A U R O R A
Ich schrieb ihm bestimmt eintausend Nachrichten. Ich machte mir Sorgen und wollte wissen, wie es ihm ging.
Doch meine Nachrichten blieben unbeantwortet.
Meine Zimmertür ging auf und meine Mom trat herein, mit einem Teller in der Hand. Ich hatte ihr gesagt, dass ich mich nicht so gut fühlte, aber ich konnte ihr nicht wirklich den wahren Grund nennen.
In letzter Zeit passierte einfach viel zu viel, was ich nicht erklären konnte und seit gestern hatte ich nur noch einen Namen, der meine Gedanken forderte: Luzifer.
„Geht es dir schon ein bisschen besser?"; fragte meine Mom, wie immer sehr fürsorglich und mit einem warmen Lächeln auf den Lippen.
„Geht schon", sagte ich und nahm das Käsetoast entgegen, das sie mir gemacht hatte, „Danke, Mom."
Sie gab mir einen Kuss auf die Wange.
„Ruh dich aus, ich fahre deinen Bruder zum Training. Dein Vater arbeitet heute wieder bis spät."
„Okay"; flüsterte ich und sie ging wieder aus dem Zimmer und ließ mich allein.
Was war in meinem Leben los? Ein Feuer, ein Autounfall, ein Mann mit einer Waffe, ein Entführer, Finn.
Was würde noch alles kommen?
Ich biss in das Toast und versuchte für einen Moment meine Gedanken zu verdrängen und abzuschalten. Doch das funktionierte nicht, also zog ich mir was halbwegs Ansehbares an und schnappte mir meine Autoschlüssel.
Es gab nur einen Ort, an dem ich gerade sein wollte und schon von Weiten kamen die eisernen Tore des Friedhofes auf mich zu. Ich brauchte nicht lange, dann hatte ich auch schon den vertrauten Stein gefunden.
Abgesehen von einer alten Frau, die am Grabstein ihres Mannes frische Blumen platzierte, war hier nur ich.
Meine Augen wanderten über die Gravur.
„Ich habe gar nichts mit für dich", kicherte ich, „Das nächste Mal backe ich dir einen Muffin, so wie du es mir beigebracht hast."
Eine Träne löste sich und ich setzte mich ins Gras.
„Ich weiß nicht, wie das alles passieren konnte", gab ich zu. Ich wusste, dass ich hier mit einem Stein redete, aber insgeheim hoffte ich, er würde mir zuhören.
„Mein Leben ist seit dem Feuer viel komplizierter geworden... Ich träume von dir, immer wieder." Ich konnte meine Tränen nicht unterdrücken, als ich an die grausamen Bilder denken musste, die nun Nacht für Nacht stärker zu mir zurückkamen.
„Ich vermisse dich", brachte ich gerade noch so heraus, bis ich nun gänzlich in Tränen ausbrach.***
Zurück zu Hause ließ ich mich wieder auf mein Bett fallen und hatte immer noch keine Nachricht auf dem Handy.
Die Bilder von gestern Abend fügten sich langsam wieder zusammen, nachdem ich versucht hatte, es zu verdrängen, so wie vieles in letzter Zeit.
Der Entführer, war derselbe Mann, wie damals im Café gewesen. Was wollte er von mir? Ich sah die Zigarette vor mir, wie sie langsam aus der Hand fiel. Wie sie den Boden küsste und entflammte.
Was war, wenn das alles kein Zufall war?
Jetzt sah ich Finn und, wie er die Tür der Bar fast aus den Angeln gerissen hatte.
Auch der Kampf kam mir auf einmal surreal vor. Das war kein normaler Kampf gewesen, Finn war unglaublich stark. Wie er den Mann auf den Asphalt gekracht hatte, war mir alles zu schnell gewesen, als ich das hätte begreifen können.
Hatte ich mir das eingebildet?
Ich sprang auf und schnappte mir meinen Laptop. Dann gab ich nur einen Namen in die Suchleiste ein. Luzifer.
Die Bilder zeigten einen Mann mit rabenschwarzen Flügeln, wie ein Engel. Sie waren düster und brachten Dunkelheit mit sich, die sich in seinem dämonenhaften Blick äußerten.
Es schien mir, als wäre ein Engel in einem Teufel gefangen.
Ich fand einen Text über den ersten erschaffenen Himmelswächter, dessen Licht das aller anderen Engelswesen überstrahlte. Seine Eitelkeit wurde jedoch zu groß und bestimmte ihn. Er betrachtete sich als etwas Höheres und Schöneres als alle anderen und sammelte Gleichgesinnte um sich, um gegen den Allmächtigen zu rebellieren.
Ein Krieg der Engel brach aus und Luzifer verlor den Kampf und seinen Platz im Himmel, genau, wie seine Anhänger.
Luzifer wird auch als Satan bezeichnet, Schlange, Drachen oder Teufel.
Der gefallene Engel Luzifer.
Schnell klappte ich meinen Laptop zu und starrte meine Wand an.
Der Typ gestern musste eindeutig verrückt gewesen sein. Hatte er tatsächlich den Engel Luzifer gemeint?
Nein, niemals.
Ich glaubte nicht an so etwas. Das waren Geschichten, die sich Menschen erzählten, um sich Dinge erklären zu können.
Engel gab es nie und würde es auch nie geben.
Trotzdem keimte wieder die Angst in mir hoch. Welcher Luzifer wartete dann auf mich? Wer hatte es auf mich abgesehen?
Als mein Herz schneller klopfte und es draußen schon dunkel wurde, ging ich zu meinem Fenster und zog die Jalousien zu.
Ich wünschte Finn wäre bei mir. Bei ihm fühlte ich mich sicher.
Dann kroch ich in mein Bett und versuchte die Dinge zu vergessen, die ich mir gerade durchgelesen hatte.~ „Logan, NEEEIN!", schrie ich, als ich sah, wie die Flammen an ihm zerrten und seine Haut verbrannten. Sie leckten nach seinem Körper und forderten alles von ihm, bis nichts mehr übrig war.
Es war schrecklich und er klagte so fürchterlich. Es klingelte in meinen Ohren nach und übertönte fast meine Stimme. Ein Kreis aus Flammen umgab uns und ich zerrte an den Ketten an meinen Handgelenken. Meine Haut schürfte sich blutig an dem kalten Eisen.
Ich weinte und konnte nicht aufhören zu weinen. Logan bewegte sich nicht mehr und ich fiel auf die Knie.
Und plötzlich teilte sich das Feuer hinter Logan's Leichnam und eine dunkle Gestalt schritt langsam und behutsam auf mich zu.
Ich hörte auf, zu schreien, spürte aber noch immer, wie ich zitterte.
Ich riss meine Augen auf, als ich sah, dass seitlich der Gestalt riesige Schwingen gegen das Feuer peitschten.
Der Engel, gefangen in einem Teufel. Der Gefallene.
Er kam immer weiter auf mich zu, aber ich konnte kein Gesicht erkennen. Die ganze Gestalt blieb schwarz verschleiert.
„Oh Aurora, du hättest sterben sollen in diesem Feuer", lachte er mit einer kratzigen Stimme, die mir das Mark erschütterte.
„W-was willst du von mir?", brachte ich gerade so über meine bebenden Lippen, die vom Feuer und vom dunklen, dicken Rauch ganz trocken waren.
„Ich warte auf dich"; hauchte er mir entgegen und verschwand im Feuer.
Ich folgte seinem Rücken, betrachtete die riesigen schwarzen Flügel, die ihm aus dem Rücken stachen und dann war er verschwunden.
Der Kreis des Feuers schloss sich und für einen Moment war ich wie gelähmt.
Bis ich merkte, dass die Flammen, nicht wie sonst an Ort und Stelle blieben, sondern auf mich zurasten, wie rachsüchtige Schlangen.
Ich schrie und machte mich ganz klein.
Das Feuer würde mich töten. Luzifer hatte Recht – ich würde in dem Feuer sterben.
Meine Stimme erstickte, als die Flammen an mir nagten und meine Kleidung zerfetzten.
Sie brannten auf der Haut und machten mich langsam zu einem Niemand.
Sie löschten mich aus, als hätte es mich niemals gegeben und nur meine Stimme hallte noch an den Felswänden wider, bis auch sie verebbte und mit mir verloren ging. ~Ich wachte auf und atmete so heftig, dass ich fast ohnmächtig wurde. Ich drehte mich hektisch um, doch niemand war bei mir. Finn war nicht da.
Ich saß allein in meinem dunklen Zimmer und mich verfolgten die Schatten meines Traumes.
Sofort griff ich nach meinem Handy. Ich brauchte ihn jetzt.
Also schrieb ich ihm.
„Bist du wach?"
Mir blieb fast das Herz stehen, als ich sah, dass er es gelesen hatte.
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SCHUTZENGEL
Romance~Dann drehte er sich um und ich sah direkt in seine Augen, deren Bernsteinfarben mich in ihren Bann zogen. Sein schwarzes Haar lag ihm ein bisschen in der Stirn. Er beugte sich zu mir und ich konnte seinen wunderbaren Duft riechen, sodass meine Knie...