A U R O R A
Ich bekam Angst und war mir nicht ganz sicher, was das hier sollte. Wieder hatten sie den Name Luzifer ausgesprochen. Wer erlaubte sich hier einen Scherz?
Warum erwartete mich Luzifer so dringend? Wer auch immer das nun war. Und warum schickte dieser Jemand so viele Männer, um mich zu ihm zu bringen?
Das alles ergab für mich keinen Sinn. Was war an mir besonders? Ich war doch ein ganz normales Mädchen, das in einer Kleinstadt, mit einer ganz normalen Familie aufgewachsen war.
Ich krallte mich in den Arm von Finn, der sich schützend vor mich stellte. Ich wusste, dass er kämpfen konnte und einige Tricks drauf hatte, aber gegen vier Männer?
Was würden sie ihm antun? Oder, was würden sie mir antun?
Plötzlich kamen sie auf uns zu und wir standen direkt am Abgrund, wo ich mir nicht vorstellen wollte, dort hinunter zu fallen.
Finn spannte sich sofort an und trat einen Schritt nach vorn.
Und dann ging alles so schnell. Der erste Mann, mit einer gefährlich aussehenden Narbe über dem linken Auge, schlug nach Finn.
Dieser blockte aber den Schlag, als hätte er darauf gewartet und trat ihm mit einem heftigen Kick in den Bauch, sodass der Mann zurücktaumelte und zu Boden ging. Sofort griff ein Zweiter an. Aber auch das sah Finn vermutlich kommen.
Er tauchte unter der Faust weg und schlug ihm stattdessen ins Gesicht, sodass Blut ins Gras spritzte. Ein dritter packte Finn von hinten und fing an, ihn zu würgen. Meine Angst wurde immer größer, als ich sah, wie der erste Mann sich wieder aufrappelte.
Ich versuchte so schnell, wie möglich aus der Situation zu entkommen und verließ die Klippe in Richtung Waldrand. Doch mich packte jemand am Arm und hielt mich fest.
Mein Adrenalin floss durch meine Adern und brachte mich unwillkürlich dazu, dem Mann auf den Fuß zu treten und einen Ellenbogen in seinen Bauch zu stoßen. Aber das machte ihm nicht viel aus, weshalb ich immer noch in seinen starken Armen gefangen war.
Doch plötzlich war die Last von mir gewichen und ich sah nur noch, wie der Mann Meter weit gegen einen Baum krachte und bewusstlos liegenblieb.
Ehe ich begreifen konnte, mit was für einer Kraft dies geschehen konnte, kam auch schon der nächste muskelbepackte Mann grinsend auf mich zu.
Ich schaute mich um und suchte nach etwas Brauchbarem, was ich gegen ihn verwenden konnte. Aber die einzigen Möglichkeiten, die mir blieben, waren Erde und ein Stock.
Also griff ich nach dem Stock und schlug dem Mann ins Gesicht, was er nicht erwartet hätte.
Zu meinem Glück hatte ich sein Auge getroffen, aber der Schmerz schien nicht lange anzuhalten.
Doch bevor er mich festhalten konnte, schlangen sich zwei Beine und schwere Stiefel um seinen Hals und im Handumdrehen machte der Mann einen halben Salto nach hinten und landete schwer auf dem Boden. Finn saß auf ihm und sah mich mit wilden Augen an. Wie die eines Tieres, das sich auf seine Beute stürzte.
Aber unser Blickkontakt hielt nicht lange, denn er wurde von einem anderen in die Seite gerammt und rollte direkt auf den Abgrund zu.
Ich musste aufschreien, als er nur kurz vorm Absturz liegen blieb.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Meine Füße waren, wie im Erdboden verwurzelt. Ich konnte mich nicht bewegen. Mein Blut war in meinen Adern gefroren, meine Hände schwitzten und meine Atmung ging schnell. Adrenalin schoss mir immer mehr in den Kopf, aber ich konnte ihm nicht helfen. Ich hatte eine Angst um diesen Mann, die man sich nicht vorstellen konnte.
Der große Mann lief direkt auf Finn zu, der sich schwer atmend aufrichtete. Er hatte Schrammen im Gesicht und seine Kleidung war von Grasflecken und Schlammflecken übersät.
So hätte der Abend nicht enden sollen.
Wir hätten hier gestanden und uns geküsst und wären dann zurück zu seinem Auto geschlendert. Wir wären zu ihm nach Hause gefahren und wären zusammen Arm in Arm eingeschlafen. Doch jetzt standen wir hier und wurden von irgendwelchen Männern, die es auf mich abgesehen hatten, angegriffen.
Ich fühlte mich nutzlos, während Finn verletzt versuchte, uns zu verteidigen.
Schnell suchte ich nach meiner Tasche, die in einem Grasbüschel lag, als ich sie vor Schreck fallengelassen habe.
Ich kramte mein Handy heraus und wählte die Nummer der Polizei, doch bevor ich den Anruf starten konnte, knallte ein schwerer Schuh gegen mein Handgelenk und mein Handy ein Stück aus meiner Reichweite.
Der Mann zog mich auf die Beine und packte mich an beiden Schultern. Seine Finger gruben sich schmerzhaft in meine Haut, sodass ich wimmerte.
„Was wollt ihr von mir!", schrie ich ihm ins Gesicht, während er mich von Finn entfernte, der immer noch mit einem anderen kämpfte.
Zwei lagen bewusstlos am Boden, fiel mir auf, als ich den Schauplatz überblicken konnte.
„Du bist unser Ticket in den Himmel!", knurrte er und lachte dreckig.
Sein Zigarettengeruch biss mir in die Nase und ich musste mich fast übergeben.
Ich verstand kein Wort von dem, was er gesagt hatte. Ich hatte absolut keine Ahnung, was diese Männer von mir wollten oder dieser Luzifer.
Doch es machte mir Angst. Diese Jungs waren doch völlig krank. Ich war niemand Besonderes und das, was sie redeten, ergab überhaupt keinen Sinn.
Ich versuchte mich loszureißen, was mir für den ersten Moment auch gelang, aber er hatte mich schnell wieder an sich gezogen und schleuderte mich auf den Boden.
„Du bist ganz schön hartnäckig. Am liebsten würde ich es gleich hier zu Ende bringen, aber Luzifer hat noch ein bisschen vor, zu spielen. Er will unbedingt einen großen Moment daraus machen, nachdem du dich mit deinem Schutzengel so gegen uns gewehrt hast!"
Ich krabbelte rückwärts von ihm weg, seine Wort trafen leer auf mich.
Mein Schutzengel? Was zur Hölle meinte er damit?
War ich in einem schlechten Film gefangen? Luzifer, Ticket in den Himmel und jetzt auch noch Schutzengel.
Ich konnte es mir einfach nicht anders erklären, diese Typen waren eindeutig verrückt.
„Du siehst so ahnungslos aus. Das wird definitiv noch mehr Spaß machen", lachte er wieder höhnisch und zog mich wieder auf die Füße, nur um mich nochmal zu Boden zu schubsen.
Ich landete mit dem Rücken auf einen Stein und mir blieb die Luft weg. Ich hustete und krümmte mich vor Schmerzen, aber der Typ hörte mich auf und trat mir in den Bauch, sodass mein Sauerstoff auch nicht so schnell wiederkam.
„Lass' sie auf der Stelle in Ruhe!", hörte ich Finn schreien und in seiner Stimme brodelte eine so starke Wut, wie ich sie noch nicht erlebt hatte.
Ich hielt meinen Bauch und sah, wie mein Angreifer sich zu Finn umdrehte, der direkt am Abgrund stand. Die zwei, die ich vorhin schon bewusstlos vorgefunden hatte, hatten sich immer noch kein bisschen bewegt und ich fragte mich langsam, ob sie tot waren.
Neben Finn rappelte sich sein Angreifer wieder auf und schien benommen. Mit weiten Augen musste ich zusehen, wie Finn ihn am Kragen packte, sodass er nun direkt neben ihm stand und versuchte die Welt um sich herum zu ordnen.
„Ich habe gesagt, du sollst sie in Ruhe lassen!", grollte seine Stimme zu uns rüber und verursachte mir Gänsehaut. Der dicke neben mir lachte nur, doch sein Lachen verstarb, als Finn den Typen am Kragen nach hinten zog und der über die Steile Felsenklippe fiel, was er niemals überleben würde.
Ich hielt mir die Hand vor den Mund und konnte nicht glauben, was gerade passiert war. Und das konnte mein Angreifer auch nicht. Also stürzte er sich mit einem lauten Gebrüll, voller Frust, auf Finn, der keinen Schritt zur Seite wich, sondern sich für den Aufprall wappnete.
Der dann auch kam.
Der Mann stürzte sich auf ihn und riss ihn mit seiner Wucht über den Hügelrand.
Ich sah, wie Finn mich musterte, bis er aus meinem Blickfeld verschwand und mir bewusst wurde, dass er die Klippe hinab stürzte.
Mein Schrei zerriss die Nacht und brannte in meiner Kehle.
Ich konnte nicht atmen.
Meine Hände zitterten.
Heiße Tränen liefen meine Wange herunter und tränkten den Boden unter mir.
Ich wollte endlich aufwachen. Ich wollte, dass dieser Alptraum aufhörte.
Doch es änderte sich nichts.
Um mich war es ganz still geworden. Die Prügelei war vorbei und drei von sechs Leuten waren in den Tod gestürzt.
In meinem Bauch zog sich etwas zusammen und bildete eine große Leere.
Ich kannte diese Leere. Es fühlte sich an, als würde ich den Brand im Café und Logan's Tod noch einmal erleben.
Ich fühlte mich, als würde ich nochmal fast ertrinken, in dem Fluss, in den ich mit dem Auto gestürzt war.
Es konnte und durfte nicht passiert sein. Finn durfte mich nicht verlassen haben.
Mit meiner letzten Kraft zog ich mich über das Gras näher zum Rand des Abgrunds, in den die Liebe meines Lebens gefallen war.
„Nein, nein, nein", hörte ich mich sagen, aber es kam mir vor, als wären es nicht meine Worte. Ich fühlte mich, als wäre mein Körper nicht meiner und ich war nur darin gefangen. Gefangen in diesem Elend, das seit einiger Zeit nicht aufhören wollte.
Und dann sah ich etwas, was mir den Atem noch einmal raubte.
Finn.
Ich wusste nicht, ob ich verrückt war oder vielleicht doch träumte.
Ich wusste gar nichts mehr.
Das Einzige, was ich wusste, war, dass Finn gerade diese Klippe hinunter gestürzt war.
Doch jetzt befand er sich vor mir.
Nein – er schwebte vor mir... und zwei schimmernde Flügel zogen sich über den dunklen Nachthimmel zu seinen beiden Seiten.
Wie ein Engel.
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SCHUTZENGEL
Romance~Dann drehte er sich um und ich sah direkt in seine Augen, deren Bernsteinfarben mich in ihren Bann zogen. Sein schwarzes Haar lag ihm ein bisschen in der Stirn. Er beugte sich zu mir und ich konnte seinen wunderbaren Duft riechen, sodass meine Knie...