F I N N
Ihre schönen Augen musterten mich immer wieder und ich hörte noch immer ihre Worte, als sie gesagt hatte, dass sie sich nicht für jemand anderen interessieren würde.
Dieser Satz würde mir in Erinnerung bleiben, dass wusste ich schon jetzt.
Ich konnte gar nicht aufhören, sie zu bewundern.
Aber meine Liebe für sie war verdammt. Das Verbot schwebte mir immer im Hinterkopf, aber ich konnte mich nicht von ihr fern halten, egal, wie sehr ich es versucht hatte.
Warum war sie für mich verboten? Es lief doch alles gut. Ich konnte sie so viel besser beschützen, wenn ich in ihrer Nähe war.
Ich könnte mir nie verzeihen, wenn ihr etwas zustoßen würde. Doch, was wäre besser, als dauerhaft bei ihr zu sein? Ich konnte sie immer beschützen und musste mich nicht immer verstecken.
Trotzdem musste ich vorsichtig sein, egal, wie sehr ich sie liebte. Sie durfte auf keinen Fall mein Geheimnis erfahren. Das würde sie nicht verstehen und andererseits war es sowieso ebenfalls verboten.
„Ist alles in Ordnung?", fragte Aurora nach einer Weile, in der ich sie scheinbar nur angestarrt hatte, wie ein junger Teenager.
„Ja, ich sehe dich nur gerne an." Wieder zauberte ich ihr ein Lächeln ins Gesicht und ich konnte gar nicht genug davon bekommen, es mir anzusehen.
Sie strich sich mit den zarten Fingern durch das lange braune Haar und ich musste sofort daran denken, wie diese Hände mich berührt hatten. Wie sie auf meinem Rücken lagen und sich leicht in meiner Haut vergruben.
Ich konnte noch genau spüren, wie sie sich mir hingab und mir völlig vertraute. Das wollte ich auf keinen Fall verlieren.
„Jetzt bin ich dran, mit einer Frage", schmunzelte sie und nahm ein Schluck von ihrem Getränk, welches schon zur Hälfte wieder leer war.
Ich wartete ungeduldig und versuchte zu erraten, was sie mich wohl fragen könnte.
„Weißt du noch deine erste Frage an mich? Als wir auf dem Weg zum Haus am See waren?"
Natürlich wusste ich das noch. Ich konnte mich an jedes Gespräch von uns erinnern, auch, wenn mir manches wie eine Ewigkeit her vorkam. Ich hatte sie nach ihrem peinlichsten Erlebnis gefragt, aber nur, weil ich die Fahrt überbrücken und alles über sie wissen wollte. Und ich wollte testen, wie viel Vertrauen sie schon zu mir hatte.
Ich nickte und sie nahm noch einen Schluck aus ihrem Glas.
„Was ist das, was du am meisten bereust?"
Die Frage hatte ich nicht als Erstes erwartet und ich fragte mich, warum sie das wissen wollte. Aber schließlich wollte ich auch jedes kleinste Detail über Aurora herausfinden.
Ich musste nicht schnell überlegen, denn das, was ich am meisten bereute, war gar nicht so lange her.
„Dass ich Saskia vor deinen Augen geküsst hatte. Das war falsch."
Aurora schnappte nach Luft. Anscheinend hatte sie diese Antwort nicht erwartet.
Ich atmete tief durch. Auch, wenn ich ihr nicht alles über mich erzählen konnte, wollte ich zumindest die meiste Zeit, ab jetzt, ehrlich zu ihr sein.
„Ich hatte dich von mir fern halten wollen, weil ich nicht gut für dich bin."
Ihre Augen wurden neugierig.
„Du solltest keine Gefühle für mich entwickeln, aber dann habe ich gemerkt, dass auch ich etwas für dich empfinde." Es tat gut, das vor ihr auszusprechen. Ich konnte es nicht verdrängen und es tat weh, nicht bei ihr sein zu können und sie anlügen zu müssen.
„Ich verstehe nicht, warum du es nicht zulassen wolltest, aber ich glaube nicht, dass du mir das erklären wirst."
Ich griff über den Tisch nach ihrer Hand.
„Das ist alles, was du wissen musst." Ich lächelte sie an, in der Hoffnung, dass sie es dabei belassen würde, was sie auch tat.
„Wollen wir spazieren gehen?"
Aurora nickte und wir verließen das Restaurant, in die warme Abendluft, die uns sofort entgegen strömte.
Sie griff nach meiner Hand und wir liefen gemeinsam die Straße entlang. Die kleinen Stände, an denen wir vorhin vorbeigekommen waren, waren nun nicht mehr da, als hätten sie gar nicht existiert.
Kein Mensch war in dieser kleinen Stadt unterwegs, nur wir zwei unter dem Sternenhimmel.
Das war genau das, was ich wollte. Niemand sollte uns kennen, wir sollten komplett fremd sein. Ich musste das mit Aurora unbedingt geheim halten. Niemand im Institut durfte es erfahren und es würde auch niemand verstehen. Nicht mal Sophie.
Wenn ich schon daran dachte, wie Mio reagiert hatte, wollte ich gar nicht wissen, wie die anderen darauf reagieren würden.
Wir kamen an einen See, am Rand der Stadt und schlenderten am Ufer entlang.
„Ich habe noch nie für jemanden so empfunden", gab sie leise zu und sah mich an, „Manchmal habe ich das Gefühl, ich würde dich schon ewig kennen."
Ich schluckte. Ich wusste genau, woher dieses Gefühl stammte. Ich hatte von ihrem Blut getrunken und somit war ein Band, eine Verbindung, zwischen uns entstanden. Ich hatte auch das Gefühl, dass ich sie schon ewig kannte, aber das kam dadurch, dass ich ihr Leben durchlebt hatte, mit der Macht des Engelkelchs.
Ich legte einen Arm um ihre schmalen Schultern und zog sie näher zu mir heran.
„Cece hat übrigens einen Freund", sagte sie und sah schüchtern aus. Vermutlich, weil ich auf ihren letzten Satz nicht geantwortet hatte.
„Ich dachte immer, sie hat es nicht so mit festen Beziehungen", lachte ich.
„Dachte ich auch", seufzte sie, doch irgendetwas stimmte nicht, „Ich habe kein gutes Gefühl bei ihm."
Ich sah sie an und sofort schrillten die Alarmglocken in mir.
„Was meinst du damit?"
„Es war derselbe Typ, der sich in dem Restaurant, in dem ich mit Alec gewesen war, zu mir gesetzt hatte. Er war ganz schön aufdringlich gewesen und ein paar Tage später, tauchte er bei Cece zu Hause auf. Außerdem sieht er mich immer so komisch an."
Ich sah noch genau seine schwarzen Augen vor mir. Mit diesem Typ stimmte eindeutig etwas nicht, ich wusste nur noch nicht was.
Sofort musste ich an Luzifer denken. Der Abend mit ihr schien alles vergessen zu lassen. Ich hatte überhaupt an nichts denken müssen, nur an sie.
Das mit Luzifer und den Gefahren hatte ich komplett verdrängt und ich fand es schade, dass dieser ungestörte Moment vorbei war.
„Halte dich am besten von ihm fern."
„Aber wie, er ist nun mal der Freund meiner besten Freundin. Das ist nicht so einfach. Er wird jedes Mal dabei sein. Aber vielleicht täusche ich mich ja auch in ihm. Ich meine, ich kenne ihn ja noch nicht mal richtig."
„Dann komme ich einfach immer mit", sagte ich und wir kamen an einen Hügel, von dem aus man bestimmt über die ganze Stadt sehen konnte.
Die Sonne war schon untergegangen und nur der Mond schenkte uns hier außerhalb noch Licht.
Auch, wenn es nicht gerade hell war, konnte ich sehen, dass sie lächelte. Ich liebte es, sie zum Lachen zu bringen. Es war das schönste Gefühl, das man sich vorstellen konnte. Wir blieben am Rand einer steilen Klippe stehen und vor uns breitete sich eine wunderschöne Aussicht auf. Die Lichter der kleinen Stadt bildeten einen funkelnden Fleck, umgeben von dunklen Feldern.
„Es ist wunderschön hier", hauchte Aurora und sah neugierig in die Ferne.
Ich zog sie zu mir und drehte sie so, dass sie mich ansehen musste. Ich wollte sie küssen, darauf hatte ich schon den ganzen Abend gewartet. Ich wollte ihre weichen Lippen spüren und von ihr kosten, als hätte ich es schon ewig nicht mehr getan.
Ich spürte ihren warmen Atem, als ich mich Aurora näherte. Meine Finger fuhren über ihre Arme und verursachten sofort eine Gänsehaut. Mir gefiel es, wie sie auf mich und meine Berührungen reagierte. Und mir gefiel der Gedanke, dass ich bis jetzt der Einzige war, der das in ihr auslösen konnte.
„Ich liebe dich", hauchte ich ihr zu und sie atmete schneller.
„Ich liebe dich", gab sie mir zurück und es war wie eine süße Droge, die sich auf meine Zunge legte und in meinen Ohren hallte. Diesen Satz sollte sie immer wieder von mir hören und ihn wollte ich auch immer wieder von ihr hören.
Ihre Hände legte sie in meinen Nacken und Aurora zog mich näher zu sich herunter, sodass wir nur noch Millimeter voneinander entfernt waren.
Doch dann hörte ich einen Ast knacken und meine Augen sahen augenblicklich in die Dunkelheit zwischen den Bäumen hinein. Was war das?
Als meine Augen sich daran gewöhnten, konnte ich eine menschliche Gestalt ausmachen, die breitbeinig einige Meter von uns entfernt stand. Ich entfernte mich von Aurora und stellte meine Sinne scharf.
Das gefiel mir ganz und gar nicht.
„Was hast du?", fragte Aurora, die von unserem heimlichen Besuch noch nichts mitbekam.
Wieder hörte ich einen Ast knacken.
Nur diesmal war es auf der anderen Seite.
Wir standen mit dem Rücken zur Klippe und ich schob Aurora hinter mich, als ich vier Männer in schwarzer Kleidung ins Mondlicht treten sah.
Das sah gar nicht gut aus.
Ich bündelte meine Kräfte und beobachtete die Männer, die uns einkreisten.
„Was wollt ihr?", fragte ich.
„Das Mädchen!", knurrte ein hochgewachsener, von Muskeln übersäter, Mann und ich sah, wie sich ein schwarzer Schleier für einen kurzen Moment über seine Augen legte.
Mein Herz schlug schneller und mein Körper lief auf Hochtouren, wappnete sich für den ersten Angriff.
Aurora hielt sich an meinem Arm fest und ich fühlte, wie sie zitterte.
„Ich kenne diese Männer", flüsterte sie, „Sie waren im Café, als danach der Brand ausgebrochen war." Ihre Stimme brach und ich wusste, dass sie Tränen in den Augen hatte.
Jetzt kamen sie auch mir bekannt vor. Ich hatte sie herauskommen gesehen, als ich gerade am Brandort angekommen war.
„Luzifer erwartet dich schon!", rief ein anderer und zog ein Messer.
Und dann kamen sie alle auf einmal auf uns zu.

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SCHUTZENGEL
Romansa~Dann drehte er sich um und ich sah direkt in seine Augen, deren Bernsteinfarben mich in ihren Bann zogen. Sein schwarzes Haar lag ihm ein bisschen in der Stirn. Er beugte sich zu mir und ich konnte seinen wunderbaren Duft riechen, sodass meine Knie...