahen.
Arvid seufzte leise. Zwar hatte er so deutlich weniger zu tun, doch hieß es im Umkehrschluss auch, dass die Sklaven Aaron und die Garde noch zu sehr fürchteten, um sich helfen zu lassen. Denn er bezweifelte, dass nach Skyldars strengem Regime keiner Hilfe benötigte.
Arvid schüttelte leicht den Kopf, wandte dich dann aber an Ichiro, der gerade seine Murmeln einsammelte. „Komm, Ichiro. Ich bringe dich zu deinem Herren
Während er wartete, bis der Junge an seine Seite trat, ließ er den Blick erneut über die freien Lagerplätze gleiten. Aaron hatte wohl doch Recht damit gehabt, dass die Sklaven sich nicht selbst melden würden. Vielleicht sollte er ihm vorschlagen, einfach alle Sklaven nacheinander zu untersuchen...

Nur wenig später stand Arvid mit Ichiro vor Aaron und Silas.
Sofort lief Ichiro auf Silas zu und kniete sich neben ihn, konnte aber ein Gähnen nicht unterdrücken.
Aaron schmunzelte als er den nachdenklichen Gesichtsausdruck seines Bruders sah.
„Dort hinten liegen Decken..." erklärte er. „Ichiro kann sich gerne eine nehmen und sich hier im Zelt hinlegen."
Silas nickte seinem Bruder dankend zu und gab Ichiro dann einen liebevollen Klaps. „Du hast meinen Bruder gehört, mein Junge. Hol dir eine Decke und leg dich schlafen."
Während Ichiro sich bereits hinlegte, sah Aaron fragend zu Arvid. „Was möchtest du?"
Arvid lächelte. „Du hattest Recht damit, dass die Sklaven sich nicht freiwillig bei mir melden würden...Daher habe ich überlegt, ob ich ab morgen nicht einfach nach und nach alle Sklaven untersuche..."
Aaron wiegte nachdenklich den Kopf. „Das wäre mit sehr viel Arbeit verbunden...Lass uns die Sklaven morgen noch einmal an diese Möglichkeit erinnern. Sie werden uns nur noch mehr fürchten wenn wir alle zwangsweise untersuchen. Wenn sich bis morgen Abend niemand meldet, kannst du ab übermorgen die Sklaven beobachten und einzelne gezielt untersuchen, die den Anschein machen, verletzt zu sein."
Arvid nickte leicht.
„Am Besten beobachte ich sie bei der Essensausgabe. Da sind alle versammelt und am Entspanntesten."
Zufrieden nickte Aaron, sah aber dann zu Finya, die ihn fragend ansah.
„Ja, Finya?"
„Vielleicht können wir es auch wie beim Essen machen. Vielleicht können wir mit den Kindern beginnen. Die meisten von ihnen, vor allem die jüngsten, scheinen mir inzwischen zu vertrauen und mich als eine von ihnen akzeptiert zu haben. Das Gleiche gilt zum Großteil für ihre Eltern. Vielleicht sind sie eher bereit Euch helfen zu lassen, wenn ich noch einmal mit ihnen rede.
Und vielleicht sollte Arvid zumindest kleinere Verletzungen nicht im Zelt sondern im Freien versorgen damit die Menschen sehen, was Arvid tut."
Anerkennend nickten Arvid und Aaron und auch Silas blickte verblüfft zu Finya. "Du hast mir zwar immer erzählt, wie klug Finya ist und wie gute Ratschläge sie dir gibt...Aber ehrlich gesagt, Bruder, habe ich dir das nie so recht glauben wollen."
Aaron schmunzelte. „Inzwischen bereust du es wohl, mir Finya damals überlassen zu haben."
Silas lachte leise. „Das ist wohl wahr. Allerdings bezweifle ich, dass Finya sich bei mir so entwickelt hätte."

Finya 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt