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A U R O R A

Ich saß am Esstisch mit meine Eltern und hörte nur gedämpft, dass sie über die Arbeit sprachen. Meine Mutter ermahnte Miles immer wieder, dass das Handy am Tisch nichts zu suchen hatte und erzählte schließlich weiter.
Warum wollte Finn mich nicht mehr sehen. Was war sein Grund, dass es ein schlechter Zeitpunkt zu sein schien?
Warum hatte er sich dann vorher so verhalten? Er hatte mich praktisch gar nicht aus den Augen gelassen - Und dann war er einfach gegangen.
Nach dem Abendessen ging ich wieder auf mein Zimmer und sah auf mein Handy.
Keine Nachricht von ihm.
Also schrieb ich.
„Hey, wenn das heute unangebracht war, tut es mir leid."
Er las es sofort.
Doch es kam keine Antwort.
„Arschloch", fluchte ich vor mich hin.
Dann kam eine Nachricht. Aber sie war von Alec.
„Hey, Lust heute mit in den Club zu kommen? Cece und Nathan kommen auch mit. Wir haben morgen alle keine Vorlesung."
Was soll's, dachte ich und stimmte zu.
Also duschte ich, zog ein etwas aufreizendes schwarzes Kleid an und lockte meine Haare. Dezent trug ich noch etwas Schminke auf und schon klingelte es an der Tür, wo Alec stand, um mich abzuholen.
Ich hatte immer noch keine Nachricht von Finn und ich glaubte jetzt langsam, ihn nie wieder zu Gesicht zu bekommen.
Alec umarmte mich und bestaunte meinen Körper.
„Wow, du siehst echt gut aus!"
„Du auch. Schickes Hemd", dabei wies ich auf sein weißes Poloshirt, was wirklich gut an ihm aussah.
Wir stiegen in seinen sportlichen Chevrolet und fuhren zum Club, wo Cece und Nathan schon auf uns warteten.
„Okay, lassen wir es krachen!", rief Cece und umarmte mich stürmisch, „Hättest du Alec abgesagt, wäre ich persönlich bei dir zu Hause aufgetaucht", sie sah mich mit einem strengen Blick an.
Die Musik dröhnte schon nach außen und wir drängelten uns an der Schlange nach vorne. Cece begrüßte kurz den Türsteher und wir durften sofort rein.
„Meine Schwester hat es drauf", lachte Nathan und sah schadenfroh zu der langen Schlange.
Auf der Tanzfläche war schon viel los.
„Ich hole uns ein paar Drinks", bot Alec an und machte sich auf den Weg zur Bar, während Cece mich schon auf die Tanzfläche zog.
Während ich mich der Musik hingab und später meinen Gin Tonic leerte, hätte ich ihn fast nicht bemerkt.
Aber da war er schon wieder und seine Augen musterten mich aus der Ferne. Er hatte wieder seine Lederjacke an, diese Jacke würde ich mittlerweile überall wiedererkennen.
Die Leute tanzten in unserem Sichtfeld, aber wir behielten uns im Blick, als würde uns nichts davon abhalten.
Doch dann sah ich, wie sich eine Blondine an ihn heran tanzte und die Verbindung zwischen uns brach. Sie zog ihn auf die Tanzfläche und verführte ihm zum Tanzen.
Irgendetwas störte mich daran. Ja, ich kannte ihn nicht, aber wieso flirtete er mit mir, wenn er offensichtlich eine Freundin hatte?
Ich riss mich von ihm los und versuchte nicht an ihn zu denken. Ich tanzte mit Alec, konzentrierte mich auf ihn und auf den Spaß, den wir hatten und versuchte mich nicht nach Finn umzusehen.
Doch irgendwann berührte mich jemand und ich drehte mich zu demjenigen um, nur um feststellen zu müssen, dass es Finn war.
Er sah mir wieder mit diesem Blick in die Augen und ich konnte mich nicht von ihm losreißen.
„Tut mir leid", sagte er laut, um die Musik zu übertönen, „Hast du Lust zu tanzen?"
Ich nickte und wir fingen an, uns zusammen zu bewegen. Ich schaltete die Welt um mich herum aus und lauschte nur noch der Musik, sah zu, wie sein Körper sich im Takt bewegte.
Mit der Zeit kamen wir uns näher, tanzten eng miteinander, seine Hände fanden meine Hüfte und seine Augen musterten mich.
Seine Berührungen zogen mich in eine andere Welt. Ich sah auf seine Lippen und wieder in seine Augen. Ich empfand ein plötzliches Verlangen nach ihm, was ich noch nie so gespürt hatte. Ich war neugierig, wer er war und ich wollte, dass er mir immer so nah war, wie er es jetzt gerade tat.
„Hey, wer bist du denn?", fragte Alec, als er Finn mitbekam.
„Und wer bist du?", fragte er zurück und ließ mich plötzlich los. Die Stellen, wo seine Hände gelegen haben, hörten auf zu kribbeln.
„Ich bin ein Freund von Aurora", Alec sah ihn so feindselig an, als würde er seinem Gegenüber gleich die Faust ins Gesicht schieben wollen.
Cece stolperte, offensichtlich betrunken, an meine Seite.
„Hey, du Schönling. Dir gefällt anscheinend meine beste Freundin! Komm wir trinken was zusammen."
Ohne auf Alec einzugehen, ging Finn mit uns an die Bar und Cece bestellte und allen einen Drink.
Ich saß neben Finn und wusste nicht, was ich sagen sollte. Heute Nachmittag wollte er sich nicht weiter mit mir treffen und jetzt, ein paar Stunden später, kam er mir so nah.
„Also, wie heißt du? Ich bin Cece."
„Finn."
„Schön Finn, ich lade dich hiermit ein."
„Zu was?", fragte ich und Cece kicherte nur. Das konnte nur wieder eine ihrer spontanen und total verrückten Ideen sein.
„Du kommst mit uns dieses Wochenende an einen See. Meine Eltern haben ein Haus dort und wir fahren von Freitag bis Sonntag hin."
Sie grinste und wackelte aufgeregt mit ihren Augenbrauen.
Ich schüttelte kaum merklich den Kopf und starrte sie mit große Augen an. Was hatte sie denn für dumme Ideen?
Ich sah zu Finn, der anscheinend auch nicht mit so etwas gerechnet hatte.
Doch dann lächelte er.
„Klar, warum nicht?"
Ich sah ihn erschrocken an.
„Könnten wir kurz reden?" Ich zog ihn hinter mir her, zu den Toiletten.
„Was soll das?"
„Was soll was?"
„Na das! Du triffst dich heute mit mir und sagst mir dann, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist? Und dann tanzt du mit mir und stimmst Cece zu, mit uns einen Kurztrip zu machen? Und was deine Freundin angeht, was sagt die denn dazu?"
„Welche Freundin?"
Ich hatte mir die hübsche Blondine doch nicht eingebildet, wie sie sich an ihn getanzt hatte.
„Die blonde Frau, mit der du hier bist?"
„Sie ist nicht meine Freundin, sie ist EINE Freundin."
Mein Mund klappte mir wieder zu.
„Oh, das wusste ich nicht und das steht mir auch gar nicht zu." Er sah mir tief in die Augen.
„Warum machst du das?", fragte ich.
„Ich will dich kennenlernen." Sein Blick wurde ernst und ich spürte, wie er mich wieder in seinen Bann zog.
Wer er auch war und warum er so war, wie er war, wollte ich immer mehr herausfinden. Jede Faser seines Körpers reizte mich.
„Ich sollte meine Freunde suchen. Viel Spaß noch und bis Freitag." Dann ging Finn an mir vorbei und ließ mich wieder stehen.
Ich ging ebenfalls wieder zu den anderen.
„Bist du sicher, dass er mitkommen soll? Du kennst ihn doch kaum oder?"
„Ich lasse mich überraschen", sagte ich und wusste, dass Alec Recht hatte. Ich kannte Finn nicht, aber irgendwie hatte ich bei ihm ein gutes Gefühl.

***

Nachdem wir noch ein bisschen getanzt hatten, fuhr mich Alec schließlich nach Hause.
Er brachte mich sogar bis zu meiner Haustür.
„Aurora", er sah mich an und hielt mich an der Hand fest. Ich sah herab und verstand nicht ganz, was Alec wollte.
„Ich muss dir was sagen. Und ich sage das jetzt, weil ich nicht weiß, ob es vielleicht die letzte Gelegenheit ist, dir das zu sagen. Offensichtlich will dieser Finn etwas von dir."
Mein Herz klopfte schneller und ich sah Alec verwirrt an.
„Was wird das, Alec?"
Er sah mich mit seinen fast schwarzen Augen an.
„Aurora, wir kennen uns schon lange und...", seine Stimme verschluckte er und er nahm einen tiefen Atemzug, „Ach verdammt...", fluchte er und kam auf mich zu.
Er fasste mit seinen Händen mein Gesicht und seine weichen Lippen legten sich auf meine und er fing an, mich sanft zu küssen.
Für einen Moment war ich wie erstarrt und ließ den Kuss über mich ergehen. Doch dann schob ich ihn erschrocken vor mir weg.
„Was soll das, Alec?", flüsterte ich, weil er für mich immer nur ein Freund war und nicht mehr. Ich empfand nicht so für ihn, wie er es für mich offensichtlich tat.
„Tut mir leid. Ich wollte es nur einmal tun, weil du anscheint anfängst, dich in etwas hineinzustürzen. Du sollst wissen, was ich für dich empfinde."
„Aber ich kann dir das nicht zurück geben." Mir tat es weh, ihm das zu sagen, aber ich musste ehrlich zu ihm sein.
Er biss die Zähne auf einander und seine Lippen formten sich zu einem schmalen Strich. Seine Augen wurden gläsern und ich wusste, wie verletzt er war.
„Für mich bist du ein sehr guter Freund, aber da wird nie mehr sein, Alec", flüsterte ich und versuchte die Tränen zurückzuhalten. Ich wollte ihn nicht als Freund verlieren.
„Ja, schon okay. Ich habe nichts anderes erwartet", er seufzte, „Aurora, du bist so schön und klug. Lass dir nicht das Herz brechen. Solche Typen, wie er, schreien doch förmlich schon danach."
Dann ging er, stieg in sein Auto und dröhnte davon.
Ich stand bewegungslos da und ließ seine Worte auf mich wirken.

SCHUTZENGELWo Geschichten leben. Entdecke jetzt