Nachdenklich stand Aaron auf, das immer noch schlafende Kind auf dem Arm.
Sacht berührte Finya ihn am Arm und deutete auf das andere Ende des Lagers, wo eine sichtlich blasse Frau stand, den Blick auf das Kind geheftet.
Langsam ging Aaron auf sie zu.
Kaum, dass er näher gekommen war, sank die Frau auf die Knie. „Bitte...sie ist doch noch so klein, Herr..."
„Steh auf..." Aaron seufzte. „Denkst du wirklich, ich hätte sie so auf meinem Arm, wenn ich vorhätte, deiner Tochter etwas anzutun?"
Zögerlich blickte die Mutter auf und Aaron nickte ihr freundlich zu.
„Sie war wohl ziemlich müde...du solltest darauf achten, dass sie ausreichend Schlaf bekommt."
Überrascht verneigte sich die Frau. „Das werde ich, Herr."
Unsicher trat sie von einem Bein auf das Andere, wagte jedoch nicht, nach ihrem Kind zu fragen.
Aaron schmunzelte. „Zeig mir, wo dein Schlafplatz ist."
„Dort drüben, Herr..."
Sie zeigte auf eines der Zelte, ging voraus und Aaron folgte ihr.
Kurz darauf schlug sie bereits die Zeltplane zur Seite und Aaron stockte der Atem.
Dicht an dicht und in mehreren Reihen lag eine zerfetzte und dreckige Decke neben der Anderen.
Die junge Frau ging bis ans Ende einer der Reihen und wies auf eine Decke.
„Dort ist mein Schlafplatz, Herr..."
Aaron schüttelte den Kopf. „Dort wird deine Tochter nicht weiter schlafen." erklärte er nur und gab der Sklavin ein Zeichen. „...komm mit..."
Er trat wieder aus dem Zelt hinaus und ging direkt auf das Lazarettzelt zu.
„Hier hinein..." forderte er die Frau auf, schlug die Zeltplane zur Seite und ließ die Sklavin zuerst eintreten.
„Arvid...ich habe Schlafgäste für dich..." wandte er sich an seine Gardewache. „Ich weiß nicht, ob auch sie Verletzungen haben, aber an ihrem Schlafplatz kann ich sie nicht weiter schlafen lassen."
Arvid nickte nur und Aaron trat auf eine der Decken am Rand zu und legte das Kind behutsam darauf ab. „Du darfst natürlich auch hier schlafen..." erklärte er der Frau, die ihn aus großen Augen ansah und vor ihm auf die Knie fiel. „Ich danke Euch, Herr."
Aaron nickte nur leicht und verließ erneut das Zelt um Dimitri aufzusuchen.
Schließlich hatte er seinen Hauptmann gefunden.
„Dimitri...Ich habe soeben festgestellt, dass die Zustände im Schlafzelt der Sklaven katastrophal und somit intolerabel sind. Die Decken...wenn man das überhaupt so nennen kann...eignen sich nicht einmal mehr als Putzlumpen."
Nachdenklich nickte Dimitri. „Ich denke, ich habe in Skyldars Zelt Kissen und Decken in großer Zahl gesehen, aber ich weiß nicht, ob sie reichen werden."
Finya trat dichter neben Aaron.
„Ich könnte in das Schlafzelt gehen und schauen, welche Decken vielleicht noch irgendwie zu gebrauchen sind...."
Aaron wiegte nachdenklich den Kopf. „....ja...aber nicht ohne die Sklaven. Egal in welchem Zustand die Decken sind...es sind immer noch die Plätze der Sklaven. Ich werde sie zusammenrufen und gruppenweise zu dir schicken. Dann kannst du ihnen auch gleich erklären, was wir vorhaben...So wie ich sie bisher erlebt habe, bekommen sie nur erneut Angst, wenn wir ihre Decken einfach entsorgen."
„In Ordnung, Herr. Dann gehe ich nur schon einmal in das Zelt und versuche, mir einen Überblick zu verschaffen."Im Zelt angekommen hatte Finya sich sehr schnell einen Überblick verschafft. Lediglich eine Handvoll Decken war noch zu gebrauchen.
Nach und nach betraten immer wieder kleinere Gruppen von Sklaven das Zelt und geduldig erklärte Finya ihnen, was Aaron vor hatte.
Zuerst noch skeptisch waren dann aber ausnahmslos alle bereit, ihre Decke abzugeben, auch auf die Gefahr hin, sich unter Umständen vorübergehend eine Decke teilen zu müssen.
Bereitwillig trugen sie selbst ihre Decken aus dem Zelt heraus und so stapelte sich dort bald ein Berg an alten Decken.
Unterdessen hatten Dimitri und Jonas die Zelte Skyldars nach Decken oder auch Kissen durchsucht.
Nachdem die erste Gruppe von Finya zurück kehrte, wandte Dimitri sich an die Männer und Frauen. „Ich könnt uns helfen, neue Decken für euch zu holen." erklärte er ihnen. „Wir werden erst einmal alles, was wir finden einsammeln und zur Feuerstelle bringen. Wenn dann alle soweit sind, werden wir gemeinsam die Decken verteilen."
Unsicher, aber gehorsam nickten die Sklaven, entspannten sich jedoch bald, als sie erkannten, dass ihnen wirklich nichts geschah.
Bald schon türmten sich ein Kissenberg und ein Deckenberg an der Feuerstelle.
Es war bereits später Nachmittag, als sich schließlich alle Sklaven an der Feuerstelle versammelten.
Als Aaron zusammen mit Finya schließlich vor sie trat, sanken alle Sklaven respektvoll auf die Knie. Doch zum ersten Mal begannen sie bei Aarons Anblick nicht zu zittern.
„Steht auf."
Aaron wartete, bis alle standen. „Wie befürchtet, konnten wir leider nicht genug Decken auftreiben. Aber es sind einige große Decken dabei. Daher werden Familien sich vorerst eine Decke teilen."
Er nickte Dimitri zu, der mit der Verteilung der Decken begann. Einige der Sklaven verzichteten sogar auf eine Decke und ließen sich statt dessen ein Kissen geben. Schließlich hatte jeder Sklave eine Decke oder ein Kissen erhalten. Es waren sogar noch genug Decken übrig, dass man die letzten alten Decken ebenfalls aussortieren konnte.
„Geht jetzt und richtet eure Schlafstätten her. Danach melden sich bitte fünf von Euch bei Dimitri, um das Abendessen für das Lager herzurichten. Wer das übernimmt könnt ihr unter Euch ausmachen."
Aaron unterdrückte ein Grinsen, als er in die verwirrten und verblüfften Gesichter der Sklaven sah, wandte sich aber schließlich ab und kehrte mit Finya in sein Zelt zurück.
Wie versteinert sahen die Sklaven Aaron hinterher. Erst ein leichtes Räuspern von Dimitri weckte sie aus ihrer Starre und sie beeilten sich, dem Befehl Aarons nachzukommen.
Wenig später konnte man leise Diskussionen aus dem Sklavenzelt hören.
Skeptisch lauschte Dimitri den Stimmen, bis er schließlich leise auflachte.
Noch immer grinsend ging er zum Zelt seines Königs.
„Aaron....die Sklaven diskutieren gerade darüber, wer sich bei mir meldet..."
Aaron legte leicht den Kopf schief. „...das war doch zu erwarten..." erwiderte er, doch Dimitri schüttelte leise lachend den Kopf. „Nein, Aaron. Das war es nicht. Sie diskutieren nicht darüber, wer den Kochdienst übernehmen MUSS, sondern wer ihn übernehmen DARF. Fast alle wollen sich bei mir melden."
Nun musste auch Aaron schmunzeln. Selbst Finya begann zu lächeln. „...sie sind dankbar, Hoheit. Auf diese Weise wollen sie Euch ihre Dankbarkeit zeigen...."
„Vermutlich hast du Recht, Finya. Was schlägst du vor?"
Finya musste nicht lange überlegen.
„Es sollten sich genug Aufgaben für alle finden. Es schadet nichts, wenn mehrere Sklaven bei den Vorbereitungen helfen. Es sind viele Personen im Lager und daher muss viel vorbereitet werden.
Ansonsten kann man bestimmt noch Sklaven einteilen, um nach dem Abendessen abzuspülen und wieder aufzuräumen."
Zufrieden sah Aaron zu Dimitri, der ihm zunickte.
„Ich denke, ich werde genug Aufgaben finden."
„Sehr gut. Und du, Finya, begleitest mich noch einmal zu Ingvar."
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Finya 4
VampireDer Urlaub auf der Insel von Aarons Vater ist zu Ende. Zeit, die Heimreise anzutreten. Doch noch immer ist Aaron und Finya keine Ruhe vergönnt. Ein neuer Widersacher tritt auf, der seine Handlungen nicht mehr nur gegen Finya richtet.