„Und wir gehen jetzt zu den Kindern, Finya. Ich möchte mich selbst überzeugen, dass Ingvar die Wahrheit gesprochen hat."
Kaum, dass sie gemeinsam das Zelt verlassen hatten, wurden Aaron und Finya von Kinderlachen empfangen. Lächelnd wandte Aaron den Blick zum Lager, wo Jonas umringt von einer lachenden Schar Kinder da stand.
In der Hand hielt er den gebastelten Ball und hielt ihn hoch in die Luft.
„...wollt ihr den haben?" fragte er die Kinder neckend, die vor lauter Spaß sogar begannen, an Jonas hochzuspringen. Lachend warf Jonas den Ball einige Meter weg und ebenso lachend rannten die Kinder dem Ball hinterher.
Langsam trat Aaron neben Jonas und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Gut gemacht, Jonas. Es ist schön, die Kinder so fröhlich zu sehen, bei allem, was sie erlebt haben."
Jonas blickte schmunzelnd auf die Kinder. „...das ist aber nicht allein mein Verdienst. Ich habe lediglich fortgeführt, was Ingvar begonnen hat."
Schlagartig schien das Lachen der Kinder zu ersterben.
Ein Junge hatte gerade Jonas mit dem Ball abwerfen wollen, als er auf einmal Aaron sah und regelrecht in der Bewegung einfror. Sofort reagierten auch die anderen Kinder und im nächsten Moment lagen alle Kinder zitternd auf den Knien und hielten ängstlich den Kopf gesenkt.
Der Ball, achtlos fallen gelassen, rollte ein Stück weg.
Aaron seufzte. „Und schon wieder sind sie von ihrer Angst gefangen..."
Kurz musterte er die Kinder. „Steht auf. Ihr habt nichts zu befürchten..." forderte er die Kinder auf. Doch nur einige wenige hoben zaghaft den Blick.
„...dann eben anders..." murmelte Aaron. Ruhig trat er auf den Ball zu und hob ihn auf. Einen Moment lang musterte er den Ball. Dann begann Aaron zu grinsen, drehte sich um und warf Jonas mit dem Ball ab.
Entsetzt und überrascht keuchten die Kinder auf. Einige wenige begannen, zaghaft zu lächeln.
Jonas hingegen lachte amüsiert auf, griff nach dem Ball und sah zu seinem König.
Als dieser ihm zuzwinkerte, warf Jonas den Ball nach Aaron, der jedoch geschickt auswich. Der Ball flog an Aaron vorbei und landete einige Meter hinter ihm.
Lachend holte Finya sich nun den Ball und warf ihn nach Aaron.
Sei es, dass er Finya wirklich nicht gemerkt hatte oder auch, dass er den Kindern Spaß bereiten wollte. Finyas Wurf gelang und sie traf ihren Herren am Rücken. Schmunzelnd drehte Aaron sich um und hob den Ball auf.
Inzwischen hatten alle Kinder die Köpfe gehoben und beobachteten Aaron, Jonas und Finya neugierig. „Steht auf, Kinder..." forderte Aaron sie erneut freundlich auf.
Dieses mal kamen die Kinder der Aufforderung, wenn auch zögerlich nach.
Grinsend warf er einem vielleicht zehnjährigen Jungen den Ball zu.
„Wer es schafft, Jonas abzuwerfen, bekommt heute Abend eine Überraschung. Jeder von euch hat fünf Versuche. Also so viele Versuche, wie ihr Finger an einer Hand habt."
Kurz nickte er Jonas zu und dieser nickte verstehend zurück.
Verblüfft sahen die Kinder ihn an, wirkten erneut verunsichert.
„Wir...dürfen wirklich einen Vampir....bewerfen..., Herr?" fragte der Junge mit dem Ball unsicher.
Aaron nickte ihm freundlich zu. „Wenn ich es euch erlaube, dann dürft ihr das. Aber nur dann." erklärte er mit einer nur leichten Strenge.
Unsicher sah der Junge zu den anderen Kindern, dann zuckte er leicht mit den Schultern.
Er drehte sich zu Jonas um, und versuchte, ihn mit dem Ball zu treffen.
Geschickt wich Jonas dem Ball aus, so dass dieser ihn nur knapp verfehlte.
Aaron grinste. „Das war gar nicht mal so schlecht. Gleich nochmal."
Er hob den Ball auf und warf ihn an den Jungen zurück.
Langsam schien sich das Eis zu lösen. Abwechselnd versuchten die Kinder, Jonas abzuwerfen, doch nie wurde er getroffen. Konzentriert zählten die Kinder ihre Versuche mit den Fingern mit und je mehr Versuche verstrichen, desto konzentrierter und motivierter wurden sie.
Nach den ersten Fehlversuchen, war schließlich ein kleines Mädchen mit ihrem dritten Versuch an der Reihe. Unauffällig zwinkerte Aaron Jonas zu. Das Mädchen warf und traf Jonas an der Schulter. Jubelnd und triumphierend blickte sie zu den anderen Kindern.
Aaron schmunzelte. „Komm zu mir..."
Sofort schien das Kind zu verharren, trat dann aber ängstlich auf Aaron zu und sank gehorsam vor ihm auf die Knie.
Sanft strich Aaron dem Mädchen über den Kopf. Als dieses leicht zusammen zuckte, unterdrückte er ein Seufzen. „Gut gemacht, meine Kleine." lobte er sie. „Du bist die erste, die heute Abend von mir eine Überraschung bekommt."
Als die Kleine begann, zaghaft zu strahlen, nickte er ihr zu. „Setz dich bequem hin. Wir wollen doch mal schauen, wer von deinen Freunden es noch schafft, Jonas zu treffen."
Das Mädchen setzte sich bequem hin und lehnte sich - aus einem Impuls heraus - an Aaron's Bein.
Zufrieden strich Aaron ihr erneut über den Kopf.
Mit neuem Ehrgeiz versuchten die anderen Kinder nun ebenfalls, Jonas zu treffen.
Jeden, der es geschafft hatte, rief Aaron zu sich. Nach und nach saßen immer mehr Kinder neben Aaron auf dem Boden.
Und nach und nach wurde das Mädchen an Aaron's Bein immer schwerer.
Schließlich hatten es alle Kinder geschafft, Jonas zumindest mit ihrem letzten Versuch zu treffen. Zwar schienen die älteren Kinder den Grund dafür zu ahnen, doch das tat ihrem Spaß keinen Abbruch.
Das Mädchen an Aaron's Bein war inzwischen in sich zusammen gesackt.
Aaron nickte Jonas zu. „Hol mir bitte einen Hocker..."
Kurz darauf setzte Aaron sich auf den Hocker und nahm das schlafende Mädchen auf den Schoß.
„Wer hat euch eigentlich diesen tollen Ball gebastelt?"
Etwas unsicher rutschten die Kinder hin und her. „Das war Ingvar." erklärten sie schließlich. „Und Jonas hat auch geholfen."
Aaron schmunzelte. „Das war aber nett von den beiden."
Zögerlich hob einer der älteren Jungen den Blick. „...werdet ihr uns jetzt bestrafen, Herr? Und Ingvar und Jonas?"
Verblüfft schüttelte Aaron den Kopf. „Für was sollte ich euch denn bestrafen?"
„Weil wir gespielt haben anstatt zu arbeiten und weil die beiden uns den Ball gebastelt haben, Herr."
Aaron lachte leise. „Es wäre doch sehr ungerecht von mir, euch erst zum Spielen aufzufordern, nur um euch dann dafür zu bestrafen..."
„Unser anderer Herr hat das immer gemacht..." kam es flüsternd von einem Mädchen.
Aaron nickte. „Ich weiß. Skyldar war nicht freundlich zu euch. Aber ihr seid Kinder. Ihr braucht auch Zeit zum Spielen. Natürlich werdet ihr immer wieder auch Aufgaben bekommen. Aber ihr werdet auch Zeit zum Spielen haben.
Und was Ingvar und Jonas betrifft...ich werde sie mit Sicherheit nicht dafür bestrafen, dass sie euch ein Spielzeug gemacht haben."
Erleichtert sahen die Kinder auf.
„Ihr mögt Ingvar, nicht wahr?"
Erneut zögerten die Kinder. „Er...war nie wie die anderen Vampire zu uns..." erklärte eines.
„Mir hat er einmal heimlich etwas von seinem Brot abgegeben, als ich nichts essen durfte." warf ein Anderes ein.
„Nur, wenn unser Herr anwesend war, dann war er streng mit uns..." ergänzte ein Drittes.
„Dann war er also fast immer freundlich zu euch?"
Sofort begannen die Kinder zu nicken. „Ja, Herr."
„Gab es noch andere Wachen, die nett waren?"
Dieses Mal fielen die Reaktionen der Kinder unterschiedlich aus. Manche nickten, manche schüttelten die Köpfe. „Manche waren richtig gemein zu uns, Herr...andere nicht so sehr."
Aaron nickte verstehend.
„Habt ihr in den letzten Tagen noch Wachen gesehen, die zu euch immer besonders gemein waren?"
„Nein, Herr. Die habt Ihr alle in das Zelt dort bringen lassen..." erklärten sie und wiesen auf Skyldars Zelt.
Zufrieden schmunzelte Aaron. „Gut. Dann weiß ich jetzt erst einmal genug. Danke. Ihr habt mir sehr geholfen?"
Verblüfft sahen die Kinder Aaron an.
„Ich bin sehr zufrieden mit euch. Ihr habt euch alle heute Abend eine doppelte Belohnung verdient. Nach dem Abendessen dürft ihr zu meinem Zelt kommen. Dann gebe ich euch Eure Belohnung."
Leise lachte Aaron, als er in die strahlenden Gesichter der Kinder blickte.
„Und jetzt spielt noch ein bisschen. Später schicke ich euch dann Jonas. Er wird mit euch Beeren für das Abendessen sammeln gehen."
Während Aaron noch nachdenklich auf das schlafende Mädchen auf seinem Schoß blickte, standen die Kinder bereits auf und verneigten sich respektvoll vor ihrem neuen Herren.
Aaron nickte ihnen zu und fröhlich lachend begannen sie, mit dem Ball zu spielen.
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Finya 4
VampireDer Urlaub auf der Insel von Aarons Vater ist zu Ende. Zeit, die Heimreise anzutreten. Doch noch immer ist Aaron und Finya keine Ruhe vergönnt. Ein neuer Widersacher tritt auf, der seine Handlungen nicht mehr nur gegen Finya richtet.