43. Ein letzter Traum?

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Vor mir war ein saftig grüner Hügel, der von den ersten Sonnenstrahlen in einen goldenen Glanz umwickelt wurde.

Ich hätte das Lächeln nicht unterdrücken können, welches sich ganz automatisch auf meinem Gesicht ausbreitete. Dieser Anblick war zu schön, um wahr zu sein.

Ich erinnerte mich jedoch genau an den Tag, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Die Bäume standen in ihrer Blüte und alles war in einem noch helleren Grün. Ich hatte viel gelacht. Und ich war nicht allein gewesen.

Ich war hier mit Momia und Padre gewesen. Wieso erinnerte ich mich nicht mehr daran, wie Padre war? Er war doch auch Teil meines Lebens gewesen. Wie Momia, sie war immer da gewesen. In jedem Traum – in jedem Albtraum, wo immer ich Angst hatte. Er war doch auch hier gewesen, als es passiert war. Als aus einem schönen Nachmittag, eine Entführung mit dem Tod wurde.

Ich drehte mich um meine eigene Achse herum und sog jeden Anblick in mich auf. Die dunkle Wiese, die hoch genug war, um meine Fußknöchel zu kitzeln. Die vielen Bäume, deren Blüten gerade aufgingen. Ich hörte das Summen der Bienen, die von Baum zu Baum flogen. Der Wind, der einzelne Blätter durch den Himmel trug.

Ich schaute einem Schmetterling nach und entdeckte zwei Personen. Die eine war gute zwei Köpfe größer als die andere. Sie kamen auf mich zu, elegant, schön und eine einzigartige Ausstrahlung. Allein daran erkannte ich schon, wer sie waren. Ich wusste sofort, dass ich träumte.

Momia sah mich von oben bis unten an und lächelte breit, genau wie Padre, nur sein Lächeln war kühl. Ich glaubte sogar einen Schleier aus Tränen in Momias Augen erkennen zu können.

>> Du bist groß geworden. <<

Ich sah auf meine Hände und merkte erst da, dass ich nicht das kleine Mädchen von früher war. Ich hatte auch nicht diese Angst, die mich jedes Mal begleitet hatte.

Sie kam auf meine Seite und hackte sich bei mir unter. >> Ernesto, komm auch her. <<

Ernesto, es war das erste Mal, dass ich seinen Namen höre – dass ich ihn bewusst hörte. Ich schloss ihn tief in mein Herz ein, um ihn ja nicht zu vergessen. Padre hieß Ernesto.

Zusammen liefen wir los und ich vergaß fast, dass ich nur träumte. Es war wie damals, als ich noch klein war. Allerdings war ich mir sicher, dass Padre gelacht hatte. War er immer so still gewesen?

>> Du weißt ja gar nicht, wie stolz ich auf dich bin, Nora. <<

Ich musste schwer schlucken. >> Momia, du weißt ja gar nicht, was ich alles für schlimme Dinge getan habe. Ich <<, die Worte kamen mir nicht über die Lippen.

Ich spürte, wie sie eine Hand behutsam auf meinen Rücken legte und über ihn strich. >> Ich weiß alles, Nora. Ich weiß alles. << Wir schwiegen eine Weile und ich dachte schon, sie würde gar nichts mehr dazu sagen. Ernesto ließ seinen Blick beschützend über denen Zentimeter wandern.>> Glaubst du, dass Menschen grundsätzlich gut oder böse sind? <<

Diese Frage hätte ich stellen sollen. Ich kannte die Antwort darauf nicht. Gab es etwas, das nur eines von beiden war? >> Dumm. Sie sind grundsätzlich dumm <<, was anderes fiel mir nicht ein.

Ein Schmunzeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, sogar bei Padre glaubte ich seinen Mundwinkel zucken zu sehen. >> Da hast du recht. Gut oder böse, meist kommt es auf die Perspektive an. Doch es gibt auch welche, bei den die Perspektive egal ist, sie haben schlimme Dinge getan. Verstehst du? <<

>> Meinst du damit, dass ich das Richtige getan habe? <<

Sie schüttelte nicht den Kopf. >> Das musst du selbst entscheiden, ob richtig oder falsch ist jedem selbst überlassen. Keiner, absolut keiner anderer, kann dir das sagen. Es gibt sicher viele, die sagen würden, wenn du diese Leute, für das, was sie getan haben bestrafst, nicht besser als diese wärst. Andere würden sagen, dass es das Karma regeln würde, und dann gibt es wieder welche, die es gutheißen. Doch es zählt nur Deine Meinung. Denn was aus Liebe getan wird, geschieht jenseits von Gut und Böse. <<

Ich war mir nicht sicher, ob ich so ganz verstand, was sie sagte, doch ich hörte ihr gerne zu. >> Ihr seid also nicht sauer wegen dem, was ich getan habe? <<

Nun schüttelte sie den Kopf. >> Wenn ich jetzt sagen würde, ich hätte dasselbe getan, wäre es gelogen. Ich war eine von den Gutgläubigen gewesen. Und mit Waffen hatte ich nichts am Hut. Doch ich sage dir eines, wenn ich überlebt hätte, Rache wäre mein einziger Lebenswille gewesen. <<

>> Da hat sie recht <<, war das erst, was Ernesto sagte. >> Vega, du warst manchmal zu gutgläubig. <<

Vega, auch Momias Namen schloss ich ganz tief ein.

Überrascht sah ich sie an. >> Rache? <<

Sie schnaubte abfällig und blieb stehen. >> Nora, Rache ist nichts Schlechtes. Man sollte nur damit rechnen, dass man eines Tages von jemand anderen die Rache zurückbekommt. Am besten sorgt man dafür, dass Rache kein Thema wird, doch im Leben gehört es dazu. Egal wie klein eine Sache war, sie wird mit etwas schlimmeren vergolten. <<

Ich wollte etwas sagen, doch ihr Blick schweifte in die Ferne. Ich ließ mein Blick ebenfalls wandern. Wir waren auf dem Hügel angekommen und dahinter lag ein riesiger See. Die Bäume hatten ihre Blüten auf ihm verteilt und Vögel flogen um ihn. Es war wunderschön.

>> Nora? <<

Ich musste meinen Blick von der Aussicht losreißen. >> Ja? <<

>> Du hast es geschafft. Es kann aufhören. <<

Verwirrt blinzelte ich. >> Was meinst du? <<

>> Vega, es ist Zeit <<, sprach wieder Ernesto.

Sie blickte an mir herunter und wieder traten Tränen in ihre Augen. >> Ich hatte es nicht für möglich gehalten, dich eines Tages so zu sehen. Du wirst eine tolle Zukunft mit Alexei haben. Und die zwei Kleinen werden sicher genauso einen Sinn für böse Menschen haben wie du. Ich hab dich so unglaublich lieb. << Ich sah an mir hinunter und konnte meine Füße gar nicht erkennen. Eine große Kugel, gewickelt in weißen Blumen bestickten Tüll, versperrte mir die Sicht.

Ich konnte nichts sagen, da umarmte mich Momia schon ganz fest. Auch Padre schloss mich in seine Arme.

>> Ich wünsche euch alles Gute der Welt. <<

Ich konnte nur an eines denken.

Zwillinge.

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Ob sie eines Tages Zwillinge bekommen wird?

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