Arvid steckte das Fläschchen ein, um es später zu untersuchen und nickte Yunus freundlich zu. „Dann komm jetzt mit..."
Gemeinsam mit ihm verließ er das Zelt.
Kaum, dass sich die Zeltplane hinter ihnen geschlossen hatte, begann Aaron, unruhig im Zelt auf und ab zu gehen und sich die Haare zu raufen.
Unwillig und gestresst murmelte er immer wieder etwas in der Vampirsprache, wovon Finya jedoch nur einzelne Worte verstand.
„Herr..." wandte sie sich schließlich sanft an ihn. Aaron schien regelrecht in der Bewegung einzufrieren. „Was ist...?" seine Augen blitzten Finya regelrecht an, die sich davon jedoch nicht einschüchtern ließ.
In einer geschmeidigen Bewegung stand sie auf, trat neben ihren Herren und legte ihm sanft die Hand auf den Arm.
„Lasst mich Euch helfen, die weiteren Schritte zu planen, Aaron."
Aaron atmete tief durch und schien sich mühsam zu entspannen. Schließlich nickte er und wies auf den Tisch.
„Die ganze Situation ist so kompliziert..." begann er seufzend, kaum, dass Finya ihm gegenüber Platz genommen hatte.
„Ich habe hier viel zu wenig Wachen um das Lager zu kontrollieren. Die meisten Männer des Fürsten haben sich mir zwar unterstellt, sollten sie ihre Meinung jedoch ändern, habe ich keine Chance gegen sie. Dazu dann die sechs Gefangenen, die bewacht werden müssen..."
Finya nickte leicht. „Den Fürsten selbst würde ich am liebsten eigenhändig töten, doch diese Entscheidung obliegt letzten Endes Jarl Kari."
Erneut nickte Finya.
„Ihr braucht also einerseits mehr Wachen und müsst andererseits den Jarl informieren..." fasste sie dann zusammen.
Müde nickte Aaron. „Richtig. Aber ich kann hier niemanden entbehren..."
Finya runzelte die Stirn. „Wenn Ihr nicht gerade Rebecca, Taro oder mich schicken wollt, habt Ihr keine andere Wahl, Hoheit."
Aaron brummte unwillig. „Diesen Vorschlag habe ich nicht einmal gehört, Finya. Das kommt nicht in Frage."
Finya schmunzelte. „Dann wird Euch nichts anderes übrig bleiben, als eine der Wachen zur Burg zu schicken und von dort aus Jarl Kari zu informieren..."
Aaron seufzte. „Du hast Recht, Finya...Eine Wache mehr oder weniger sollte auch nicht wirklich einen Unterschied machen..."
Kurz schien Aaron zu überlegen. „Hol die Schreibsachen aus meiner Tasche ich werde dir diktieren, was du schreiben sollst."
Bald darauf versiegelte Aaron die beiden Briefe und rief eine der Wachen herein, die auf der Hinreise die erste Kutsche begleitet hatten.
„Mach dich sofort auf den Weg. Diese Briefe müssen so schnell wie möglich in die Burg. Du wirst sie direkt Matthias überreichen. Er wird alles nötige in die Wege leiten."
Die Wache verneigte sich respektvoll. „Ich mache mich sofort auf den Weg, Hoheit."
Aaron wartete, bis die Wache sein Zelt wieder verlassen hatte.
„Es ist eigentlich unnötig zu erwähnen, aber du wirst dieses Zelt nicht mehr alleine verlassen, solange ich so wenige Wachen habe, Finya."
Finya nickte lediglich. „Das hatte ich mir bereits gedacht. Deshalb bin ich Yunus Bitte auch nicht nachgekommen."
Fragend legte Aaron den Kopf schief. „Nachdem ich mit ihm wieder alleine war, hat er mich angefleht, seine Tochter aus dem Zelt von Fürst Skyldar zu holen. Ich hatte ihm gesagt, dass ich das nicht tun kann. Allerdings habe ich Andrej gebeten, sich darum zu kümmern."
Für den Moment erlaubte Aaron sich, zu entspannen und lehnte sich fast schon gelöst zurück.
„Ich bin froh, dass ich mich derart auf dich verlassen kann, Finya..."
„Ich weiß, dass keiner momentan die Sicherheit im Lager garantieren kann und..."
Finya stockte mitten im Satz und legte nachdenklich den Kopf schief.
„...das Hauptproblem sind doch der Fürst und seine treuen Wachen, oder?" hakte sie dann nach.
„Ich kann mich zwar - trotz ihrer Zusicherung - auch nicht auf die anderen Wachen verlassen, aber ja: die größte Gefahr geht von den Gefangenen aus."
Finyas Augen blitzten auf, während sie immer noch nachdenklich zu Aaron sah.
Trotz der angespannten Lage musste Aaron nun doch schmunzeln. „Du hast doch schon wieder eine Idee, Finya..."
Die Angesprochene nickte. „...wäre es nicht eine Möglichkeit, die Gefangenen.....ruhig zu stellen...? Mit...Noxanum?"
Verblüfft blickte Aaron seine Sklavin an, stand dann ruckartig auf.
„Warte hier..." forderte er Finya lediglich auf und war im nächsten Moment bereits aus dem Zelt verschwunden.
Seine Schritte führten ihn direkt zu dem Zelt, aus dem er Arvids Stimme hörte.
In der Mitte des Zeltes, auf einer einfachen Pritsche, lag Yunus auf dem Bauch und wirkte ziemlich angespannt.
Über ihn gebeugt stand Arvid mit einem scharfen Messer in der einen und einem Tuch in der anderen Hand.
Als Aaron regelrecht in das Zelt hinein stürmte, zuckte Yunus zusammen. Sein Blick wanderte zu Aaron und er begann erneut zu zittern.
Arvid legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter und blickte Aaron fragend an.
Aarons Blick ruhte beinahe schon freundlich auf Yunus. „Ich habe dir zugesagt, dass du nichts zu befürchten hast, wenn du kooperierst." wandte er sich ruhig an ihn. „Ja. Ich war wütend, dass du mich vergiften wolltest. Aber ich glaube dir, dass du keine andere Wahl hattest. Du hast also keine Strafe dafür zu erwarten."
Unsicher richtete sich Yunus ein Stück auf und blickte scheu zu Aaron. „Ihr seid sehr gütig, Herr..."
Aaron nickte nur. „Wie weit bist du, Arvid?"
„Ich habe die infizierten Wunden geöffnet und noch einmal gereinigt. Sobald ich Yunus Rücken verbunden habe, bin ich fertig."
Zufrieden nickte Aaron. „Dann warte ich." bestimmte er. „Finya hatte eine Idee, die ich gerne mit dir besprechen möchte."
Arvid nickte und gab Yunus ein Zeichen, sich aufzusetzen.
„Ich bin gleich soweit, Hoheit."
Mit geübten Handgriffen verteilte Arvid zunächst Salbe auf Yunus Rücken und verband anschließend die Wunden.
Kaum, dass er damit fertig war, sank Yunus vor ihm auf die Knie. „Ich danke Euch, Arvid."
Nachdenklich musterte Aaron den knienden Sklaven. „Komm zu mir, Yunus."
Erneut zuckte der Mann leicht zusammen und begann, auf Aaron zu zu kriechen. Missbilligend schnalzte Aaron mit der Zunge. „Steh auf, Yunus. Auch wenn Skyldar das anscheinend von dir gefordert hat, halte ich herzlich wenig davon."
Fast schon erleichtert erhob sich Yunus, trat dann aber unsicher auf Aaron zu.
„Wie geht es dir?"
„Ich...habe kaum Schmerzen, falls Ihr das meint, Herr. Ansonsten..." er zögerte und senkte den Blick. „Ich habe Angst, Herr."
Aaron nickte, wirkte nicht sonderlich überrascht. „Wenn ich hier fertig bin, wirst du deine Tochter sehen dürfen."
Ungläubig hob Yunus den Blick. Erneut wollte er auf die Knie sinken, wurde jedoch von Arvid abgehalten. „Du solltest dich nicht so viel bewegen, Yunus. Dein Rücken kann sonst nicht heilen."
Nervös und unsicher blickte Yunus zu König Aaron, der jedoch nur bestätigend nickte. „Ich danke Euch, Herr."
Für einen Moment blickte Aaron nachdenklich zu Yunus.
„Ich möchte, dass du mich ebenfalls begleitest." erklärte er dann schlicht und blickte zu Arvid. „Hol bitte Rebecca und komm mit ihr in mein Zelt."
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Finya 4
VampireDer Urlaub auf der Insel von Aarons Vater ist zu Ende. Zeit, die Heimreise anzutreten. Doch noch immer ist Aaron und Finya keine Ruhe vergönnt. Ein neuer Widersacher tritt auf, der seine Handlungen nicht mehr nur gegen Finya richtet.