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Eine Stunde später näherte sich eine größere Gruppe dem Lager.
Auf einen Wink hin nahmen die Garde und einige Krieger Aufstellung, doch schon kurz darauf gab Aaron Entwarnung, als er die Standarte seines Bruders erkannte. Erst jetzt trat auch Finya neben ihren Herren.
Wenig später ritt Silas bereits in das Lager. Vor ihm im Sattel saß Ichiro, der sich neugierig, aber auch müde umsah. Als er jedoch Finya sah, begann er ungeduldig zu zappeln und versuchte, vom Pferd herunter zu kommen, doch Silas hielt ihn mühelos und sicher fest.
„Ichiro...." sprach Silas den Jungen lediglich streng an. Sofort hielt das Kind vor ihm still.
„Entschuldigung, Herr..." erwiderte Ichiro verlegen.
Zufrieden nickte Silas. „Natürlich darfst du gleich zu Finya. Aber erst, wenn ich es erlaube. Hast du das verstanden?" wandte sich Silas milde an das Kind.
„Ja, Herr. Ich habe es nur vergessen. Ich habe mich doch so gefreut, Finya wieder zu sehen...Es tut mir Leid, Herr."
Silas lächelte und hob Ichiro vom Pferd.
„Dann kannst du jetzt gehen..."
Neugierig und gespannt beobachtete Silas seinen jüngsten Sklaven.
Ichiro warf noch einen kurzen Blick auf Silas, dann rannte er auf Finya zu. Mitten im Lauf, kurz vor seinem Ziel, stoppte er jedoch abrupt und wandte sich noch einmal zu seinem Herren um.
Schmunzelnd nickte Silas ihm zu.
Ichiro blickte daraufhin wieder zu Finya, lief aber zunächst auf Aaron zu und ging vor ihm auf die Knie.
„Guten Abend, Herr..." grüßte er Aaron respektvoll und etwas schüchtern.
Lächelnd beugte sich Aaron zu dem Kind hinunter und zog es hoch. „Guten Abend, Ichiro. Steh auf..."
Leicht verlegen trat der Junge von einem Bein auf das Andere.
„..du lernst sehr schnell..." lobte er das Kind. „Und jetzt ab mit dir zu Finya..." forderte er den Jungen mit einem liebevollen Klaps auf.
Ichiro verneigte sich noch schnell und rannte dann auf Finya zu, die ihn lachend auffing.
Schmunzelnd beobachtete Aaron die beiden, warf dann einen kurzen, fragenden Blick zu seinem Bruder. Als Silas nickte, wandte er sich wieder an Finya.
„Wenn du möchtest kannst du Ichiro Andala zeigen. Danach könnt ihr zu Barun gehen. Ich denke der Junge wird sich über Besuch freuen."
Finya verneigte sich vor Aaron und nahm Ichiro an die Hand. „Komm, Ichiro, ich zeige dir Andala..."
Strahlend ging der Junge neben Finya her. Kurz darauf standen sie vor der Stute, die Finya wie immer freudig begrüßte.
Fasziniert blickte Ichiro nach oben zu dem großen Tier. „Und sie gehört wirklich dir?" fragte er fasziniert nach.
Finya nickte. „Ja...Raphael...also die Wache vom Vater meines Herren, hat sie mir geschenkt, weil wir uns von Anfang an gut verstanden haben."
Vor Aufregung begann Ichiro auf und ab zu hüpfen. „Darf ich einmal auf ihr reiten?"
Andala begann leicht zu tänzeln und Finya legte dem Jungen die Hand auf die Schulter.
„Langsam, Ichiro...du machst Andala ja ganz nervös..."
Sofort blieb das Kind gehorsam stehen, blickte Finya aber fast schon bettelnd an.
„Ichiro..." Finya sah den Jungen fast schon mahnend an. „Ich kann dir zwar erlauben, auf ihr zu reiten, aber ich kann es nicht entscheiden. Dafür musst du deinen Herren fragen." Erklärte sie.
„Aber dafür ist es heute zu spät..." beugte sie sogleich einem Einwand von Ichiro vor. Enttäuscht senkte der Junge den Kopf.
„...und jetzt komm. Dann stelle ich dir Barun vor."
Sofort war Ichiros Enttäuschung vergessen und er sah neugierig zu Finya. „Wer ist Barun?"
Finya lachte leise. „Barun ist ein Junge, etwas älter als du. Er ist ein Sklave von Fürst Skyldar." begann sie zu erklären. Kurz schien sie abzuwägen, was sie Ichiro sagen konnte.
„Skyldar hat seine Sklaven sehr schlecht behandelt. Vor allem, wenn jemand krank wurde."
Entrüstet stemmte Ichiro die Hände in die Hüfte. „Aber dafür kann man doch nichts. Mein Herr ist immer ganz nett zu mir, wenn ich mal hinfalle oder so."
Finya lächelte milde. „Ja. Unsere Herren sind gut. Aber bei Skyldar ging es den Sklaven nicht gut. Deswegen sind unsere Herren ja auch hier." erklärte sie.
„Auf jeden Fall ist Barun krank geworden. Aus Angst hat seine Familie versucht, mit ihm zu fliehen."
Ichiro runzelte die Stirn. „Das war doch reichlich dumm von ihnen. Wer sollte sich denn dann um Barun kümmern?"
„Das ist es ja eben, Ichiro." Finya seufzte leise. „Skyldar hat seinen Sklaven nicht geholfen, wenn sie krank wurden. Er hat sie sogar noch bestraft. Baruns Familie hatte Angst um ihren Sohn. Aber Jonas hat sie zurück geholt und Arvid hat Barun wieder gesund gemacht."
„Das hat Arvid gut gemacht." Ichiro strahlte. „Und ist Barun jetzt wieder ganz gesund? Kann ich mit ihm spielen?"
Erneut musste Finya leise lachen. „Wie gesund er ist, müssen wir Arvid fragen. Barun war SEHR krank. Aber ich bin mir sicher, dass mein Herr erlaubt, dass du mit Barun spielen darfst."
Für einen Moment blickte Finya nachdenklich in die Ferne, als ihr erneut eine Idee kam.
„Komm jetzt. Nachdem mein Herr wollte, dass ich dir Barun vorstelle, wirst du zumindest im Zelt mit ihm spielen dürfen."

Kurz darauf standen Finya und Ichiro im Lazarettzelt.
Jaro saß an dem kleinen Tisch und hatte gerade sein Mahl beendet
Und auch die Sklaven, die hier untergebracht waren, hatten ihr Abendmahl beendet.
Selbst Barun saß an diesem Tag aufrecht in seinem Bett und wirkte zum ersten Mal nicht mehr so blass wie zuvor.
Arvid kniete gerade hinter Yunus und legte ihm  einen neuen Verband an.
Obwohl er das nicht zum ersten Mal tat, wirkte Yunus nach wie vor angespannt.
„Deine Wunden heilen sehr gut, Yunus." erklärte Arvid ihm soeben. „Bis sie ganz verheilt sind, wird es allerdings noch eine Weile dauern. Du solltest dich also weiterhin ruhig halten."
Gehorsam nickte Yunus. „Das werde ich, Herr Arvid. Vielen Dank."
Arvid seufzte leise. So oft hatte er Yunus schon gesagt, dass dieser ihn nicht mit Herr ansprechen müsste, doch inzwischen hatte er aufgegeben. Wenigstens hatte Yunus begonnen, seinen Namen hinzu zu fügen.
„...du kannst dein Hemd wieder anziehen. Ich bin fertig." erklärte Arvid freundlich und wandte sich dann lächelnd an das kleine Mädchen, das neben Yunus auf der Decke lag und ihm seine Ärmchen entgegen streckte.
Sanft hob er das Kind nach oben und während er es mit kleinen Spielchen ablenkte, untersuchte er den Oberkörper des Babys.
Aufmerksam beobachtete Yunus ihn dabei, blieb aber entspannt. Auch wenn er nach wie vor Angst hatte, hatte er verstanden, dass Arvid weder ihm noch seiner Tochter etwas böses wollte.
„Yunas Verletzungen heilen gut."  erklärte Arvid ihm. „Trag weiterhin die Salbe auf ihre blauen Flecken auf. Das wird ihr helfen." Yunus nickte eifrig. „Auch die Bisswunden heilen gut. Mit ein bisschen Glück werden nicht einmal Narben davon bleiben."
Arvid nickte Yunus freundlich zu und reichte ihm seine Tochter. Sofort schloss dieser das Kind liebevoll in den Arm.
Erst jetzt wandte Arvid sich zu Finya und Ichiro um. „Hallo ihr zwei..." grüßte er sie freundlich.
Finya neigte leicht den Kopf. „...mein Herr hat gemeint, ich soll Ichiro Barun vorstellen. Wie geht es ihm?"
Arvid nickte. „Dann kommt..." gemeinsam mit den beiden Sklaven trat er neben Barun.
„Barun geht es inzwischen deutlich besser." kurz schien er zu überlegen. „Ichiro...wenn du mir versprichst, langsam zu machen und Barun nicht zu überfordern, darf er aufstehen und ihr dürft hier im Zelt etwas spielen."
Begeistert nickte Ichiro. „Ich werde ganz vorsichtig sein." versprach er.
Zufrieden nickte Arvid. „Barun. Das ist Ichiro. Er ist der Sklave von Fürst Silas, dem Bruder König Aarons."
Wenig später saßen die beiden Jungen am Rand des Zeltes. Barun blickte Ichiro scheu an. Immer wieder wanderte sein Blick unsicher und ängstlich zu den im Zelt anwesenden Vampiren.
„Ich habe eine Idee, was wir spielen können..." meinte Ichiro auf einmal strahlend.
Barun blickte ihn fragend an. „Spielen?"
Ichiro nickte eifrig und griff in seine Tasche.

Finya 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt