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Es ging bereits auf Mittag zu, als die Wachen die baldige Ankunft von Jarl Kari meldeten.
Wenig später konnten auch die Sklaven die sich nähernde Gruppe in der Ferne ausmachen.
Sofort verbreitete sich Unruhe und Angst unter den Sklaven.
Schließlich betrat Dimitri das Zelt seines Königs.
„Aaron...Die Sklaven haben die Gruppe um Jarl Kari gesehen...Sie haben Angst."
Aaron seufzte und nickte Finya zu, ihm zu folgen. „Das war zu erwarten. Dennoch hatte ich gehofft, dass es nicht dazu kommt...Ich werde mit ihnen reden. Sie sollen alle zur Feuerstelle kommen."
Wenige Augenblicke später standen Aaron und Finya an der Feuerstelle.
Nach und nach trafen auch die Sklaven dort ein, blieben aber auf ein Zeichen Aaron's hin stehen - wenn auch sich die Mehrheit von ihnen damit sichtlich unwohl zu fühlen schien.
Schließlich hatten alle Sklaven sich versammelt.
„Ich habe euch zusammen gerufen, um euch an etwas zu erinnern." wandte sich Aaron ruhig an die Menge.
„Ihr alle habt die Gruppe gesehen, die sich dem Lager nähert und ich sehe, dass viele von euch Angst haben."
Auf einmal stockte Aaron und blickte nach unten, als ihn etwas am Bein berührte.
Schmunzelnd bückte er sich zu dem kleinen Mädchen, das kürzlich erst an sein Bein gelehnt  eingeschlafen war.
„Soraya...!" Einige Meter entfernt stand sichtlich bleich die Mutter des Kindes. „Komm wieder her..." zischte sie leise.
Doch anstatt ihrer Mutter Folge zu leisten, reckte das Kind Aaron seine dünnen Ärmchen entgegen.
Sanft hob Aaron das Kind hoch und setzte es auf seinen Arm, bevor er der Mutter zunickte. „Es ist in Ordnung. Sie darf jederzeit zu mir kommen..."
Entschuldigend lächelte die Frau und trat unsicher von einem Bein auf das Andere."
Als wäre nichts gewesen, wandte sich Aaron wieder an die Sklaven vor ihm.
„So wie Soraya mich nicht fürchtet, braucht ihr Jarl Kari und sein Gefolge nicht fürchten.
Ja...auch Jarl Kari erwartet Respekt, aber er ist ein sehr gerechter Herrscher.
Er weiß, was euch widerfahren ist und wird euch mit Sicherheit Zeit geben. Genauso wie er seinen Sklaven Zeit gegeben hat, nachdem er sie aus der Schreckensherrschaft seines Bruders befreit hat."
Zögerlich begannen die ersten Sklaven zu nicken.
Langsam drehten sie sich um und sahen dem Reitertross entgegen, der gerade in das Lager ritt.
Allen voraus ritt Jarl Kari.
Vor sich im Sattel saß eine junge Frau, die sich lächelnd und vertrauensvoll an ihn lehnte.
Kaum, dass das Pferd zum Stehen gekommen war, hob er die junge Frau vom Pferd und stieg dann selber ab. Erstaunt blickte Finya zu Juna - denn sie war es, die sich so vertrauensvoll an den Jarl gelehnt hatte und lächelte dann.
Mit ausgebreiteten Armen ging der Jarl, gefolgt von Juna, auf Aaron zu um diesen mit einer Umarmung zu begrüßen - nur um im Anschluss daran Finya ebenfalls mit einem Lächeln in die Arme zu schließen.
„Wie ich sehe, trägst du nach wie vor meinen Anhänger..." wandte er sich zufrieden an Finya.
Finya lächelte. „Natürlich trage ich ihn, Herr. Ich lege ihn nur zum Schlafen ab."
Der Jarl schmunzelte. „Kari...Nenn mich Kari, so wie es Juna auch tut." Fast schon liebevoll legte Kari seinen Arm um Junas Schulter.
Respektvoll verneigte sich Finya. „Ich danke Euch,...Kari..."
Erst jetzt wandte sich der Jarl den Sklaven zu, die längst alle auf die Knie gesunken waren.
Zwar hatten sie die Begrüßung des Jarl mit Erstaunen beobachtet - insbesondere wie er Finya begrüßt hatte - doch inzwischen hatten längst alle ergeben die Köpfe gesenkt.
Fast schon kopfschüttelnd blickte der Jarl auf die abgemagerten Sklaven.
„Steht auf..." forderte er sie ruhig auf. „Ihr seid viel zu geschwächt, um Eure Demut auf diese Weise zu bekunden."
Zögerlich kamen die Sklaven zwar auf die Beine, wagten es aber nicht, den Kopf zu heben.
...wie konnte Skyldar das nur vor mir verbergen...oder anders gefragt...wie konnte ich das nur übersehen..." Langsam ließ Kari den Blick über die Menge gleiten.
Langsam trat Finya einen Schritt nach vorne. „Ihr hattet viel zu organisieren, nachdem Ihr Euren Thron wieder eingenommen hattet. Es ist nicht gut, aber so etwas kann passieren. Immerhin wart Ihr nie auf Skyldars Schloss - und auch die Sklaven von anderen Fürsten waren schließlich abgemagert..."
Kari lächelte betrübt. „Deine Worte ehren dich, Finya. Dennoch fühle ich mich dafür verantwortlich. Ich hätte meine Fürsten genauer überprüfen müssen. Ich dachte eigentlich, dass ich unter ihnen ausreichend aufgeräumt hätte, doch hier wird mir gerade das Gegenteil bewiesen."
Erneut wandte sich Kari an die Sklaven.
„Ich weiß, Ihr habt Angst...Angst, was mit euch geschehen wird und auch Angst vor mir.
Doch ich gebe euch mein Wort, dass ich mich gut um euch kümmern werde. Ihr werdet fortan ein besseres Leben führen können. Und ich verspreche euch, dass ich Skyldar noch in den nächsten Tagen zur Rechenschaft ziehen werde. Ihn und auch seine Wachen - zumindest die unter ihnen, die sich schuldig gemacht haben."
Einen Moment schwieg Kari und ließ seine Worte wirken. Ihm entging nicht, wie einige Sklaven immer wieder zu Finya blickten und ganz offensichtlich erleichtert über ihre Anwesenheit waren.
„Um Skyldar zur Rechenschaft zu ziehen brauche ich jedoch eure Hilfe. Ich brauche....Beweise...für das, was Skyldar euch angetan hat...."
Kurz wanderte sein Blick zu Aaron. „Dürfte ich Finyas Dienste in Anspruch nehmen?"
Schmunzelnd nickte Aaron. „Natürlich."
Kari nickte. „Wer bereit ist, mir zu helfen - sei es, durch eine Aussage oder sei es nur dadurch, dass er mir seine Verletzungen zeigt, meldet sich bitte bei Finya."
Leicht drehte er sich zu Finya um. „Finya...du notierst bitte die Aussagen oder die Art der Verletzungen zusammen mit dem Namen. Juna wird dir dabei helfen."
Finya lächelte, blickte dann fragend zu Kari. Dieser nickte ihr zu und trat einen Schritt zurück.
Finya hingegen trat einen Schritt nach vorne und wandte sich an die Sklaven.
„Ich bitte euch, zahlreich zu mir und Juna zu kommen. Es wird euch kein Schaden daraus entstehen. Vielmehr könnt ihr dabei helfen, dass euer ehemaliger Herr seine verdiente Strafe erhält."
Waren die Sklaven bei Karis Ansprache noch ruhig und skeptisch gewesen, so begannen sie nach Finyas Worten heftig zu nicken.
Langsam trat Aaron neben Finya. Noch immer hatte er Soraya auf dem Arm, die vertrauensvoll ihre Hände um Aarons Hals gelegt hatte.
„Ich werde einen Tisch vor meinem Zelt aufstellen lassen. Dort wird Finya auf euch warten." erklärte er. „Aber jetzt ist es Zeit, das Essen zu richten."
Sofort begannen die Sklaven, die für diese Aufgabe eingeteilt waren, zu nicken und gingen bereitwillig an ihre Arbeit.
Aaron nickte Kari und Juna zu. „...kommt mit in mein Zelt...dort können wir uns in Ruhe unterhalten, bis das Essen fertig ist."
Kaum, dass Aaron die ersten Schritte gemacht hatte, viel ihm Sorayas Mutter auf, die ihm sichtlich unwohl hinterher blickte, es aber nicht wagte, etwas einzuwenden.
Leise lachte Aaron auf und setzte Soraya wieder auf den Boden. „Lauf zu deiner Mutter, Soraya...sie vermisst dich schon."
Dankend, wenn auch etwas verlegen, verneigte sich die Sklavin vor Aaron und schloss ihr Kind in die Arme. „...ich danke Euch, Herr..."

Finya 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt