F I N N
Meine Zimmertür ging auf und Sophie rannte erzürnt in mein Zimmer.
„Bist du verrückt geworden? Erst tanzt du dich an sie heran und dann gehst du mit ihr auf einen Kurztrip? Empfindest du was für Aurora?"
Ich hatte es ihr in einer Nachricht geschrieben, dass sie Bescheid wusste, dass ich von Freitag bis Sonntag wegfahren würde.
„Nein, ich empfinde nichts für sie. Das mit dem Tanzen war ein Fehler, ich hatte ein bisschen zu viel getrunken. Und, dass ich mitfahre ist nur von Vorteil. Ich werde die ganze Zeit bei ihr sein und sie beschützen können. Besser geht es doch gar nicht!", herrschte ich sie zurück an.
„Bis sie dir den Kopf verdreht und du zu blind für irgendwelche Gefahren bist. Ist dir bewusst, dass du dabei auch draufgehen kannst?"
„Ich habe alles im Griff, Sophie."
„Das habe ich gesehen. Finn, du begibst dich gerade auf einen sehr gefährlichen Pfad. Kehre um, bevor du euch beide noch in den Tod stürzt", sie seufzte und ließ sich auf mein Bett fallen, „Ich mache mir doch nur Sorgen. Das oberste Gebot, lautet, dass du keine enge Beziehungen mit deinem Schutzbedürftigen eingehen darfst."
„Werde ich nicht. Ich mache das nur, um sie zu beschützen. Da sind keine Gefühle, ich bin nur bei ihr, weil ich in ihrer Nähe am schnellsten handeln kann."
„Gut, dann halte dich auch dran. So, und jetzt zum Training. Wir sind schon zu spät."
Sie stand auf und zog mich in die Trainingshalle, wo Elijah Cullen uns mit einem eiskalten Blick ermahnte.
„Winchester du bist der erste im Kampftraining."
Ich versuchte mich jetzt voll und ganz auf das Training zu konzentrieren und keinen Gedanken an Aurora zu verlieren.
Ich ging in den gläsernen Raum und ließ mich einschließen. Sofort kamen die Hologramme von Gegnern zum Vorschein, die einer nach dem anderen auf mich zukamen. Ich kämpfte mit Fausthieben so schnell und geschickt, dass ich das Training sehr gut absolvierte. Die Hologramme fielen alle vor mir, in kleinen Würfeln zu Boden und die Schleuse wurde wieder geöffnet.
„Du hast wohl heimlich geübt?", fragte Mio und klopfte mir auf die Schulter.
Das Training ging noch zwei Stunden. Meine Muskeln taten mir schon lange nicht mehr so weh. Aber alles, was ich heute angewendet hatte, konnte mir hilfreich werden, wenn ich Aurora beschützen musste und dafür war mir jeder Schmerz wert.
Nach dem Training hatten wir noch Unterricht. Schulung in der Gefahrenfrüherkennung. Ich sog alles in mich auf, jede Information könnte irgendwann entscheidend sein.
Cullen stand an seinem großen Pult und sah uns mit seinen grauen Augen bis ins Mark.
„Außerdem möchte ich euch fröhlich verkünden, dass Ming ihren ersten Auftrag bekommen wird, um sich als bereit zu erweisen, ein echter Schutzengel zu werden."
Ming schrie vor Freude auf und fiel Mio um den Hals.
„Trevor Young ist ein Schüler auf der High School und Sohn eines Millionärs. Die Familie hat viele Feinde." Ein Bild von Trevor erschien auf dem großen Monitor. Er grinste breit in die Kamera, wahrscheinlich erst sechzehn Jahre alt.
„Wir erachten es für sinnvoll, ihm einen Schutzengel zuzuweisen. Ming, wenn du deinen ersten Auftrag bestehst, werden wir dich an ihn binden."
„Ich werde niemanden enttäuschen." Sie sah so selbstbewusst aus, dass man fast denken konnte, das nichts sie jemals daran hindern konnte, ihre Ziele zu erreichen.
Ich bewunderte sie dafür und wusste, dass sie das schaffen würde.
Doch dann spürte ich einen Stich in meinem Körper. Erst konnte ich das Angstgefühl nicht richtig zuordnen, doch dann wurde mir schnell klar, dass es zu Aurora gehörte. Ihr Herz schlug schneller, es schlug mir fast bis zum Hals.
Alles spannte sich in mir an. Sie war vielleicht in Gefahr.
Wie auf Knopfdruck rannte ich aus dem Zimmer und verließ das Institut, stieß mich in den späten Abendhimmel und schoss wie ein Pfeil durch die kühle Luft, bis ich vor Aurora's Fenster stand und vorsichtig zu ihr hineinschaute. Sie wälzte sich in ihrem Bett und verzog das Gesicht im Schlaf. Vermutlich hatte sie einen Alptraum.
Ich schob vorsichtig ihr Fenster nach oben, weil ich das Gefühl, dass sie Angst hatte, in mir nicht ertragen konnte.
Vorsichtig ließ ich mich neben sie in ihr Bett sinken und strich ihr beruhigend über den Kopf. Plötzlich sah ich die Bilder vor mir. Feuer züngelte sich überall entlang und kam auf sie zu. Ihre Hände waren in Ketten und sie war von den Flammen umzingelt. Eine verbrannte Leiche lag vor ihr und sie schrie so fürchterlich kläglich, dass sich in meinem Bauch etwas zusammenzog.
Sie kuschelte sich an mich und ich spürte, dass sie wie Espenlaub zitterte. Ich strich ihr immer wieder über das Haar, wollte ihr damit zeigen, dass sie keine Angst haben brauchte. Alles würde gut werden.
Und dann lag ich eine Weile neben ihr. Ich wusste nicht, wie lange. Ich hörte, wie sich ihr Atem beruhigte, wie sich ihr Herzschlag wieder einpegelte und ihre Angst sich langsam wieder zurück in ihren Käfig verzog.
Ich wusste nicht, was ich hier tat, aber ich konnte nicht anders. Ich musste wissen, dass es ihr gut ging.***
Ich hatte mich wieder aus Aurora's Zimmer geschlichen, nachdem sie angefangen hatte munter zu werden.
Jetzt war ich wieder im Institut, alle schliefen vermutlich schon. Den Rest des Unterrichts hatte ich verpasst, aber hätte sich Aurora wirklich in Gefahr befunden, wäre es das wert gewesen.
Ich sah auf mein Handy. Sophie hatte mir geschrieben.
„Geht es Aurora gut?"
„Ja, es war falscher Alarm. Sie hatte nur schlecht geträumt."
Ich sah aus dem Fenster. Was tat ich hier nur. Sophie hatte Recht mit dem, was sie mir heute vorgeworfen hatte. Ich war schon viel zu weit gegangen.
Ich musste mich zusammenreißen. Zwischen Aurora und mir durfte sich nichts entwickeln. Und doch wollte alles in mir genau das Gegenteil. Ich konnte nicht mehr aufhören an sie zu denken. Ihre schönen Augen, ihr schönes Lächeln, wie ihre Haare um ihre Schultern spielten, all das ließ mich verrückt werden.
Wenn ich nicht in ihrer Nähe war, wollte ich bei ihr sein.
Aber es war falsch.
Vor Wut auf mich selbst, fegten meine Hände meine Lampe vom Nachttisch, sodass sie an der Wand in hundert Teile zersprang.
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SCHUTZENGEL
Romance~Dann drehte er sich um und ich sah direkt in seine Augen, deren Bernsteinfarben mich in ihren Bann zogen. Sein schwarzes Haar lag ihm ein bisschen in der Stirn. Er beugte sich zu mir und ich konnte seinen wunderbaren Duft riechen, sodass meine Knie...