7

68 1 0
                                    

A U R O R A

Über eine Woche war vergangen, seitdem ich mich mit der neuen Jobsuche beschäftigt hatte. Es hatte eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis ich etwas fand. Doch dann war ich auf eine Bar gestoßen, in der jedes Mal viel los zu sein schien.
Es war nicht die Art von Job, die ich dringend gesucht hatte oder die Art von Job, die meine Mum sich für mich erhofft hatte. Aber ich würde da ganz gut rein passen, dachte ich.
Es hatte nicht sehr viel Ähnlichkeit mit dem Café von Logan, immerhin durfte ich jetzt Alkohol statt Kaffee und Tee verteilen, aber es war dennoch etwas Abwechslung und etwas Neues, das mich hoffentlich auch ein bisschen ablenkte.
Meiner Mutter fielen die Augäpfel aus dem Gesicht, als ich von meiner neuen Stelle berichtete. Sie hatte wahrscheinlich wirklich noch gehofft, dass ich studieren gehen würde. Aber das war nichts für mich. Ich sah mich nicht hinter einer Schulbank, die ich schon ganze zehn Jahre verspottet hatte. Ich wollte arbeiten und Geld verdienen.
Meine Mum war der Meinung, dass ich mich ohne Überlegungen in irgendetwas hineinstürzte, aber genau das war der Punkt. Ich war ein Mensch, der genau diese spontanen Entscheidungen brauchte, egal was andere dazu sagten.
Also hatte ich mich für den Job beworben und ich war der Meinung, der Stress hinter dem Tresen würde mich bestimmt auf andere Gedanken bringen.
Da hatte ich keine Zeit mehr für das, was geschehen war, und konnte weitermachen. Ich würde an den Wochenenden nicht mehr alleine in meinem Zimmer hocken, in meinem Bett liegen und immer wieder die CD in meinen Player schieben. Die CD vom Leid und Schrecken, der sich zugetragen hatte. Ich würde nicht mehr alleine verheult in meinem Bett sitzen und meine Gedanken in dem Feuer verlieren.
Nun war es soweit. Jeff, der Besitzer der Bar, welche Sparkle hieß, hatte mir alles erklärt und mir vieles gezeigt. Er war zwar nicht mehr sehr jung, aber er war zu keinem spießigem Chef geworden, der nur das Geld zählte und mit dem Finger die geputzten Flächen überprüfte, nur um dann herummeckern zu können.
Die Bar füllte sich schnell und immer mehr Leute kamen an den Tresen. Mit der Zeit lief alles automatisch und die Stunden vergingen wie im Flug. Ich bekam mit, wie viel Spaß es mir machte. Junge Männer fingen öfter mal an, mit mir zu flirten, bis sie zu betrunken waren, um noch ein halbwegs sinnvolles Wort herauszubekommen.
„Du machst dich ziemlich gut!"
Ich sah hoch und sah Cece, mit ihrem Zwilling Nathan, auf den Barhockern.
„Die Schürze steht dir", grinste er.
„Was macht ihr hier?", fragte ich, froh darüber, dass sie hier waren.
„Wir dürfen doch nicht den Anfang deiner Karriereleiter im Nachtleben verpassen!", lachte meine beste Freundin und klopfte mit dem Finger auf das Holz des Tresens, „So und jetzt bring' uns was Gutes."
Die Musik war laut, sodass sie fast schreien musste. Nachdem wir zu dritt Gin Tonic hinter uns hatten, wurde Cece auch schon wieder angesprochen. Sie waren kaum mal eine viertel Stunde hier, schon fielen die Typen über sie her, wie wilde Raubkatzen. Kein Wunder bei ihrem Aussehen. Ihr blondes Haar lag in sanften Wellen auf ihren Schultern, sie hatte ein aufreizendes Kleid an und ihre blauen Augen leuchteten aus den dezent geschminkten Augen hervor.
Nathan lehnte sich zu mir herüber, als ich gerade dabei war, weitere Getränke für zwei Männer zu mixen.
„Wir wollen nächstes Wochenende in das Haus am See von unseren Eltern fahren. Wir haben gerade alle keine Prüfungsphase. Alec kommt auch mit, hast du Lust?"
„Das ist schon ewig her, seit wir das das letzte Mal gemacht haben. Natürlich komme ich mit!"
Er lächelte, doch dann wurde seine Miene etwas ernster.
„Es ist nicht leicht, was du durchmachen musstest. Ich wüsste nicht mal, ob ich damit klarkommen könnte. Wenn du reden willst, ich bin für dich da."
Ich musste schlucken, als er dieses Thema ansprach und nickte nur, worauf er nur meine Hand kurz drückte und dann auf die Tanzfläche verschwand, wohin sich auch seine Schwester mit dem gutaussehenden Mann begeben hatte.
Und als ich ihm so hinterher sah, entdeckte ich ihn.
Ihn, mit seinen schwarzen Strähnen im Gesicht, über den bernsteinfarbenen Augen, die genau in meine Richtung sahen.
Und dann stand er vor mir.
„Ich hätte gern ein Wasser."
Kurz war ich wie benommen, von seinem Anblick, aber das war schnell wieder vorbei. Hatte er wirklich Wasser gesagt?
„Mit oder ohne Gas?"
Seine Augen musterten mich und er lehnte sich lässig zu mir herüber.
„Was empfiehlt mir die Barkeeperin?" Er grinste.
Kurz fand ich keine Worte, doch dann löste sich meine Spannung ein wenig und ich grinste ebenfalls.
„Naja, ich persönlich würde ohne nehmen. Stillt den Durst besser", ich zwinkerte ihm zu als hätte ich ihm gerade die beste Flasche Champagner in diesem Laden angeboten und machte den Kühlschrank auf, um die kalte Flasche Mineralwasser herauszuholen.
Ich goss ein und stellte ihm das Glas hin, welches ich zur Krönung noch mit einem Trinkhalme und einem pinken Schirmchen verzierte.
„Genießen Sie Ihren Drink."
Er sah mir noch einmal tief in die Augen.
„Das werde ich."
Und dann verschwand er wieder.
„Was war denn das?", fragte Cece und sah dem Mann hinterher, der sich nicht einmal umdrehte, aber wahrscheinlich genau wusste, dass ihn Blicke verfolgten.
Ich zuckte nur mit den Schultern und wischte schnell über den Tresen, als würde es mich gar nicht interessieren.
Aber etwas hatte dieser Mann an sich, was meine Gedanken auf Hochtouren bringen ließ.
Cece wackelte nur kurz mit den Augenbrauen und bestellte erneut etwas zu trinken.
„Aurora?", Jeff kam angerannt, „Entschuldige, aber ich muss nach Hause. Es gibt einen Notfall. Toni muss auch früher gehen. Könntest du das Schlusslicht machen? Bringe einfach nur die Kassen nach hinten in den Lagerraum und schließe alles ab. Den Rest mache ich. Für deinen ersten Arbeitstag bist du sehr gut."
Dann drückte er mir den Schlüssel dankend in die Hand und rannte, seinen Vorbinder hinunter reißend, aus der Bar.

SCHUTZENGELWo Geschichten leben. Entdecke jetzt