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„Steh auf und komm zu mir..." forderte Aaron Landros auf.
„Und du, Finya...stell den freien Hocker näher vor mich..."
Sofort stand Finya auf und schob den Hocker vor Aaron.
Landros schluckte noch einmal und trat dann zögernd auf Aaron zu. Als er jedoch erneut vor ihm auf die Knie sinken wollte, schüttelte Aaron schmunzelnd den Kopf.
„Nein. Dieses Mal wirst du dich auf den Hocker setzten, Landros. Direkt vor mich."
Einen Moment verharrte Landros, dann ließ er sich auf die äußerste Kante des Hockers sinken.
Finya senkte den Kopf, verbarg so ihr Schmunzeln. Zu sehr erinnerte sie Landros Verhalten an ihr Eigenes in der ersten Zeit bei Aaron.
Langsam streckte Aaron seine Hand aus.
„Gib mir deinen Arm.." forderte Aaron ihn auf.
Zitternd kam Landros der Aufforderung nach.
Doch anstatt nach der Hand zu greifen, wie Aaron es ursprünglich vorgehabt hatte, schüttelte er den Kopf.
„...du fürchtest mich bereits jetzt so sehr, dass du vor Angst zitterst. Wie willst du da entspannt bleiben?"
Landros schloss für einen kurzen Moment die Augen. „...ich werde es schon schaffen, Herr..."
Aaron schüttelte den Kopf. „Nein. Nicht, wenn du mich so sehr fürchtest. Was macht dir am meisten Angst?" Aarons Stimme war ruhig und freundlich.
Landros rutschte unsicher auf dem Hocker hin und her und er senkte den den Blick.
„Der Schmerz, Herr...Und die...Bewusstlosigkeit..."
Irritiert zog Aaron die Augenbrauen zusammen. „die Bewusstlosigkeit?"
Landros nickte. „Ja...die Bewusstlosigkeit, die einen befällt, nachdem der Herr von einem getrunken hat."
Aaron schüttelte nur den Kopf. „Dann hat Skyldar jedes Mal zu viel von euch getrunken. Oder ihr wart insgesamt zu sehr geschwächt...Denke an gestern zurück. Ist Finya da bewusstlos geworden?"
Für einen Moment zog Landros nachdenklich die Stirn kraus, dann schüttelte er den Kopf.
„Nein, Herr..." stellte er dann selbst überrascht fest.
Aaron schmunzelte. „Siehst du..."
Nachdenklich lehnte Aaron sich zurück und schlug die Beine übereinander.
„...hast du dir heute schon deine Frühstücksration geholt?"
Landros nickte. „Ja, Herr."
Langsam richtete Aaron sich wieder auf. „...dann sollte dein Körper stark genug sein..."
Einen Moment beobachtete er, wie Landros die schwitzigen Hände an seiner Hose trocken rieb.
„...möchtest du es immer noch?"
Noch bevor Aaron reagieren konnte, sank Landros auf die Knie. „Ja, Herr..."
Leicht zuckte er zusammen, als Aaron unzufrieden brummte und wortlos auf den Hocker wies.
Sofort richtete er sich wieder auf, setzte sich auf den Hocker und reichte Aaron zum zweiten Mal seinen Arm.
Und auch wenn Landros angespannt wirkte, zitterte er dieses Mal nicht.
Sanft schlangen sich Aarons Finger um Landros Handgelenk und er zog den Arm noch ein Stück näher zu sich.
Ein letztes Mal legte sich sein Blick fragend auf den Sklaven, der jedoch nur langsam nickte.
„Ich werde für dieses Mal nur von deinem Arm trinken." erklärte Aaron.
Überrascht hob Landros den Blick, wirkte regelrecht erleichtert.
Aaron schmunzelte bei dieser Reaktion. „...genau deswegen..."
Während er mit der einen Hand Landros Arm festhielt, strich er mit den kalten Fingern seiner anderen Hand sanft über die Innenseite des Unterarms.
Einen Moment wandte er seinen Blick zu Finya und gab ihr ein Zeichen.
Mit einer leichten Verneigung erhob sich die Sklavin, trat hinter Landros und legte ihm beruhigend die Hände auf die Schultern.
„Schließ die Augen..." forderte Aaron den Mann auf.
Sofort kniff Landros die Augen zusammen und begann hektisch zu atmen.
Sanft erhöhte Finya den Druck ihrer Hände auf Landros Schultern. „Entspann dich...es ist alles in Ordnung..."
Zögerlich nickte der Mann vor ihr. Zufrieden neigte Aaron den Kopf, als Landros Augen nicht mehr krampfhaft geschlossen waren. „So ist es gut...Lass die Augen einfach geschlossen" bestätigte Aaron.
„...und jetzt möchte ich, dass du tief ein und aus atmest, Landros..." erklärte er leise.
Lautlos sank er vor dem Sklaven auf das Knie, um mühelos auf die richtige Höhe zu kommen.
Finya atmete ebenfalls tief ein und aus, unterstützte Landros so bei seiner Atmung...
„Einatmen....ausatmen..." gab sie den Rhythmus vor. Schnell ließ Landros sich auf diesen Takt ein.
Aaron lächelte und nickte Finya dankend zu. Dann senkte er seine Lippen bis dicht über den Arm, ohne ihn jedoch zu berühren.
Er schloss die Augen, entspannte sich dabei selbst.
Deutlich konnte er das Blut dicht unter der Haut rauschen hören. Deutlich konnte er hören, wie der Blutfluss immer ruhiger wurde.
Jetzt war der richtige Zeitpunkt gekommen. Länger durfte er nicht warten, wenn er nicht wollte, dass Landros Entspannung erneut in Anspannung umschlug.
Er wartete, bis Finya den Mann erneut zum Einatmen aufforderte und dieser der Aufforderung nachkam. Finya hatte das Wort ‚Ausatmen' noch nicht einmal beendet, als Aaron behutsam seine Zähne in Landros Arm versenkte. Kurz wartete er, als Landros zusammen zuckte, doch Landros schien wieder erwarten ruhig zu bleiben.
Aaron gestattete sich, sacht zu lächeln und begann langsam zu trinken. Doch bereits nach dem dritten Schluck löste er seine Zähne wieder aus Landros Arm und verschloss die Wunde.
Langsam und lautlos richtete er sich auf und nahm wieder Platz.
Noch immer hatte Landros die Augen geschlossen und atmete zwar etwas hektischer, aber immer noch ruhig weiter.
„...du kannst die Augen wieder öffnen, Landros. Ich bin fertig." forderte er den Mann auf.
Langsam öffnete der Sklave die Augen. Während Finya sich von ihm löste und wieder neben Aaron Platz nahm, sah er selbst verblüfft auf seinen Unterarm, wo lediglich zwei kleine, rote Punkte zu sehen waren.
„Aber..." verblüfft hob er den Blick, was Aaron ein sichtlich amüsiertes Lachen entlockte.
„Ich bin kein Metzger, Landros. Ich bin durchaus in der Lage, die Wunde meines Bisses sofort wieder zu verschließen."
„Und..." nachdenklich und verwundert rieb sich Landros über den Arm.
„Ja...?" Aaron lächelte.
„ich...habe wirklich fast nichts gespürt...es...es war mehr ein...ziehen....ein leichtes...Brennen..."
Finya nickte bestätigend. „Ich sagte doch: allenfalls etwas unangenehm..."
„...bei meinem Herren war ich danach immer völlig erschöpft...wenn ich nicht sofort und noch beim Trinken bewusstlos geworden bin..."
Aaron nickte nur. „Ich habe für dieses Mal nur sehr wenig Blut genommen. Zumal ich noch satt bin. Ich wollte, dass du keine negative Verbindung knüpfst." erklärte er dem Mann.
Mit neuer Zuversicht hob Landros den Blick. „...wird es jetzt immer so sein, Herr?"
Aaron sah ihn ernst an. „Das hängt in erster Linie von dir ab. Denn eines kann ich dir zusichern. Egal, wer in Zukunft dein Herr sein wird: er wird es mit dem Trinken ebenso halten, wie ich."
Langsam ließ Landros sich auf die Knie sinken und dieses Mal rügte Aaron ihn nicht dafür.
„Ich danke Euch, Herr..Ich danke Euch, dass Ihr mich habt diese Erfahrung machen lassen. Ich danke Euch, dass Ihr uns überhaupt so gut behandelt. Wir alle hatten keine Hoffnung mehr. Ihr habt es geschafft, uns neue Hoffnung zu geben und uns zu zeigen, dass wir nicht nur....Dreck...sind...."
Aaron nickte nur leicht. „Ihr mögt Sklaven sein. Dennoch seid ihr denkende und fühlende Wesen und habt es verdient, gerecht und respektvoll behandelt zu werden. Seid euch gewiss: Hätte Jarl Kari früher erfahren, was Skyldar tut, hätte er schon längst etwas dagegen unternommen.
Aber jetzt geh...lass dir etwas Obst geben um dich zu stärken."
Respektvoll verneigte sich Landros und berührte mit der Stirn den Boden vor Aarons Füßen, bevor er langsam aufstand und nach einer erneuten Verneigung das Zelt verließ.

Finya 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt