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Gehorsam aber ängstlich folgten die drei Jonas, als dieser sie aus dem Zelt hinaus führte. Keiner von ihnen wollte Aarons Worten wirklich glauben schenken. Vielmehr rechneten sie damit, nun ihre Strafe zu erhalten, doch eine erneute Flucht würde ihnen erst recht nicht gelingen.
Umso erstaunter waren sie daher, als Jonas sie lediglich in das Nachbarzelt führte.
Dort, auf einer Liege, lag das immer noch bewusstlose Kind, daneben auf dem Boden saß der Großvater.
Mit sichtlich besorgter Miene stand Arvid über das Kind gebeugt da und  blickte nur kurz auf, als Jonas das Zelt betrat.
Rasch löste Jonas den Sklaven die Fesseln, trat neben Arvid und sah ihn fragend an.
„Ist der Junge immer noch nicht aufgewacht?"
Arvid schüttelte den Kopf. „Leider nicht...wenn ich nur wüsste, woher das Fieber kommt...Momentan kann ich nur versuchen, das Fieber zu senken und hoffen, dass es nicht zu spät ist..."
Vom Zelteingang her ertönte ein spitzer Schrei. Im nächsten Moment stürmte die Mutter auf ihr Kind zu und ging neben ihrem Kind auf die Knie. Tränen der Verzweiflung standen in ihren Augen, als sie fast schon hilflos das Kind schüttelte und so versuchte, es zu wecken.
Jonas wollte die Frau gerade zurück ziehen, als Arvid den Kopf schüttelte.
Statt dessen legte er der Frau sanft die Hand auf den Arm.
„...du kannst mir helfen..." erklärte er und wies auf die Tücher, die er um die Beine des Knaben gewickelt hatte.
„Tauch die Tücher in das kalte Wasser und wickel sie wieder um die Beine deines Sohnes..."
Sofort kam die Frau dieser Aufforderung nach und sah dann hoffnungsvoll zu Arvid.
Dieser nickte ihr freundlich zu. „Hatte dein Sohn in letzter Zeit irgendwelche Verletzungen?"
Stumm schüttelte die Frau den Kopf, nickte dann aber und deutete auf den Bauch des Jungen.
Alarmiert hob Arvid die Augenbraue. „Hatte er Bauchschmerzen?"
Erneut nickte die Frau. Sofort beugte Arvid sich wieder über das Kind und tastete behutsam den Bauch ab.
Arvid runzelte die Stirn, sah dann fast schon streng zu der aufgelösten Frau.
„Ich kann deinem Sohn nur helfen, wenn du mit mir sprichst und mir sagst, was geschehen ist."
Zögernd hob die Frau den Blick.
„Bitte, Herr...er hatte doch einfach nur solchen Hunger...Er wollte bestimmt nicht gegen den Befehl verstoßen."
Arvid unterdrückte ein Knurren.
„Gegen welchen Befehl? Und was hat er getan?"
Verängstigt zog die Frau den Kopf ein.
„Er sollte eine Woche lang nichts zu Essen bekommen, Herr. Aber ich schwöre, es war keine Absicht von ihm. Er ist einfach nur gestolpert mit dem Essen unseres Herren..."
Arvid ballte die Faust, kämpfte mühsam um seine Beherrschung.
„Was hat dein Junge gegessen...?" fuhr er die Frau leicht ungeduldig an, die sofort zusammen zuckte.
„Nur ein paar Beeren, Herr. Es tut mir Leid, bitte bestraft ihn nicht..." flehte die Frau.
Sofort schien Arvids Blick zu versteinern.
„Geh mit Jonas und zeig ihm, welche Beeren der Junge gegessen hat." wandte er sich bemüht ruhig an die Sklavin. „Jonas...bring mir einen Zweig von dem Busch..."
Sofort trat Jonas neben die Frau und zog sie mit sanfter Gewalt nach oben.
Die beiden hatten gerade das Zelt verlassen, als Aaron mit Finya das Zelt betrat.
Nur kurz ließ Aaron den Blick durch das Zelt wandern. Vater und Onkel des Jungen saßen ängstlich am Rand des Zeltes, der Großvater bleich neben der Liege.
Fragend blickte Aaron zu Arvid. „Ich vermute, der Junge hat sich mit Beeren vergiftet, Hoheit."
Kurz blickte er fragend zu Aaron, bevor er sich an Finya wandte.
„Finya...geh zur Feuerstelle und bring mir verkohltes Holz..."
Noch bevor Finya sich ihrem Herren zuwenden konnte, nickte dieser ihr bereits zu.
Kurz darauf stand Finya wieder vor Arvid, einen verkohlten Ast in der Hand und sah ihn fragend an.
„Hol den Mörser aus meiner Tasche..."
Mit seinem Dolch kratzte Arvid etwas von dem verkohlten Ast in den Mörser und ließ Finya die Kohle fein zermahlen. „Was habt Ihr damit vor, Arvid?"
Arvid lächelte sacht. „Die Kohle hilft gegen die Vergiftung..."
Unterdessen kehrten Jonas und die Sklavin zurück.
Noch bevor Jonas ihm den Ast reichen konnte, nickte Arvid bereits... „...das habe ich befürchtet. Das sind Samarbeeren. Sie sind sehr giftig. Dazu noch auf nüchternen Magen..."
Rasch mischte er die Kohle mit etwas Wasser und flöste sie dem Jungen ein.
„...jetzt heißt es abwarten..."
Aarons Blick wurde ernst, dann wandte er sich ruhig an die Eltern. Inzwischen war auch der Vater zögerlich neben seinen Jungen getreten.
„Arvid wird weiterhin alles tun, um euren Jungen zu retten, aber eure unbedachte Flucht hat seinen Zustand nicht gerade verbessert. Hoffen wir, dass Arvids Hilfe nicht zu spät kommt..."
Entsetzt sahen die Eltern König Aaron an und klammerten sich an ihr Kind.
Nur kurz blickte Finya zu Aaron. Als dieser nickte, trat sie neben die Eltern und griff sanft nach ihren Armen.
„...Arvid wird tun, was er kann um euren Jungen zu retten..."
Verzweifelt stützte der Vater den Kopf in die Hände. „...warum kümmern sie sich um ihn, wenn sie ihn danach ohnehin töten werden"
Finya schüttelte den Kopf. „Nein...sie  werden ihn nicht töten..."
Der Mann schüttelte vehement den Kopf. „Es ist immer so...wenn einer von uns krank oder verletzt ist, wird er getötet. Und dann hat Barun auch noch einen Befehl missachtet."
Erneut schüttelte Finya den Kopf, musste aber dieses Mal sacht lächeln.
„Als ich zu König Aaron kam, war ich verletzt. Er hat mich versorgen lassen, bis ich wieder gesund war. Als Rebecca zu ihm kam, hatte ihr alter Herr sie beinahe tot geprügelt. Auch sie hat er gesund pflegen lassen..."
Betrübt senkte der Mann den Kopf. „..aber nicht hier, bei Fürst Skyldar. Hier wird man getötet, wenn man nicht mehr arbeiten kann..."
Sanft legte Finya dem Mann die Hand auf die Schulter. „Fürst Skyldar hat hier nichts mehr zu sagen."
Schmunzelnd beobachtete Arvid, wie sich die Eltern zumindest etwas entspannten, bevor er sich an Harun wandte.
„...und jetzt werde ich mich um deine Hand kümmern..."
Ängstlich blickte der Mann auf, trat aber dann auf Arvid zu.
„Setz dich hier auf den Hocker..." gehorsam nahm der Mann Platz, zuckte aber bereits zusammen, als Arvid seinen Arm nur leicht berührte.
„Finya...?" 
Sogleich trat Finya an Arvids Tasche und griff nach der grünen Flasche. Nach einem prüfenden Blick auf das Etikett stand sie kurz darauf mit dem Noxanum und einem Becher neben Arvid.
Fragend blickte sie zu Arvid, der ihr lediglich mit den Fingern die Füllhöhe anzeigte.
Finya nickte und reichte kurz darauf den gefüllten Becher an Harun. „Trink das..."
Zögernd blickte dieser auf den Becher, doch Finya nickte ihm aufmunternd zu. „Es wird dir die Schmerzen nehmen...es kann nur sein, dass du ziemlich müde wirst."
Harun schluckte, nahm aber dann den Becher und leerte ihn.
Arvid wartete, bis sich Haruns Gesichtszüge entspannten und löste dann die provisorische Schiene, um die Hand zu untersuchen.
Harun beobachtete ängstlich jeden seiner Handgriffe, entspannte sich aber, als er keine Schmerzen verspürte. Schließlich schloss er sogar die Augen und schien in einen leichten Schlaf zu fallen.
Zügig versorgte Arvid das Handgelenk und legte eine neue Schiene an. „Es scheint zum Glück nicht gebrochen zu sein, aber er wird die Hand einige Wochen nicht nutzen können..." erklärte er Aaron.
Er nickte Finya zu, eine Decke am Boden auszubreiten und legte den Mann darauf ab.
Nachdenklich wanderte Arvids Blick zu Aaron.
„Nachdem die Situation hier im Lager wirklich entspannt zu sein scheint, sollten wir hier vielleicht ein Lazarettzelt einrichten für die Wachen und Sklaven. Ich werde ohnehin hier an das Zelt gebunden sein um mich um Barun, Harun und Jaro zu kümmern..."
Aaron brummte leicht. „Das kannst du gerne tun. Ich bezweifle jedoch, dass die Sklaven dieses Angebot annehmen werden. Sie trauen uns nicht. Und ich kann es ihnen nicht verübeln..."
Finya berührte Aaron sacht am Arm. „Sie werden es annehmen, wenn sie von heute erfahren...ansonsten kann man immer noch die Wachen anweisen, Verletzte hierher zu bringen."
Aaron nickte. „Aber jetzt komm, Finya...Es ist spät geworden..."

Finya 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt