Kapitel 12

1.2K 40 5
                                    

28 Jahren zuvor...

Pablo

Ich guckte zu der wunderschönen jungen Frau auf. Ihr langes schwarzes Haar wehte durch den leichten Wind, welchem wir entgegenliefen. Ich wusste nicht, wo wir waren, es war ein neuer Ort, welchen ich nicht kannte. Hier war nicht viel los, die ein oder andere Person guckte zu uns, sie schienen uns zu kennen, ich sie aber nicht.

Als meine Mamá anfing kreisende Bewegungen auf meinem Handrücken zu fahren, guckte ich auf unsere Hände. Es war das erste Mal, dass sie das bei mir machte, es schien, als wolle sie mich damit beruhigen. Sie merkte, ich war nervös, meine Mamá merkte alles, sie war die beste und tollste Madre, welche man haben konnte. Monate lang konnte ich sie nicht sehen, Abuelo meinte, sie musste arbeiten, weshalb ich traurig war, aber jetzt hatte ich sie endlich wieder bei mir. Sie sollte mich nie wieder verlassen ...

Ich schaute nach vorne, wir liefen auf ein kleines gemütliches Haus zu, vor welchem zwei Menschen standen. Sie mussten älter als Mamá sein, aber nicht so alt wie Abuelo. Wie es aussah, warteten sie auf uns. Der Mann sah etwas gruselig aus und machte mir Angst, auch weil er eine Narbe im Gesicht trug. Die Frau sah mich freundlich an.

»Roldán, Roja«, sprach Mamá die beiden Menschen bei ihnen stehen geblieben an. »Señora Ortega, schön sie wiederzusehen«, sprach der Mann meine Mamá an. »Ich danke euch für eure Hilfe, ich schätze es sehr«, erwiderte sie, wobei ich nicht wusste, wovon sie sprach. Mir wurde gesagt, wir seien hier, um etwas Urlaub zu machen. In einem abgelegenen Dorf bei alten Bekannten. Waren die beiden die alten Bekannten? »Für sie machen wir das gerne«, kam es von der Dame.

»Du bist also der kleine Pablo«, sprach mich der gruselige Mann an. Aus Angst versteckte ich mich hinter Mamá, meine Arme umklammerten ihr eines Bein. Sie roch gut, ich mochte Mamás Geruch, viel zu lange roch ich ihn nicht mehr. »Das wird Arbeit werden«, kommentierte der Mann, weil ich mich vor ihm versteckte.

»Er ist noch jung, erst in ein paar Jahren wird er auf seine Zukunft vorbereitet«, erzählte meine Mamá. Ich verstand nicht, was sie dort sprachen, auch wenn es um mich ging. Worauf sollte ich denn vorbereitet werden? »Das bin ich mir bewusst.« Die schwarzhaarige Schönheit nickte.

»Ihr wisst, was wir besprochen haben, auch dass alles geheim bleibt.« Meine Mamá sprach in einem Ton, welchen sie anwendete, wenn ich mal nicht hörte. Ich mochte es nicht zu hören, lieber machte ich das, worauf ich Lust hatte. Dann schimpfte Mamá immer mit mir. Ich wusste meine Mamá mochte es nicht, trotzdem machte ich es, aber hier war es etwas anderes. Die beiden Menschen hatten nichts gemacht und Mamá war wütend auf sie.

Es dauerte meist nicht lange und Mamá war wieder nett, spielte mit mir oder erzählte mir Geschichten. Ich liebte es ihre Stimme zu hören, ihr Lächeln, ihr Lachen oder sie einfach nur anzusehen. Ich liebte meine Mamá, niemand konnte mir wichtiger sein als sie.

»Sí, wir werden uns gut um ihn kümmern und ihn ausbilden, wenn es so weit für ihn ist. Falls sie nicht zurückkommen sollten.« Mein Herz fing an etwas höher zu schlagen, Angst machte sich in mir breit. Was meinte der Mann mit nicht mehr zurückkommen, gut kümmern und ausbilden und warum spannte sich Mamá durch seine Worte an?

»Verraten werden wir natürlich auch nichts und was das Thema mit dem Mann angeht, darum wurde sich bereits gekümmert, alle, die davon wissen, halten dicht«, kam es diesmal von der freundlich wirkenden Frau. »Gut, das will ich auch hoffen, selbst wenn ich nicht zurückkomme, wird es durch eine andere Hand nicht gut für euch enden.« Ich schaute auf, hoch zu meinem absoluten Lieblingsmenschen.

»Was meinst du damit, Mamá, warum solltest du nicht zurückkommen und warum willst du mich alleine hierlassen, ich dachte, wir machen zusammen Urlaub?« Ich wollte nicht, sie ließ mich alleine, ich hatte sie doch gerade erst wieder. So sollte es auch bleiben, sie sollte mich nicht alleine lassen.

Sie drehte sich zu mir um, wodurch ich von ihr ablassen musste. Kälte überkam meinen Körper. Es war kalt, durch sie wurde ich gewärmt. »Wenn alles gut läuft, bin ich bald wieder bei dir und dann wirst du mich nicht mehr los«, sprach sie, als sie sich vor mich hockte. Irgendetwas stimmte nicht, ich glaubte ihren Worten nicht, ihre Stimme und ihr Blick zeigte es mir. Ich war zwar noch klein, aber nicht dumm. Ich bemerkte, wenn etwas nicht stimmte.

»Was meinst du mit gut läuft, was ist, wenn es nicht gut läuft?« Tränen sammelten sich in ihren Augen. Ich mochte es nicht, wenn Mamá weinte. »Wenn es nicht gut läuft, wirst du bei großartigen Menschen bleiben, sie werden dir wichtige Dinge beibringen, welche du eines Tages brauchen wirst. Wenn du irgendwann alt genug bist, wirst du zu deinem Onkel gehen und dort eine wichtige Position übernehmen.« Sie legte ihre Hände auf meinen Wangen ab, strich über sie.

»Ich will aber nicht hierbleiben, ich will bei dir bleiben.« Sie atmete tief ein, ihr Weinen versuchte sie sich zurückzuhalten, nur schwer gelang es ihr. »Du wirst aber müssen, ich kann dich nicht bei Onkel Francisco lassen. Bis du alt genug bist, darf niemand wissen, dass du existierst.« Nun hörte es sich so an, als wüsste sie, sie kam nicht mehr zurück, weshalb Tränen meine Augen verließen.

»Du kommst nicht mehr zurück, oder?« Ein Schluchzer verließ ihre Kehle. »Dir wird es hier gut gehen.« Mit diesen Worten gab sie mir ihre Antwort. Weinend schüttelte ich meinen Kopf, immer mehr Tränen kullerten meine Augen hinunter. »Ich will, nicht, dass du gehst, bleib bei mir, Mamá, bitte ...« Mit ihrem Daumen strich sie über meine feuchte Wange. »Ich kann nicht hijo, wenn ich hier bei dir bleibe, wirst du in Gefahr sein und das kann ich nicht zulassen.«

Warum sollte ich in Gefahr sein, wenn sie bei mir blieb, sie beschützte mich immer vor allem. Sie war eine Bärenmamá, welche ihr Kind über alles schützte und konnte. Sie war stark und schaffte alles. Das tat sie bis jetzt immer. Sie ließ von mir ab, dafür ließ sie ihre Hände zu ihren Schultern, an die Kette, welche sie immer trug, wandern. Sie zog sich die Kette aus, zum Vorschein kam ein silberner Anhänger, es war eine Schlange. Die Kette war kreisförmig, die Schlange drehte sich im Kreis herum, in der Mitte war ein Loch. Ich mochte die Kette, manchmal wenn ich auf ihren Armen war, spielte ich mit ihr.

Mamá zog mir die Kette über meinen Kopf, wodurch der Anhänger riesig auf meinem kleinen Körper aussah. »Ich schenke sie dir, pass gut auf sie auf.« Ich verstand nicht, warum sie mir ihre Kette schenkte, sie liebte diese Kette. Immer, wenn ich sie sah, trug sie diese. »Weil ich sie jetzt nicht mehr brauche, also pass gut auf sie auf. Eines Tages wirst du verstehen, warum ich sie dir gab.« Sie legte ihre Hand wieder auf meine Wange, mit ihrem Daumen strich sie über sie, wusch mir die Tränen weg.

Ein Auto kam angefahren, es war unser Auto. »Es ist wohl so weit«, sagte Mamá plötzlich mit einer traurigen Miene und Tränen in den Augen. »Mamá, warum weinst du, wir sehen uns doch bald wieder?« Sie lächelte schwach.

»Vergiss nie, wie sehr ich dich liebe und ich hoffe, dass du eines Tages eine Frau lieben wirst, welche dich genauso sehr liebt, wie ich es tue. Vielleicht schenkst du ihr ja diese Kette, als Zeichen der Liebe.« Sie drückte mir einen Kuss auf meine Stirn. »Warum verabschiedest du dich von mir?« Wieder liefen Tränen meine Wangen hinunter. »Weil es einer ist.« Sie stand auf. »Mache niemals den Fehler und lasse dich von jemanden beeinflussen, es wird nicht gut für dich enden.« Voller Trauer sah sie mich an.

»Denk an meine Worte, ich liebe dich über alles hijo.« Sie lief an mir vorbei, schnell drehte ich mich um und rannte ihr hinterher. »Mamá bleib stehen, ich will nicht das du gehst, lass mich nicht alleine!« Sie ignorierte meine Worte und stieg in das Auto. Ihr weiter hinterherrennen konnte ich nicht, durch den gruseligen Mann wurde ich aufgehalten.

»Mamá!«, schrie ich so laut ich konnte weinend, dabei zappelte ich herum. Meine Mamá war weg, sie verließ mich und das nur um mich zu schützen, wobei ich wusste, ich sah sie nie wieder ...

KIARA - Wenn Rache süß istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt