Einen Moment lang blickte Leon zu den beiden Brüdern.
„Ich denke, es sind gute Jungen, die einfach nur fehlgeleitet sind. Zumindest waren sie das als Kinder...bis ihre Mutter...starb."
Kari hob lediglich fragend die Augenbraue.
„Heran war vielleicht sieben als die Mutter starb. Ab da übernahm der Vater die Erziehung und die Jungen änderten sich...
Der Vater hat eine sehr strenge Hand an den Tag gelegt und Skyldar schien das durchaus zu gefallen. Irgendwann haben die beiden einfach alles getan, um Anerkennung zu bekommen..."
Nachdenklich strich der Jarl durch seinen Bart. „Das erklärt einiges. Wie ist die Mutter gestorben?"
Leon zögerte. „Laut dem Vater und Skyldar soll sie Silber geschluckt haben, um ihr Leben selbst zu beenden. Aber...das passt nicht zu ihr...sie hätte nie ihre Kinder zurück gelassen..."
„Also wurde sie umgebracht?"
Leon zuckte leicht die Schultern. „Ich weiß es nicht, Jarl...aber ich kann es nicht ausschließen."
Für einen Moment wandte sich Kari leise an Aaron, sah dann wieder zu Leon.
„Du hast uns gezeigt, dass du durchaus ein Gewissen hast indem du versuchst, den beiden zu helfen...." begann Aaron schließlich.
„...daher haben wir uns entschlossen, dir eine Chance zu gewähren..." fuhr Kari fort.
Unsicher blickte Leon die beiden Herrscher an.
„Da du anscheinend befürwortest, Sklaven schlecht zu behandeln, geben wir dir die Chance, einen anderen Weg kennen zu lernen."
Leon runzelte fragend die Stirn. „Ich verstehe nicht...?"
„Du weißt, wie sich die Sklaven hier bisher verhalten haben..." erklärte Kari. „Du wirst daher im Lager so an einen Pfahl gebunden werden, dass du alles überblicken kannst. Du wirst sehen, wie wir unsere Sklaven behandeln und wie sich die Sklaven hier im Lager uns gegenüber verhalten. Danach wirst du die Gelegenheit bekommen, dich dazu zu äußern. Und dann sehen wir weiter." Sichtlich überrascht verneigte Leon sich.
„Ich erwarte allerdings, dass du auch dabei keine Probleme machst..."
Ohne Gegenwehr ließ Leon sich losbinden und an einen Pfahl im Lager anbinden.
Aufmerksam sah er sich im Lager um und wurde schon recht bald nachdenklich.Etwa eine Stunde später trat Dimitri auf Aaron und Kari zu, der gerade Finyas Stute bewunderten. Anerkennend ließ der Jarl seine Hand über den Hals des Tieres gleiten. „Ein wahrhaft prächtiges Tier..."
Beide drehten sich gleichzeitig zu Dimitri um, als dieser hinter ihnen zum Stehen kam.
„Der Vater der beiden ist wieder aufgewacht.
Kooperation sieht jedoch anders aus...er ist mehr als wütend."
Kari seufzte. „Halten wir das Verhör kurz...ich bezweifle ohnehin dass wir viel Neues erfahren werden..."
Kurz darauf standen die beiden erneut vor dem Vater, dieses Mal jedoch ohne die beiden Sklavinnen.
Wütend blickte der Mann zu seinen beiden Söhnen. „Na was haben die beiden alles für Schauermärchen erzählt..." wandte er sich trocken an Aaron und Kari. „Die beiden sind dumm und einfältig...ich hätte mich längst ihrer entle..." er stockte, doch Karis Blick wurde dennoch eisig.
„Entledigen...so wie du es mit deiner Frau getan hast?"
Der Mann zuckte zusammen, hatte sich aber schnell wieder unter Kontrolle. „Haben die beiden Einfaltspinsel das erzählt? Man kann ihnen nicht glauben. Sie reden viel wenn der Tag lang ist. Ohne mich wären sie längst nicht mehr am Leben.."
„Kam es dir nicht gerade recht, dass die Mutter gestorben ist und du sie so zu willenlosen Werkzeugen formen konntest. Mit oder für Skyldar?"
Der Mann grinste überheblich. „Das ist schon praktisch...zwei Idioten, die die Drecksarbeit erledigen, ohne auch nur irgend etwas zu hinterfragen...Ich konnte sie noch nie leiden. Genauso wenig wie die Mutter. Bereits nach einem Jahr ist sie mir langweilig geworden und ich habe mich ihrer entledigt. Mein Fürst hat mir einen hohen Preis für die Jungen gezahlt..."
Aaron schüttelte fassungslos den Kopf.
„Was ist es, was Dich antreibt?
Bist du so stolz auf deine Taten, dass du damit prahlen willst ungeachtet der Konsequenzen?
Oder denkst du immer noch, dass dir keiner etwas anhaben kann und du gerettet wirst?"
Der Mann grinste Aaron jedoch nur an. „Mir kann keiner etwas anhaben. Skyldar hat genug Freunde, die mir helfen werden. Das hat er mir oft genug zugesichert."
Sowohl Aaron, als auch Kari schüttelten über so viel Naivität die Köpfe.
„Ich nehme also an, dass du über den ganzen Plan im Bilde warst?"
Erneut grinste der Gefangene. „Natürlich. Was bei meiner Frau funktioniert hat, hätte bei Euch auch funktionieren müssen. Allerdings hat dieser Sklave alles verbockt.
Wäre er nicht gewesen...Finya hätte längst für den Tod Aegirs gebüßt und...."
„Schweig..." schnitt Kari ihm das Wort ab.
„Ich brauche mir das nicht länger anhören...es gibt nichts mehr, was du noch sagen musst...Du widerst mich an."
Karis Augen blitzten vor Wut rot auf und auch Aaron's Augen leuchteten rot.
Nach einem kurzen Blick zu Kari nickte Aaron Eric zu. „Schick ihn schlafen."
Dieser nickte ebenfalls und schickte den Mann erneut mit einem gezielten Schlag in die Bewusstlosigkeit.
Kopfschüttelnd sahen die beiden Herrscher sich an, dann wanderte ihr Blick zu den schlafenden Wachen. „Ich denke, dieser Leon hat Recht gehabt..." Kari neigte bestätigend den Kopf. „Ja...sie können einem im Grunde wirklich Leid tun. Eine Strafe haben sie dennoch verdient..."
Auch Aaron nickte.
„Ich denke, für heute haben wir genug gehört. Was haltet ihr von einem gemeinsamen Ausritt mit Juna und Finya?"
Kari grinste. „Ich denke das würde uns allen gut tun. Und Finya und Juna werden ihren Spaß haben."
Noch während sie miteinander sprachen, waren sie aus dem Zelt getreten.
Schmunzelnd blickte Aaron auf die Kinder, die gemeinsam mit Jonas erneut „abwerfen" spielten.
Lachend beobachtete Kari die Szene, stutzte aber, als ein kleines Mädchen auf Aaron zu lief. Sogleich bückte sich Aaron und hob das Kind hoch. „Hallo Soraya..." begrüßte er sie und nickte auch der Mutter freundlich zu, die einige Meter entfernt stand und ihr Kind mit Argusaugen beobachtete.
Auf einmal grinste Aaron. „Was meinst du, Soraya...willst du mit uns einen Ausritt machen?"
Mit großen Augen nickte das Mädchen.
Kurz blickte Aaron zu der Mutter. Als Finya neben ihn trat, nickte er ihr erleichtert zu.
„Erklär du bitte der Mutter, dass Soraya mit uns ausreiten darf..."
Finya nickte, trat auf die Frau zu und sprach beruhigend auf sie ein, bis diese schließlich- wenn auch zögernd - nickte.
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Finya 4
VampireDer Urlaub auf der Insel von Aarons Vater ist zu Ende. Zeit, die Heimreise anzutreten. Doch noch immer ist Aaron und Finya keine Ruhe vergönnt. Ein neuer Widersacher tritt auf, der seine Handlungen nicht mehr nur gegen Finya richtet.