159

102 8 2
                                    

Am nächsten Morgen verließ Aaron schon früh zusammen mit Finya das Zelt. Er war gerade ein paar Schritte gegangen, als er abrupt ein Stück zurück wich und auch Finya mit sich zog. Überrascht sah Finya auf. Direkt vor ihnen schlug ein vielleicht dreijähriger Junge einen Haken, um nicht in Aaron hinein zu laufen. Ängstlich drehte er sich zu Aaron um und übersah dabei eine Stein, der am Boden lag. Im nächsten Moment lag das Kind der Länge nach auf dem Boden. So schnell der Junge konnte, rappelte er sich auf, setzte sich hin und sah Aaron panisch entgegen. Dabei hielt er sich ein blutiges Knie. Seine Augen glänzten feucht, doch wagte das Kind es nicht, zu jammern oder gar zu weinen. Lediglich ein leises Schluchzen entwich immer wieder seiner Kehle. Besorgt ging Aaron auf das Kind zu, doch als dieses immer wieder vor ihm zurück wich, blieb er für den Moment stehen.

„Ich werde dir nichts tun, Junge." erklärte er ruhig und machte erneut langsam einen Schritt auf den Jungen zu. Dieses Mal bliebt der Junge sitzen, versuchte aber, sein Knie mit den Händen zu bedecken. Aaron schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Ich habe dein Knie längst gesehen, Junge...Wie heißt du?" „Yago, Herr..." kam es flüsternd zurück. Gerade als Aaron sich zu dem Kind hinab beugte, rannte eine junge Frau auf Aaron zu und warf sich vor ihm auf den Boden. „Bitte...Herr...tut meinem Jungen nichts. Er kann trotzdem noch arbeiten..nicht wahr, Yago?" Aaron unterdrückte ein Knurren, richtete sich jedoch seufzend auf und hob dabei den Jungen hoch auf seinen Arm. Ängstlich versteifte sich der Junge, doch Aaron hielt ihn sicher im Arm.

„Yago...entspann dich. Dir wird nichts geschehen. Aber deine Wunde ist ganz voller Erde. Das müssen wir sauber machen. Du willst doch nicht, dass es sich entzündet..." Unsicher hob Yago den Blick und sah in Aarons Augen, die ihn freundlich anblitzten. Aus einem Impuls heraus schien das Kind sich zu entspannen, lehnte sogar vertrauensvoll den Kopf an Aarons Schulter und schlang seine Arme um Aarons Hals. „Na siehst du. So ist es doch gleich bequemer."

Während er Yago auf seinem einem Arm sitzen ließ, strich er dem Jungen freundlich über den Rücken. Erst jetzt wandte Aaron seinen Blick zu der Mutter, die immer noch vor ihm am Boden lag. „Steh auf, Frau." forderte er sie ruhig auf. Zögerlich kam die Frau auf die Beine und sah verwirrt zu ihrem Kind, das entspannt auf Aarons Arm saß, jedoch immer noch mit den Tränen kämpfte. „Geh zum Zelt in dem die Verletzten liegen. Dort solltest du Arvid finden. Sag ihm, dass wir hier seine Hilfe brauchen."

Sofort begann die Frau zu zittern und wollte sich erneut vor Aaron auf den Boden werfen. „Bitte...Herr...habt Erbarmen..." Aaron runzelte merklich die Stirn und wandte den Blick zu Finya als diese ihn leicht am Arm berührte. Diese schien ihn wie so oft stumm um sein Einverständnis zu bitten und er nickte ihr zu. „Du brauchst keine Angst zu haben..." versuchte sie die Frau zu beruhigen. „Arvid soll deinem Jungen helfen und ihm nicht schaden. Er wird die Wunde reinigen." Ungläubig schüttelte die Frau den Kopf. „Yunus und Yuna sind in das Zelt und wurden seitdem nicht mehr gesehen. Und auch Barun und Harun hat keiner mehr zu Gesicht bekommen..." Erneut blickte Finya fragend zu ihrem Herrn. „Es geht allen gut. Aber sie sind einfach noch nicht gesund." versuchte sie die Frau zu beruhigen.„Komm mit, dann zeige ich es dir..." Sanft griff sie die Frau am Arm und zog sie mit sich.

Kurz darauf betraten die beiden Frauen das Zelt und Finya gab der Frau Zeit, sich umzusehen. „Siehst du? Sie sind alle hier und es geht ihnen gut." Noch immer ungläubig blickte sich die Frau um, als sie alle ihre Mitsklaven wohlauf sah. Langsam schüttelte die Frau den Kopf. „Ich muss träumen. Sklaven werden nicht so gut versorgt." Inzwischen war auch Finyas Geduld stark strapaziert. „Du träumst nicht..." Sie zog die Frau mit zu Arvid, der sich gerade über Barun beugte. „Heute Nachmittag darfst du ein bisschen das Zelt verlassen und nach draußen gehen.." Sofort strahlte der Junge ihn an.

Erst jetzt drehte Arvid sich fragend zu Finya um. Auch er spürte, dass sie nicht so entspannt wie sonst war. „Was ist los, Finya?" „Wir brauchen Eure Hilfe draußen, Arvid..." erklärte sie ihr Anliegen. Fragend blickte Arvid sie an. „Ein aufgeschlagenes Knie..." erklärte sie weiter. Die Wunde ist ziemlich dreckig..." Arvid nickte nur und griff seine Tasche. „Dann kommt...Und du Finya...bring mir etwas abgekochtes Wasser..."

Unterdessen war Aaron mit dem Kind auf dem Arm ein gutes Stück weiter zur Feuerstelle gegangen und hatte Yago dort auf einen der Tische gesetzt. Vertrauensvoll griff Yago nach Aarons Hand und hielt sie fest. „Wird es weh tun, was der andere Vampir mit mir macht?" Aaron strich ihm beruhigend über den Kopf. „Arvid. Er heißt Arvid." erklärte er. „Und ein bisschen wird es wohl weh tun. Das lässt sich nicht vermeiden. Aber Arvid wird ganz vorsichtig sein." Tapfer nickte Yago und begann zu strahlen, als er seine Mutter sah, die auf ihn zulief.

Kurz verharrte die Frau, unsicher was sie tun sollte - sich um ihren Jungen kümmern oder erneut auf die Knie gehen.. Aaron schmunzelte. „Geh zu deinem Kind, Frau." forderte er sie auf. Während Arvid sich bereits vor das Kind kniete und die Wunde untersuchte, trat Finya in das Küchenzelt und kam kurz darauf mit einer Schale Wasser zurück, die sie Arvid reichte. Ohne hinzusehen nahm Arvid sie entgegen und stellte sie neben den Jungen. Zufrieden stellte er fest, dass das Wasser noch warm, jedoch nicht zu heiß war. Erneut streckte er seine Hand aus, ohne zu Finya zu sehen. „Ein Tuch, Finya..." Finya nickte, trat an Arvids Tasche und holte ein zusammen gefaltetes, weißes Tuch heraus, das sie Arvid in die Hand drückte.

Arvid hob den Blick, sah zu Yago und reichte ihm die Hand. „Ich muss dein Knie säubern, Yago." erklärte er dem Jungen. „Nimm meine Hand. Ich werde zwar so vorsichtig wie möglich sein, aber wenn es zu sehr weh tut, darfst du meine Hand ganz fest drücken. Dann machen wir eine Pause." fuhr er fort und lächelte das Kind freundlich an. „Hast du das verstanden?" Langsam nickte der Junge und griff zögerlich nach Arvids Hand. Sogleich begann dieser mit der freien Hand behutsam das Knie zu reinigen. Verblüfft sah die Mutter zu, wie liebevoll die Vampire sich um ihren Sohn kümmerten. Auf einmal verzog Yaro das Gesicht und im gleichen Moment ließ Arvid auch von ihm ab.

Freundlich nickte er Yago zu. „Du warst sehr tapfer bisher, mein Kleiner. Wir haben es fast geschafft." Er wartete einen Moment und sah sich kurz um. Inzwischen hatten sich mehrere Sklaven um die Feuerstelle versammelt und beobachteten verblüfft, wie man sich um das Kind kümmerte. Leise lächelte Arvid in sich hinein. Vielleicht würde er bald mehr zu tun bekommen.

„Können wir weiter machen, Yago?" Tapfer nickte das Kind und Arvid fuhr fort, das Knie zu reinigen. Kurz darauf legte er das Tuch zur Seite. „...das wars..." erklärte er. „Der ganze Dreck ist draußen. Jetzt muss ich nur noch eine Salbe auftragen. Das wird nochmal etwas unangenehm, aber dafür wird die Salbe dir auch etwas die Schmerzen nehmen." Sein Blick wanderte zu Finya. „Der Tiegel mit der grünen Salbe." erklärte er. Erneut trat Finya an die Tasche und suchte nach der Salbe. Kurz darauf hielt sie den geschlossenen Tiegel Arvid fragend entgegen. „Genau den meine ich." bestätigte er und wartete, bis Finya den Tiegel geöffnet hatte.

Er schmunzelte, als Finya ihm auch noch einen kleinen, goldenen Spatel reichte und entnahm damit etwas Salbe um sie im nächsten Moment auch schon auf das Knie aufzutragen. „...und jetzt machen wir dir noch einen schönen Verband." wandte er sich erneut an den Jungen. „Und bis morgen machst du dann Pause und hältst dich ruhig." Sein Blick wanderte zu der Mutter. „Ein bisschen bewegen ist in Ordnung, aber kein Herumtoben." ordnete er an. „Und morgen Früh bringst du ihn zu mir, damit ich mir das Knie noch einmal ansehen kann."

Die Frau verneigte sich tief und respektvoll vor Arvid. „Das werde ich tun, Herr..vielen Dank, dass ihr meinem Sohn geholfen habt." erklärte sie und wandte sich dann an Aaron. Vor diesem sank sie auf die Knie und berührte mit der Stirn den Boden. „Ich danke Euch, Herr, dass Ihr meinem Sohn habt helfen lassen." Freundlich nickte Aaron ihr zu, wandte sich dann an die umstehenden Sklaven. „So wie Arvid Yago geholfen hat, wird euch auch geholfen werden, wenn ihr Verletzungen habt oder krank seit. Aber dafür müsst ihr euch bei Arvid melden. Ich werde euch bestimmt nicht dazu zwingen, aber ich möchte es euch erneut anbieten."

Finya 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt