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F I N N

Luzifer.

Die Geschichte der Engel ist so weitläufig und alt, wie unsere Erde. Jeder kennt sie – die magischen Wesen mit den zauberhaften Schwingen, wie sie am Himmel über uns wachen und alles Schlechte vertreiben.
Auch Luzifer war einer von ihnen.
Dieser Name hängt jedem in den Ohren, denn Luzifer hat sich einen Namen gemacht. Nicht jeder weiß sofort, was gemeint ist, aber jeder weiß, wer er ist.
Man könnte fast meinen, die Geschichte von Luzifer ist eines der Märchen der Gebrüder Grimm oder der ganzen anderen Schriftsteller, die Geschichten geschrieben hatten, um Kinderohren zu beglücken.
Ja, man könnte meinen, es ist so. Das Gute siegte am Ende über das Böse. So musste es immer sein und niemand konnte das ändern. Das ist das Gesetz der Märchen. So war es auch in der großen Geschichte des Erzengels Luzifer.
Das Gute hatte über das Böse gesiegt.
Wie immer wurde das Böse von Machtgier und Habgier getrieben und wurde eitel. Das Lechzen nach mehr wurde zu groß, auch für ihn – Luzifer.
Die Geschichte des Erzengels war so mächtig, dass sie sich in vielen Büchern wiederfand, als durfte man ihn nicht vergessen. Vielleicht sollte man ihn tatsächlich nicht vergessen...

Luzifer war einst ein hochrangiger Engel und eine der mächtigsten Kreaturen im weiten Himmel. Ihm gehorchte einst ein Drittel der gesamten Engel – dem Herrscher der Luft. Luzifer hatte viele Namen und er war überall bekannt und ist es auch heute noch.
Er sollte die Gesetze Gottes beschützen und sie ehren. Doch der Erzengel wurde hochmütig und begann sich selbst mit seinem Herrn zu vergleichen. Er stellte sich gehen das Gesetz der himmlischen Regierung. Er meinte, er selbst könne Gott sein und selbst das Schwert schwenken, darüber, was richtig und falsch sei.
Eine Rebellion brodelte unter den Engeln. Luzifer und seine Anhänger, getrieben von Neid und Gier, widersetzten sich dem Frieden im Himmel.
Einst war er ein erschaffener Himmelswächter, dessen Licht das aller anderen Engelswesen überstrahlte. Doch dieses Licht blendete ihn selbst.
Er wurde von einer leuchtenden Schönheit zu einer düsteren Flamme, weil er sich in überzogener Selbstliebe als etwas Höheres betrachtete.
Und dann brach der erste Krieg der Geschichte aus. Ein blutiger Krieg zwischen denen, die eigentlich für den Frieden und das Gute standen. Es kämpften diejenigen, bei denen man keinen Kampf erwartete. Die, die eigentlich immer den richtigen Weg wussten und Gewalt eigentlich in ihrem Wortschatz nicht vorhanden sein sollte.
Doch Luzifer verlor den Kampf um die Herrschaft. Und nun verkörpert er nicht mehr das hellste Licht, sondern die Finsternis und gilt als mächtigster Dämon überhaupt.
Diese Wendung lief einem schaudernd den Rücken hinunter. Der mächtigste Engel der Geschichte, dessen Licht alles erleuchten sollte, überall, wo Dunkelheit herrschte, war verloren. Nun hatte die Dunkelheit ihn eingenommen.
Vom leuchtenden zum schwarzen Luzifer.
Seine hellen Schwingen, die als die Schönsten galten, die man je gesehen hatte, wurden von der Finsternis verschluckt. Langsam war sie herauf gekrochen und hat jeden Schimmer erloschen. Jeder Funke des Friedens und des Guten waren fort.
Luzifer und seine Anhänger wurden aus dem Himmel verbannt und nun pflegt der gefallene Engel irgendwo seine triefenden schwarzen Schwingen und wartet darauf, seinen Platz im Himmel wiederzuerlangen – zum Zeitpunkt der Morgenröte.

Ich hatte den ganzen Vormittag mit Sophie über den berühmten Erzengel recherchiert, aber wir konnten uns einfach nicht erklären, wozu Aurora gut für ihn war.
Immer, wenn ich an sie dachte, bildete sich ein Knoten in meinem Bauch und um mein Herz.
„Luzifer ist eine Legende, irgendeiner erlaubt sich bestimmt einen dummen Scherz", seufzte Sophie und rieb sich die Augen.
„Aber ich habe diese Augen von den Angreifern gesehen, als würde ein schwarzer Schleier über sie fallen. Das habe ich mir nicht eingebildet. Und hier steht", dabei deutete ich auf den Bildschirm meines Laptops, der wahrscheinlich tausende Seiten über den Engel geöffnet hatte, „Dass Luzifer nun ein Dämon ist. Er kann seine wahre Gestalt verbergen."
„Seine Anhänger sind also auch Dämonen", hauchte Sophie kaum hörbar und machte große Augen, als wäre ihr ganzes geschichtliches Verständnis, das uns ganz am Anfang beigebracht wurde, auf den Kopf gestellt.
„Nur habe ich immer noch keine Ahnung, welche Rolle Aurora in der ganzen Sache spielt. Dieser Krieg im Himmel ist doch, wenn dann, tausend Jahre vor unserer Generation gewesen."
„Genau deshalb glauben ja wahrscheinlich nicht mal unsere Ausbilder daran. So kommt es mir zumindest vor", seufzte sie und sah sich in meinem Zimmer um.
Ich sah auf mein Handy und hatte die Hoffnung, dass sie geschrieben hatte. Aber ich hatte nur eine Nachricht von Mio, in der er fragt, ob ich mit ihm trainieren wollte.
Ich ging automatisch auf ihren Chat öffnete die Schreibleiste.
Ich wollte ihr so viel schreiben, aber ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.
Deshalb schrieb ich ihr einfach eine Frage, in der ich wissen wollte, ob es ihr gut ging.
Auch, wenn ich ständig ihre Gefühle hören konnte, brauchte ich ihre Aussage und ihre Worte.
Die Nachricht kam nicht an, zeigte mir der kleine mickrige Haken in der Ecke meiner Nachricht. Sofort wurde mir mulmig im Bauch und ich wollte am liebsten zu ihr, sie in den Arm nehmen und nie wieder loslassen.
Und wieder wurde mir schrecklich bewusst, dass das nie wieder vorkommen würde.
Plötzlich sog Sophie scharf die Luft ein und setzte sich auf einmal gerade hin und hämmerte in die Tasten ihres kleinen MacBooks.
„Was?", fragte ich sofort, während ihre grünen Augen schon über den Bildschirm huschten.
Sie antwortete nicht, aber ihr Blick wurde immer aufgebrachter und ich wusste langsam nicht mehr, ob ich es wirklich wissen wollte.
„Ich hab's. Das ist es", flüsterte sie, als hätte irgendetwas die Welt erschüttert.
„Nun sag schon", trieb ich sie an.
Sie drehte sich zu mir und ihr Ausdruck war so voller Angst, wie ich es noch nie bei ihr gesehen hatte und das, seit wir uns kannten.
„Ich habe ihren Name eingegeben und rate mal, für wen der Name Aurora steht?"
Ich zuckte mit den Schultern.
„Die Göttin der Morgenröte", erklärte Sophie, als wüsste sie genau, wer das war, während ich keinen blassen Schimmer hatte.

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