5. Engel

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Mein Kopf schwirrte und ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Selbst als ich darüber nach dachte, was Leo eben zu mir gesagt hatte und ich dann erwidert habe, war durcheinander. Ich kann mich an diesen Tag erinnern, als wäre es gestern gewesen. An dem Abend wurde ich nicht nur einmal, sondern gleich mehrfach zerstört. Und selbst jetzt träume ich noch davon. Dieser Abend und auch die Tage danach, sie waren schlimm.

Als der Wagen, in dem ich saß, rumpelte und ich so durchgeschüttelt wurde, kam ich wieder ins hier und jetzt. Das Auto war groß und vor mir saß der Fahrer. Ich ließ meinen Blick nach draußen wandern und mir wurde klar, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich war. Mein Kopf schnellte zu der Person neben mir und ich fixierte ihn mit meinen Augen. >> Wo bringst du mich hin? <<

Der Mann, der eben noch auf sein Handy gestarrt hatte, legte es langsam zur Seite, bevor er zu mir schaute. >> Ich dachte schon, du wärst verstummt. <<

>> Wo hin <<, fragte ich nachdrücklich.

Seine grünen Augen musterten mich eingehend, doch er reagierte nicht. Stattdessen ließ er seinen Blick langsam über mich schweifen und blieb an meinen Beinen hängen. Sein Kiefer zuckte angespannt, was nur minimal war, doch ich konnte es erkennen. Mir war das Ganze nicht geheuer. Ja, er hatte mir irgendwie geholfen, aber nun saß ich in seinem Auto, er sagte mir nicht wo wir hinfuhren und noch dazu kam, dass ich wusste, wer er war. Oder besser, ich wusste es fast. Ok, eigentlich wusste ich es gar nicht, aber ich wusste mit Sicherheit, dass er Dreckanstecken hatte. Immerhin war er einer der Hotelgäste.

So ganz nebenbei legte ich meine Hand auf meine Hose, als wäre mir sein stechender Blick etwas unangenehm. Sobald er seine Augen wieder in meine lenkte, drückte ich dreimal zu.

Ich atmete tief durch und sah ihm fest in die Augen. >> Was soll das hier werden? Lass mich raus! <<

Sein Mundwinkel zuckte und ich wusste, dass er sich über mich lustig machte. >> Nein, Süße, das werde ich nicht. << Bei dem Kosenamen zuckte ich zusammen, da er etwas in mir auslöste. Der Mann bemerkte mein Zucken und sah mich fragend an. Ich schluckte schwer, wusste allerdings nicht, woher dieses seltsame Gefühl plötzlich kam. Mir war schlecht, so wie wenn ich Rauch wahrnehme. Das Zittern, was sich einen Weg an die Oberfläche bahnen wollte, genau wie ein paar Tränen, zwang ich unten zu bleiben. Jetzt nicht in Panik verfallen, hier ist kein Rauch! Zischend ließ ich die angehaltene Luft aus meinen Lungen entweichen und sah den Mann mit zusammengekniffenen Augen an. >> Wie läuft das hier jetzt ab? Ich wurde noch nie entführt. Bekomme ich etwas zu essen? Vielleicht etwas Frischkäse? Da habe ich gerade voll Lust drauf. Es kann aber auch etwas anderes sein. Hm, ich weiß nicht? Egal, sag mal, was kommt als Nächstes. Also einen Sack musste ich ja noch nicht über meinen Kopf ziehen, habt ihr keine Angst, dass ich abhauen könnte oder so? <<

Der große Mann sah mich ausdruckslos an, bis er endlich etwas erwiderte. >> Nicht nötig. <<

Ich zog meine Augenbrauen extra weit hoch. >> Du willst also jetzt ernsthaft behaupten, dass ich nicht abhauen könnte? <<

>> Ja <<, ist das einzige, was er von sich gab.

>> Nicht zu fassen. Weil ich eine Frau bin, oder was? << Ich schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an.

Er schnalzte verneinen mit der Zunge. >> Bin gut. << Wieso redete er auf einmal so wenige? Mich störte das so sehr, dass ich ihn die restlichen sieben Minuten Fahrt einfach nur anstarrte. Als der Wagen stehen blieb, wollte ich sofort aussteigen, doch zu meiner Enttäuschung, ließ sich die Tür nicht öffnen. Der Fahrer stieg auf und öffnete mir zuvorkommend die Tür und ich fiel beinah aus dem Wagen, so schnell stand ich auf. Der Mann, der neben mir gesessen hatte, wartete schon längst auf mich. Seine längeren Haare wurden nicht wie meine vom Wind mitgerissen, was mich faszinierte. Wahrscheinlich hatte er eine Menge Hagel drinnen. Ich ließ mein Blick über den riesigen Platz schweifen. Hier stand nicht nur ein Auto, sondern mehrere und das gigantische Haus oder eher die Villa war beeindruckend. Sie sah zwar, durch die grünen Ranken an der Wand, etwas älter aus, doch das machte sie gemütlich. Ich spürte Luft in meinem Mund und schloss ihn schnell, bevor es jemand sehen konnte. Doch als ich zu dem Riesen blickte, bemerkte ich ein minimales Schmunzeln. Ich sah trotzig weg und entdeckte einen Wald. Jetzt oder nie. Ohne auf etwas anderes zu achten, rannte ich schnurstracks auf den Wald zu. Leider kam ich nicht weit, wenn doch, dann hätte ich an dem Ruf der Leute in unserem Hotel gezweifelt. Der Mann packte mich am Arm und wirbelte mich zu sich herum, sodass ich gegen seine Brust knallte.

The devil's green eyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt