Am nächsten Morgen spazierte Aaron zusammen mit Finya durch das Lager. Als er an der Feuerstelle ankam, stockte er.
Über der Feuerstelle stand ein großer Topf, in den eine Wache gerade stückchenweise altes Brot hineinwarf.
Eine zweite Wache rührte mit einem großen Kochlöffel in dem Topf.
In respektvollem Abstand hatten sich bereits einige Sklaven versammelt. Jeder von ihnen hielt eine kleine, hölzerne Schale in der Hand und blickte hungrig zu den beiden Wachen.
Skeptisch trat Aaron näher und blickte in den Topf, in dem eine beinahe schon schleimige Masse aus Brot und Wasser schwamm.
„...was soll das werden, wenn es fertig ist?" wandte er sich sichtlich angeekelt an die Wache, die nach wie vor im Topf rührte.
„Das Essen für die Sklaven, Hoheit..." erklärte dieser sogleich.
Finya trat neben ihren Herren, blickte ebenfalls auf die unansehnliche Masse, die das Essen der Sklaven werden sollte und musste ein Würgen unterdrücken.
Aarons Augen blitzten wütend auf. Mit einem kräftigen Tritt stieß er den Topf um.
Deutlich konnte er hören, wie einige Sklaven entsetzt aufkeuchten, als sich ihr ‚Essen' über den Boden verteilte.
„...eigentlich sollte ich euch zwingen, selber dieses Zeug zu essen..." knurrte er die Wachen an.
Fast schon verzweifelt sanken die beiden auf das Knie.
„Aber Hoheit...das....das ist das übliche Essen der Sklaven. Jeden Morgen und jeden Abend bekommen sie eine Schale davon..."
Sichtlich entsetzt blickte Aaron zwischen dem Brei und den Sklaven hin und her, von denen einige - vor allem die Kinder - Tränen in den Augen hatten.
Ruckartig wandte er sich ab und Finya zu.
„Hol Rebecca und Taro. Sollte Yunus noch schlafen, kümmer du dich um seine Tochter. Schick auch Dimitri zu mir..."
Finya nickte und machte sich auf den Weg.
Im Zelt angekommen sah sie sich nur kurz um.
Zufrieden registrierte sie, dass Yunus wohl gerade aufgewacht war und Rebecca ihm soeben seine Tochter reichte.
„Rebecca, Taro...unser Herr braucht uns..." erklärte sie nur.
„Geht schon einmal zu ihm. Ich muss noch Dimitri holen."Bald darauf standen alle gemeinsam vor Aaron. Leise erklärte Aaron ihnen sein Anliegen und auch Dimitris Mine verfinsterte sich, als er die Reste des „Essens" für die Sklaven sah.
Wenig später betrat Dimitri gemeinsam mit Rebecca und Taro ein weiteres Zelt.
Aaron seufzte.
„Bis die drei fertig sind, lass uns zu Harun und seiner Familie gehen...sie schulden mir noch eine Antwort."
Kaum, dass Aaron das Zelt betreten hatte, gingen die vier Sklaven auf die Knie, wobei der Vater versuchte, schnell die Reste des nächtlichen Mahls hinter seinem Rücken zu verstecken.
Aarons Augen blitzten amüsiert auf.
„War es Kjell oder Arvid, der euch das Essen gegeben hat...?"
Sofort begannen die vier zu zittern und Aaron seufzte.
„Es ist alles in Ordnung." versuchte er sie zu beruhigen, doch die Familie begann nur noch mehr zu zittern.
Finya seufzte und trat auf die vier zu. „Ihr braucht euch nicht zu fürchten. Weder Arvid, noch Kjell hätten gegen den Willen ihres Königs gehandelt."
Unsicher blickten die Sklaven sich an, bevor ihr Blick langsam zu Aaron wanderte, der ihnen freundlich zunickte.
„...jetzt, wo ich weiß, woraus euer übliches...,Mahl' bestand, bereue ich, euch nicht schon früher etwas anderes zu Essen gegeben zu haben..." erklärte er.
Aaron lächelte, als er die Überraschung in den Augen der Sklaven sah.
„Ich kann nichtmal in Ansätzen erahnen, was Skyldar euch allen hier angetan hat. Aber lasst euch gesagt sein: Ich bin nicht wie Skyldar. Und ich gebe euch mein Wort, dass ihr es alle in Zukunft besser haben werdet..."
Zufrieden nickte er, als sich Hoffnung im Blick der Sklaven breit zu machen schien.
„Warum seid ihr geflohen?" fragte er dann unvermittelt. Seine Stimme war zwar nach wie vor freundlich, dennoch machte er deutlich, dass er dieses Mal eine Antwort erwarten würde.
Zögernd richtete sich der Vater auf.
„Mein Junge war unachtsam und hat das Essen für unseren Herren zu Boden geworfen.
Deshalb durfte er eine Woche lang nichts essen. Aber am fünften Tag hatte er so großen Hunger dass er es nicht mehr ausgehalten hat, Herr...Bitte...verzeiht ihm, er ist doch noch ein Kind..."
Aaron unterdrückte ein Seuftzen und nickte dem Mann zu, weiter zu sprechen.
„...Barun hat nur ein paar Beeren gegessen. Ihm ist aber sofort schlecht davon geworden und er hat Bauchschmerzen bekommen. Etwas später hat er dann auch noch Fieber bekommen..." fuhr der Mann gehorsam fort.
„...wir wussten doch, dass Skyldar ihn töten würde...wenn nicht dafür, dass er etwas gegessen hat, dann weil er krank geworden ist und Fieber bekommen hat...Wir wollten Barun doch nur retten, Herr..."
Fassungslos schüttelte Aaron den Kopf. „Ihr habt großes Glück gehabt, dass Barun überlebt hat.
Ich werde euch nicht für die Flucht bestrafen...das habt ihr selbst schon getan durch die Angst, die ihr ausstehen musstet. Allerdings erwarte ich, dass ihr euch in Zukunft bei eurem Herren meldet, wenn einer von euch krank ist. Im Gegenzug garantiere ich euch, dass man sich um euch kümmern wird und euch helfen wird, wenn ihr krank seid."
Ungläubig aber auch voller Hoffnung verneigten die vier sich vor Aaron.
„Und jetzt steht auf, ich habe eine Aufgabe für euch..." fuhr Aaron freundlich fort.
Geduldig wartete er, bis die vier auf die Beine gekommen waren.
„Ich möchte dass ihr alle Sklaven an der Feuerstelle versammelt." erklärte er.
„Und wenn ich sage alle, dann meine ich ALLE. Also auch die, die eventuell gerade unter einer Strafe stehen."
Aarons Blick wanderte weiter zu Yunus. „Du wirst mit deiner Tochter hier bleiben und auf Barun achten. Ihr seid beide noch zu geschwächt, um das Zelt zu verlassen..."
Erneut verneigten sich die vier Sklaven vor Aaron und verließen dann zögernd das Zelt, um dem Befehl Aarons nachzukommen.Bald darauf trat Aaron gemeinsam mit Finya zum zweiten Mal an diesem Tag an die Feuerstelle.
In der Zwischenzeit hatten sich alle Sklaven dort versammelt und blickten Aaron unsicher und ängstlich entgegen.
Kaum, dass er vor ihnen stehen blieb, sanken sie ängstlich und mit gesenktem Blick auf die Knie.
Einen kurzen Moment ließ Aaron seinen Blick über die Sklaven wandern. Und jetzt fiel ihm erst richtig auf, wie unterernährt die meisten von ihnen waren.
„Fürst Skyldar ist seit gestern mein Gefangener." begann er zu sprechen.
„Ihr habt daher nichts mehr vor ihm zu befürchten. Sämtliche Strafen, die er ausgesprochen haben sollte, erkläre ich hiermit für beendet."
Erstaunt hoben die ersten Sklaven den Blick und Aaron schmunzelte.
„Jarl Kari sollte inzwischen auf dem Weg hierher sein um Fürst Skyldar für seinen Verrat zu bestrafen. Solange ihr gehorsam und respektvoll seid, habt ihr vor ihm genauso wenig zu befürchten, wie vor mir. Es wird in Zukunft auch keine ungerechtfertigten oder grausamen Strafen mehr für euch geben." fuhr er ruhig fort.
„Es wird sich in Zukunft einiges für euch ändern. Und ich gebe euch hier und jetzt mein Wort, dass es zum Besseren für euch sein wird."
Inzwischen hatten fast alle Sklaven den Kopf gehoben und sahen Aaron ungläubig, ängstlich aber auch hoffnungsvoll an.
Aaron nickte ihnen freundlich zu. „Ihr könnt aufstehen..."
Zögerlich standen die Sklaven auf und Aaron wartete geduldig, bis auch der letzte von ihnen stand.
„Harun...komm bitte zu mir..."
Innerlich seufzte Aaron, als der Mann ängstlich zusammen zuckte, dann jedoch gehorsam neben ihn trat. Als Harun jedoch vor ihm niederknien wollte, hielt er ihn davon ab.
Ruhig legte Aaron Harun die Hand auf die Schulter.
„Wenn einer von euch verletzt oder krank ist, möchte ich, dass er sich bei Harun meldet."
Kurz verharrte Aaron, bevor er fortfuhr. „Du, Harun, wirst deine Kameraden zu Arvid bringen, damit er ihnen helfen kann."
Ruckartig drehte sich Harun um. „Ihr wollte ALLEN helfen?" platzte es aus ihm heraus, und sofort sank er auf die Knie. „Bitte verzeiht meinen Ausbruch, Herr..."
Aaron hingegen schmunzelte nur und zog Harun sanft nach oben. „Ja. Es wird allen geholfen werden."
Stille breitete sich aus, als alle Sklaven Aaron ansahen.
„Aber zuvor habe ich noch etwas anderes zu sagen...."
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Finya 4
VampireDer Urlaub auf der Insel von Aarons Vater ist zu Ende. Zeit, die Heimreise anzutreten. Doch noch immer ist Aaron und Finya keine Ruhe vergönnt. Ein neuer Widersacher tritt auf, der seine Handlungen nicht mehr nur gegen Finya richtet.