Nachdenklich blickte Aaron zu Ingvar, der ihm nervös und angespannt entgegen blickte.
„Du weißt, warum ich dich mit den anderen Wachen habe festsetzen lassen?" richtete Aaron unvermittelt das Wort an ihn.
Ingvar schüttelte den Kopf, nickte dann aber. „Nicht genau, Hoheit, aber ich habe eine Vermutung..."
Abwartend legte Aaron den Kopf leicht schräg. „...Ihr habt nur die Wachen festnehmen lassen, die Fürst Skyldar treu ergeben sind und von denen Ihr daher annehmt, dass sie....Probleme...machen..."
Aaron nickte. „Richtig. Auf die Frage, ob die Wachen mir Probleme machen werden, hat Vindur unter Anderem dich genannt..."
Ingvar nickte, sackte jedoch etwas in sich zusammen.
„Und doch scheinst du mir sehr vernünftig und kooperativ...Gibt es etwas persönliches zwischen Vindur und dir?"
Ingvar schüttelte den Kopf. „Nein, Hoheit..."
Aaron runzelte die Stirn. „Was ist es dann? Vindur meinte, dass er sich bei dir nicht sicher sei..."
Erneut nickte Ingvar. „Ich...hasse den Fürsten, Hoheit...hasse das, was er tut. Aber ich habe einen Eid geleistet und bin durch diesen gebunden..."
Überrascht hob Aaron die Augenbraue.
„Wusstest du, was Skyldar vor hat?"
„Wir alle wussten es. Wir wussten alle, dass er sich Eure Sklavin zu Eigen machen wollte."
Aarons Blick wurde eisig. „Also wusstet ihr alle, dass Skyldar mich vergiften wollte?"
Entsetzt wollte Ingvar auffahren, doch sofort stand Dimitri hinter ihm und drückte ihn wieder auf den Hocker.
Entschuldigend nickte Ingvar dem Gardehauptmann zu, der daraufhin wieder seine Hand von Ingvars Schulter löste.
„DAVON wusste ich nichts, Hoheit." wandte er sich dann noch immer sichtlich schockiert, aber auch besorgt, an König Aaron. „Ich dachte, er wollte mit Euch reden, Euch Geld bieten..."
Prüfend musterte Aaron seinen Gefangenen. „..ich glaube dir."
„Ich danke Euch, Hoheit."
Ingvar schüttelte den Kopf. „Ich weiß schon lange, dass Skyldar ein grausamer Herrscher ist...aber DAS hätte ich selbst ihm nicht zugetraut."
„Was für einen Eid hast du deinem Fürsten geschworen?"
Ingvar schluckte, unterdrückte die aufkeimende Wut.
„Ich war noch nicht lange in seinem Dienst und er hat sich mir als sehr wohlwollend und freundlich gezeigt. Ich musste ihm schwören, seinen Befehlen zu gehorchen und sein Leben zu schützen."
Fast schon lauernd beobachtete Aaron Ingvar. „Das heißt, du würdest deine Kooperation aufgeben, wenn ich Skyldar etwas antue oder er dir befiehlt, mich anzugreifen?"
Ingvar schluckte. „Ich müsste es tun, Hoheit. Bei dem Trank vorhin habe ich gezögert, ihm etwas zu sagen, aber es wäre ohnehin zu spät gewesen."
Aaron lächelte anerkennend. „Deine Ehrlichkeit ehrt dich. Und auch, dass du derart zu einem gegebenen Wort stehst. Eine letzte Frage hätte ich da noch..."
Unsicher hob Ingvar den Blick.
„Wem hast du deinen Eid geschworen? Skyldar oder FÜRST Skyldar?"
Einen Moment lang wirkte Ingvar irritiert, dann schien er zu verstehen.
„Mein Eid gilt dem Fürsten."
Aaron grinste. „Dann kann ich dir zusichern, dass du nicht länger an deinen Eid gebunden bist. Ich kenne Jarl Kari inzwischen recht gut. Skyldar wird nicht länger Fürst sein."
Als ob eine große Last von seinen Schultern gefallen wäre, sank Ingvar vor Aaron auf sein Knie.
„Dann gebe ich Euch hiermit mein Wort, dass ich Skyldar nicht länger schützen werde, Hoheit."
Aaron nickte zufrieden.
„Ich nehme dich beim Wort. Du darfst dich frei im Lager bewegen. Allerdings wirst du weder zu Skyldar gehen, noch dich einem meiner Sklaven nähern."
Erneut verneigte sich Ingvar.Während Jonas auf die Rückkehr von Levin wartete, beugte er sich über das schlafende Kind.
Angespannt und nervös beobachtete die Familie, wie er dem Jungen das verschwitzte Hemd öffnete um das Kind auf Verletzungen zu untersuchen. Erleichtert atmete er auf, als er zumindest keine schweren Verletzungen finden konnte.
Als Levin neben ihn trat, blickte er wieder auf.
„Lös' den Sklaven die Fesseln und gib ihnen zu trinken." forderte Jonas ihn auf, bevor sein Blick streng zu den Sklaven wanderte. „Lasst es mich nicht bereuen, dass ich euch die Fesseln abnehmen lasse..."
Während Levin bereits die Wasserbeutel verteilte, griff Jonas ebenfalls nach einem der Beutel.
Behutsam richtete er den Jungen ein Stück auf und setzte den Beutel an die spröden Lippen, um ihm etwas Wasser einzuflößen.
Dann zog er den Rest seines Hemdes aus, tränkte es mit Wasser und legte es dem Kind auf die heiße Stirn.
Fasziniert beobachteten die Sklaven, wie Jonas sich um ihr Kind kümmerte.
Schließlich hob dieser den Blick. „Trinkt...ihr müsst euch stärken..."
Erneut wanderte sein Blick zu Levin. „Gib ihnen von dem Brot und den Trockenfrüchten. Sie brauchen Kraft für den Rückweg."
Jonas seufzte, als er sah wie gierig sich die Gefangenen über das karge Mahl hermachten.
Er wartete, bis sie ihren Hunger und Durst gestillt hatten, bevor er sich wieder an sie wandte.
„Ich werde jetzt zuerst Harun und euren Sohn zurück ins Lager bringen." erklärte er. Sofort klammerte die Mutter sich an ihr Kind, doch Jonas legte ihr lediglich beruhigend die Hand auf den Arm.
„Dein Kind hat hohes Fieber. Ich kann ihm hier nicht helfen, aber im Lager kann man es. Das Gleiche gilt für Harun. Danach komme ich zurück und bringe auch euch ins Lager..." erklärte er ruhig, aber bestimmt.
„Allerdings werde ich euch wieder fesseln, solange ihr hier mit Levin wartet. Das hättet ihr euch ersparen können, wenn ihr nicht vor mir weggerannt wäret."
Betreten senkte die Familie die Blicke.
„Gebt mir eure Hände..."
Gehorsam streckten die drei Sklaven Jonas ihre Hände entgegen, der sie so locker wie möglich vor dem Körper fesselte.
Dann half Jonas Harun auf das eine Pferd und stieg selbst auf das Andere, bevor er sich von Levin den Jungen in den Sattel heben ließ.
„ Kümmer dich um die drei, Levin. Wenn sie noch Hunger oder Durst haben, wirst du ihnen etwas geben."
Sorgsam hielt Jonas den Jungen im Arm und band die Zügel von Haruns Pferd an seinen Sattel.
„Halt dich am Sattel fest, Harun. Wenn die Schmerzen zu stark werden, sagst du es mir. Es bringt nichts, wenn du auch noch vom Pferd stürzt..."
Als Harun nickte, trieb Jonas die Pferde an und ritt in einem leichten Trab auf das Lager zu.
Immer wieder wanderte sein Blick zu Harun, der sich krampfhaft am Sattel festhielt.Direkt vor Aarons Zelt brachte Jonas die Pferde schließlich zum stehen.
Sofort eilte Dimitri auf ihn zu, um ihm das Kind abzunehmen.
„Was ist mit dem Jungen?"
Jonas zuckte leicht mit den Schultern. „Ich weiß es nicht...aber er scheint hohes Fieber zu haben..."
Dimitri nickte. „Dann bringe ich ihn gleich zu Arvid..."
Jonas sprang vom Pferd und half Harun beim Absteigen. „Dann nimm Harun auch mit. Er hat versucht, vor mir wegzulaufen, ist dabei gestürzt und hat sich die Hand verletzt..."
Dimitri schüttelte nur den Kopf, wandte sich dann aber freundlich an den verletzten Sklaven.
„Dann komm mit, Harun. Arvid wird sich auch um dich kümmern..."
Ängstlich wanderte Haruns Blick zu Jonas. „Geh mit Dimitri. Ich werde deine Familie holen..."
Er wollte gerade wieder auf sein Pferd steigen, als Aaron das Zelt verließ.
Respektvoll sank Jonas auf das Knie. „...mein König..."
Aaron runzelte die Stirn.
„Was ist geschehen?"
„Es gab leider Probleme, als ich die Sklaven einfangen wollte..."
Aaron nickte ihm zu, fortzufahren.
„Sie sind alle vor Furcht geflohen. Dabei ist einer von ihnen gestürzt und hat sich die Hand verletzt. Der Junge scheint zudem hohes Fieber zu haben. Ich hielt es daher für besser, zuerst diese beiden hierher zu bringen und wollte gerade die anderen drei holen..."
„...und was ist mit deinem Hemd?"
Jonas zuckte die Schultern. „Ich habe es gebraucht, um Haruns Hand zu schienen und um die Stirn des Jungen zumindest etwas zu kühlen."
Aaron lächelte milde und nickte Jonas zufrieden zu.
„Nimm noch ein drittes Pferd mit." forderte er Jonas auf.
Etwa eine Stunde später kehrten Jonas und Levin mit den drei Sklaven zurück.
„Kommt...ich bringe euch zu König Aaron..." erklärte er ruhig, kaum, dass die drei abgestiegen waren.
Sofort schienen die drei in Panik zu geraten und blickten sich gehetzt um.
Jonas seufzte. „Ich kann euch das nicht ersparen. Aber ihr braucht keine Angst zu haben."
Mit sanfter Gewalt schob er die drei vor sich her in das Zelt hinein.
Kaum, dass sie vor Aaron standen warfen sie sich zitternd und panisch zu Boden.
Aaron musterte die drei mit einem Seufzen.
Finya, die wie so oft neben ihrem Herren kniete, runzelte die Stirn und berührte Aaron leicht am Bein.
Sofort beugte Aaron sich zu ihr herunter. „Ja, Finya?"
„Sie haben viel zu viel Angst, Herr..." begann sie. „Vielleicht hilft es ihnen, wenn sie erst einmal zu ihrer Familie dürfen...?"
Aaron nickte. „Du hast Recht, Finya..."
Sein Blick wanderte zu Jonas. „Bring die drei zu ihrer Familie. Arvid soll sich auch um sie kümmern...Und nimm ihnen dort die Fesseln ab."
Aaron ließ seinen Blick weiter zu den drei Sklaven wandern. „Geht mit Jonas mit. Er bringt euch zu eurer Familie. Ihr habt nichts von mir zu befürchten. Ich werde euch für eure Flucht nicht bestrafen. Allerdings möchte ich später wissen, warum ihr geflohen seid."
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Finya 4
VampireDer Urlaub auf der Insel von Aarons Vater ist zu Ende. Zeit, die Heimreise anzutreten. Doch noch immer ist Aaron und Finya keine Ruhe vergönnt. Ein neuer Widersacher tritt auf, der seine Handlungen nicht mehr nur gegen Finya richtet.