Zurück im Zelt sah Aaron Kari fragend an.
„Was ist das für eine Strafe, von der Ihr gesprochen habt?"
Kari seufzte. „Ich hatte mir eigentlich geschworen, sie nie wieder anzuwenden, denn sie ist grausam und barbarisch. Vor Urzeiten war es die Strafe für schweren Verrat und ehrloses Verhalten. Bei Skyldar werde ich daher eine Ausnahme machen und sie vollstrecken. Jeder, der davon hört, wird seinen Tod als abschreckendes Beispiel nehmen."
Fragend legte Aaron den Kopf schief.
„Ich werde ihn zunächst foltern und ihm dann den Blutadler schneiden. Wenn Ihr erlaubt werde ich erneut Arvids und Kjells Dienste in Anspruch nehmen. Auch für die Hinrichtung der Wache."
„Selbstverständlich. Sie werden zu Eurer Verfügung stehen. Was habt Ihr für die Wache vorgesehen?"
„Etwas Ähnliches, wie Aegir bei David gemacht hat - nur in größerem Maße. Ihm werden die Silberrunen geschnitten. Ich weiß nur noch nicht, ob ich einzelne Sklaven an diesem Ritual beteiligen werde..."
Nachdenklich wiegte Aaron den Kopf. „Das solltet Ihr im Vorfeld mit den entsprechenden Sklaven klären...Ich würde Euch Yunus empfehlen. Er dürfte mit am meisten unter den Schikanen der beiden gelitten haben."
Kari lächelte. „Dann sollte ich jetzt gleich mit ihm reden. Und danach sollte ich zu allen Sklaven sprechen. Der morgige Tag muss vorbereitet werden."
Die beiden Herrscher wollten gerade auf das Lazarettzelt zugehen, als eine Kutsche am Rand des Lagers hielt. Während zwei Wachen vom Kutschbock sprangen, stiegen die restlichen vier Männer von ihren Pferden.
Interessiert blickte Aaron zu den sechs Männern, von denen ihm einzelne bekannt vorkamen.
„Die beiden auf dem Kutschbock...waren die nicht unter denen, die Ihr begnadigt habt?"
Mit einem Schmunzeln nickte Kari. „Ja. Und seit dem leisten sie mir treue Dienste."
„Und da sind ja auch Yngvar und Ymir..." kommentierte Aaron mit Blick auf die Zwillinge.
Unterdessen waren die sechs Männer auf Kari zugetreten und hatten respektvoll das Knie gebeugt.
„Wir bringen die Vorräte, Jarl..." erklärte Yngvar.
Mit einem Nicken wies Kari die Männer an, aufzustehen.
„Ihr könnt die Sachen in das Vorratszelt bringen.." forderte er sie auf.
Nur kurz wanderten die Blicke der Männer zu den Sklaven, die unsicher und ängstlich zur Kutsche blickten, dann nickten sie verstehend.
„Natürlich, Jarl."
Sogleich stieg Ymir auf die Kutsche und reichte seinen Kameraden Kisten mit Nahrungsmitteln und Decken zu.
Als Aaron aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm, blickte er zur Seite.
Dort, nur einige Meter entfernt, stand Landros und sprach leise auf zwei seiner Kameraden ein.
Schließlich nickten die beiden Männer und alle drei traten zögerlich auf Aaron zu.
Vor dem König angekommen, sanken sie gehorsam auf die Knie.
„Herr ...?" richtete Landros das Wort zögerlich an Aaron.
„Was möchtest du, Landros?"
Verlegen hob Landros den Blick. „Sollen wir helfen, die Kutsche abzuladen, Herr ...?"
Schmunzelnd nickte Aaron ihm zu. „Ihr könnt aufstehen. Und ich denke, die Männer des Jarl werden sich über Hilfe sicher freuen. Ihr könnt ihnen auch gleich zeigen, wo sie die Sachen verstauen können."
Erleichtert erhoben sich die drei Männer, verneigten sich und traten dann zögerlich auf die sechs Männer zu, die ihnen freundlich zunickten.
Ymir reichte Landros eine Kiste mit Decken. „Hier ... nehmt ihr die leichteren Kisten. Die schweren Kisten übernehmen wir."
Zufrieden beobachteten Kari und Aaron die Szene.
„Die Sklaven scheinen gute Männer zu sein, wenn sie erst einmal Vertrauen gefasst haben..."
Aaron nickte. „Ja. Langsam scheinen sie Vertrauen zu fassen - auch wenn ihre Angst noch tief sitzt. Was werdet Ihr eigentlich mit so vielen Sklaven machen?"
Kari seufzte. „So viele Sklaven kann ich selber nicht beschäftigen. Und nach Skyldar möchte ich es nicht riskieren, sie an einen anderen Herren zu geben."
„Wenn Ihr einverstanden seid, würde ich einige von ihnen übernehmen. Und auch mein Bruder ist bestimmt bereit, sich einigen von ihnen anzunehmen."
Karis Gesicht erhellte sich. „Bei Euch und Eurem Bruder wird es ihnen gut gehen. Ich nehme mal an, Ihr habt schon einige Sklaven im Blick, die Ihr gerne in Eure Dienste nehmen wollt?" fügte er mit einem Schmunzeln hinzu.
Aaron lachte leise. „Das habe ich in der Tat. Aber das können wir alles klären, wenn die Urteile vollstreckt sind."
Kari nickte. „Dann sollten wir jetzt alles für morgen vorbereiten. Ich würde vorschlagen, dass wir das ganze außerhalb des Lagers machen. Die Kinder müssen es nicht unbedingt mitbekommen und auch den Sklaven würde ich es freistellen."
Bestätigend nickte Aaron. „Was braucht Ihr für morgen?"
Nachdenklich wiegte Kari den Kopf. „Für Skyldar und seine Wache brauche ich jeweils zwei Pfähle, an denen die Männer festgebunden werden. Für die anderen reicht ein einzelner Pfahl."
„Am Besten stelle ich Euch bereits jetzt Arvid und Kjell zur Verfügung. Sie werden Euch am Besten unterstützen können."
Mit einem Handzeichen winkte er die beiden zu sich. „Jarl Kari möchte für die Urteilsverkündung morgen alles vorbereitet haben. Ich denke, ihr beiden könnt ihn dabei am Besten unterstützen.
Lasst euch von den Sklaven helfen, falls das nötig sein sollte. Aber zuvor möchte ich, dass sich alle Sklaven an der Feuerstelle versammeln. Wir haben mit ihnen zu reden."
Arvid und Kjell nickten Aaron zu, wandten sich dann an Kari und schlugen sich mit der Faust auf die Brust. „Welche Urteile sollen vollstreckt werden, Jarl?"
„Blutadler und Silberrunen." erklärte Kari nur schlicht.
Kjell pfiff leise. „Der Blutadler...das ist mehr als lange her, dass ich das das letzte Mal miterlebt habe...Wir werden alles vorbereiten."Eine Stunde später hatten sich alle Sklaven an der Feuerstelle versammelt.
Als Kari vor sie trat, wichen einige von ihnen ängstlich ein Stück zurück.
Kari wartete geduldig, bis alle ihre Aufmerksamkeit ihm zuwandten.
„Morgen werden wir die Urteile über Skyldar und seine Wache vollstrecken. Beide von ihnen erwartet der Tod." erklärte er und schmunzelte, als einige Sklaven ein Jubeln unterdrückten.
„Die Hinrichtung wird außerhalb des Lagers statt finden. Die Kinder werden hier im Lager bleiben, geschützt von einigen Wachen. Sie müssen das nicht unbedingt mitbekommen. Vielleicht werde ich die auch weiter weg schicken." erklärte er weiter. „Euch allen ist es jedoch freigestellt, der Hinrichtung beizuwohnen."
Er lachte leise, als er einen unterdrückten Jubelruf hörte. „Ich verstehe, dass ihr erleichtert seid, wenn eure Peiniger zur Rechenschaft gezogen werden." erklärte er dann ruhig.
„Ich werde euch also nicht strafen, dass ihr euch darüber freut - dennoch ist das Ganze zu ernst, als dass Jubel angebracht wäre."
Betreten senkten die Sklaven die Köpfe. „Ihr könnt die Urteilsvollstreckung jedoch unterstützen. Arvid und Kjell werden heute Nachmittag den Richtplatz vorbereiten und können sicherlich etwas Hilfe benötigen. Ich denke, es werden sich genug Freiwillige finden. Meldet euch bei Arvid und Kjell."Es dämmerte bereits, als alle ins Lager zurückkehrten. Zusammen mit einigen Wachen Karis und einigen Sklaven hatten Arvid und Kjell den Richtplatz vorbereitet.
Etwa hundert Meter vom Lager entfernt, vom Lager aus durch eine Baumgruppe vor Blicken geschützt, waren mehrere Pfähle in die Erde getrieben worden.
In der Mitte waren jeweils zwei Pfähle im Abstand von etwa einem Meter in die Erde getrieben worden.
Rechts und links davon waren jeweils zwei einzelne Pfähle im Boden versenkt.
Zufrieden schritt Kari die Pfähle ab und testete die Festigkeit. Dann nickte er Arvid und Kjell zu.
„Gute Arbeit."
DU LIEST GERADE
Finya 4
VampireDer Urlaub auf der Insel von Aarons Vater ist zu Ende. Zeit, die Heimreise anzutreten. Doch noch immer ist Aaron und Finya keine Ruhe vergönnt. Ein neuer Widersacher tritt auf, der seine Handlungen nicht mehr nur gegen Finya richtet.