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Als Ingvar wieder gegangen war, wandte sich Aaron fragend an Kari.
„Skyldar und fünf seiner Leute liegen schlafend und gefesselt in Skyldars Zelt.
Einer der Männer kam erst gestern ins Lager und hat versucht, Finya anzugreifen. Was er mit ihr vorhatte weiß ich nicht, allerdings hat Ingvar den Angriff vereitelt.
Wollt Ihr, dass alle in etwa gleichzeitig aufwachen, oder sollen wir erst bei einzelnen das Noxanum aussetzen?"
„Hm..." einen Moment schien Kari zu überlegen.
„Lasst zuerst den Mann aufwachen, der Finya angegriffen hat und die drei anderen Wachen.
„Skyldar selbst und seine erste Wache hebe ich mir dann für den nächsten Tag auf."
„In Ordnung...Finya...könntest du...?"
„Natürlich. Ich sage Dimitri Bescheid."
Dankend nickte Aaron Finya zu.
„Ich denke, dass Ihr zuerst diesen Leon befragen könnt. Er steht noch nicht so lange unter dem Einfluss von Noxanum, wird also schneller wieder zu sich kommen und klar sein. Die drei anderen könnten durchaus etwas länger brauchen. Vielleicht solltet Ihr überlegen, ihnen auch eine Ration Blut zu geben..."
Kari wiegte nachdenklich den Kopf. „Das werde ich entscheiden, wenn sie wach sind. Können wir die vier in einem anderen Zelt unterbringen lassen?"
„Natürlich."
Vom Zelteingang aus lachte Finya leise. „...dann gehe ich gleich noch einmal zu Dimitri..."

Am nächsten Morgen traten Aaron und Kari in Begleitung von Finya und Juna auf ein kleines Zelt zu, vor dem Gregori und Kjell Wache hielten.
Fragend blickte Aaron zu seinen beiden Gardewachen.
„Leon ist vorhin aufgewacht. Die anderen drei kommen auch langsam zu sich. Ivar und Eric halten im Zelt Wache."
Zufrieden nickte Aaron und betrat das Zelt, in dem Leon an einen Stützpfeiler angebunden am Boden saß. Ruhig trat er vor Leon, der ihn aus wütenden Augen anblitzte.
„Ihr habt mich reingelegt..." fuhr er Aaron an und riss an seinen Fesseln - nur um im nächsten Moment zu verharren, als Kari neben Aaron trat.
Als er jedoch die beiden Sklavinnen sah, die zwanglos neben ihren Herren stehen blieben, zerrte er noch heftiger an seinen Fesseln.
„Ihr wagt es, diese nutzlosen Wesen auch noch mit zu mir zu bringen?" keifte er sichtlich aufgebracht.
Ohne mit der Wimper zu zucken, trat Eric hinter Leon und verpasste ihm eine Kopfnuss.
„Du solltest deine Worte vielleicht noch einmal überdenken..." sprach er dann, als ob nichts gewesen wäre.
Soweit es seine Fesseln erlaubten, fuhr Leon herum und funkelte Eric wütend an.
„Von einer dahergelaufenen Wache lasse ich mir gar nichts sagen. Fürst Skyldar ist mein Cousin."
„Falsch..." erwiderte Kari trocken. „Nur noch Skyldar. Er ist nicht länger Fürst, kann dich also in keinster Weise schützen. Dazu kommt, dass er gerade....verhindert...ist und schläft."
Sofort wurde Leon blass und schluckte, doch dieser Zustand dauerte nicht lange an.
„Ich kam hierher um meinen Cousin zu besuchen, doch kaum, dass ich hier war, wurde ich erst niedergerungen und dann wurde mir vorgeworfen, diese Sklavin da angegriffen zu haben. Dabei wollte ich sie nur schützen..."
Karis Augen blitzten amüsiert auf. „Du merkst deinen eigenen Fehler? Erst bezeichnest du sie als nutzlos und dann willst du sie geschützt haben?"
Für einen kurzen Moment wurde Leon unsicher. „..was interessiert EUCH überhaupt eine fremde Sklavin...Sie geht euch doch gar nichts an. Ihr solltet euch besser um Eure eigenen Leute kümmern."
Augenblicklich schien es im Zelt einige Grad kälter zu werden, als Karis Blick vereiste.
„Das tue ich."
Nur kurz nickte er Finya zu, die ihr Armband nach hinten schob und so die Wolfstätowierung freilegte. „Finya steht unter meinem persönlichen Schutz. Somit geht mich ihr Wohlergehen sehr wohl etwas an. Deinen Angriff gegen sie werte ich als persönlichen Angriff gegen mich."
Langsam schien Leon seine Lage nun doch bewusst zu werden, denn er wurde blass.
„a...aber das konnte ich doch nicht wissen, Jarl..."
„Ah...langsam scheinst du dir deiner Lage klar zu werden..." erwiderte Kari lediglich trocken.
„...du gibst also zu, dass du Finya angegriffen hast?"
Leon schluckte und schien sichtlich mit sich zu ringen. Schließlich nickte er jedoch langsam.
„Ja...Jarl. Ja. Ich habe sie angegriffen."
Zufrieden nickte Kari. „Und Ingvar wollte dich davon abhalten."
Erneut nickte Leon.
„Mit welchem Ziel hast du sie angegriffen?"
Erneut schien Leon zu zögern, rang sich dann aber doch dazu durch, zu antworten.
„Ich wollte sie nicht töten. Ich...wollte sie als Druckmittel nutzen, um Skyldar zu befreien."
Skeptisch hob Kari die Augenbraue. „...und das soll ich dir glauben."
„Es ist die Wahrheit, Jarl. Skyldar hat mich in dieses Lager eingeladen. Doch als ich ankam, habe ich recht schnell bemerkt, dass er gefangen genommen wurde."
Kari nickte, noch immer nicht ganz überzeugt. „Mit welchem Ziel hat Skyldar dich eingeladen?"
„Er wollte mir seine neue Sklavin vorstellen."
„Ah...hat er dir auch gesagt, wie er zu dieser neuen Sklavin kommen wollte?"
Leon schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin davon ausgegangen, dass er sie bereits in seinem Besitz hat."
„Dann wusstest du also auch nicht, was er mit Finya vor hatte?"
Leon schien kurz zu überlegen. „Ich..denke, er wollte sie nach seinem Willen formen."
„...du weißt, wie er Sklaven behandelt?"
„Er führt sie mit strenger Hand."
Kari lachte trocken auf. „Das ist ja wohl untertrieben, wenn ich mir die Sklaven hier anschaue.
„Gehört da deiner Meinung auch dazu, dass sie kurz vor dem Verhungern stehen und getötet werden, wenn sie krank sind?"
Entsetzt blickte Leon auf - und dieses Entsetzen war eindeutig nicht gespielt.
„Nein, Jarl. Ganz sicher nicht. Das hätte ich nie unterstützt."
„Ah..." erwiderte Kari nur trocken. „...sondern?"
„Es sind nur Menschen, ja...Wenn sie nicht gehorchen werden sie bestraft. Wenn einer stirbt, dann stirbt er und wird ersetzt... Aber sie werden doch nicht absichtlich getötet und man lässt sie auch nicht verhungern m..."
Karis Blick verfinsterte sich. „Es sind nicht NUR Menschen. Sie dienen uns, das mag sein. Aber gerade deshalb haben sie es verdient, gerecht behandelt und versorgt zu werden. Deine Einstellung lässt daher eindeutig zu wünschen übrig."
„...Sklaven haben zu gehorchen, Jarl..." widersprach Leon.
Nun trat Aaron einen Schritt nach vorne.
„...alle meine Sklaven gehorchen mir." erklärte er kühl. „Sie dienen mir mit Demut und Respekt, ohne dass ich sie schlagen muss."
Mit ehrlichem Erstaunen hob Leon den Blick. „Das kann es nicht geben, ein Sklave der nicht geschlagen werden muss..." erwiderte er ungläubig.
Nachdenklich musterte Kari seinen Gefangenen.
„Ich denke, ich habe genug gehört." erklärte er schließlich. „Du scheinst aktuell nicht bereit zu sein, deine Einstellung zu überdenken..."
Leon schwieg, senkte aber den Kopf.
„Nungut...Muss ich dich wieder betäuben lassen oder wirst du dich bis zu deiner Urteilsverkündung ruhig verhalten?"
Kurz hob Leon den Kopf und sah Kari an, schien abzuwägen.
„Ich werde mich ruhig verhalten, Jarl." sicherte er dann zu.
Zufrieden nickte Kari. „Dein Urteil werde ich verkünden, sobald ich alle Verhöre geführt habe. Gegebenenfalls werde ich auch erneut mit dir sprechen."

Finya 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt