2. Kapitel 2 - Beute

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Die ersten Tage der Reise waren geradezu geflogen und der Gedanke, was sie danach tun sollte, drängten sich in Carolines Bewusstsein. Ob es ein Danach geben würde. Das berufliche Drama war nur ein Faktor in einer langen Reihe von Katastrophen. Der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. 

Trotz all der Düsternis in ihrem Leben hatte der Kontakt mit Isy etwas angestoßen: Ideen, wie eine Zukunft aussehen könnte. Einem beharrlich penetranten Sonnenstrahl gleich, der sich durch undurchdringliches Dickicht zwängt, brachte das Mädchen Licht und Leichtigkeit in Carolines Welt. 

Genüsslich streckte sie ihr Gesicht dem heißen Wasser entgegen, das aus der Brause ihrer kleinen Nasszelle schoss. Unbemerkt öffnete sich hinter ihr die Tür. Ein nackter Mann mit schwarzem Lockenhaar schob sich herein und umklammerte ihren Oberkörper ohne Vorwarnung fest von hinten. 

"Aaargh!" Vor Schreck schrie sie auf und atmete etwas von dem chlorreichen Duschwasser ein. Hustend und keuchend versuchte sie, es wieder loszuwerden.

„Wow, sorry! Ich wollte dich nicht erschrecken". Er ließ sie los und grinste verunsichert. „Ich dachte nur, wir schaffen vielleicht doch noch eine Runde, bevor du deine Freunde triffst?" Er sah mit schiefem Lächeln langsam und lasziv an ihr hinunter, was wegen der Enge der Kabine nicht die Wirkung hatte, die er anscheinend erhoffte.

„Verdammt, ich dachte du bist schon längst weg! Für den Fall, dass du möchtest, dass irgendwann noch eine Runde", sie zeichnete, immer noch leicht keuchend, Gänsefüßchen in die Luft, „in Frage kommt, solltest du lernen besser zuzuhören. Ich bin spät dran und muss los. Wir sehen uns morgen wieder!" Damit schob sie ihn bestimmt aus der Duschkabine.

„Mmmh, okay. Einen Versuch war's wert." Er grinste charmant. "Bis später dann!". Sie hörte die Tür ihrer Kabine etwa dreißig Sekunden später ins Schloss fallen und widmete sich wieder ihrem Körper.

Richard war sein Name, erinnerte sie sich. Sie hatte ihn am Tag zuvor kennengelernt und seine angenehme Art hatte zu einem spontanen Kuss und einer halben gemeinsamen Nacht mit ziemlich gutem Sex geführt. Die Nacht hatten sie nur halb miteinander verbracht, weil an Schlaf zu zweit in ihrem kleinen Einzelbett nicht zu denken war. Irgendwann gegen drei Uhr hatte Carolines Müdigkeit über den Geschlechtstrieb gesiegt und sie hatte ihn rausgeworfen. Nicht ohne sich direkt für heute zu verabreden. 

Viel hatten sie nicht miteinander gesprochen, aber er war dreißig Jahre alt und suchte die Liebe seines Lebens. Zumindest hatte er ihr das mit einem tiefen Blick in ihre Augen gebeichtet. Sie hatte ihm erklärt, dass sie das bestimmt nicht sei, ihm aber gerne bis dahin die Zeit versüßen könnte. Zehn Minuten später hatte sein Kopf sich zwischen ihren Schenkeln wiedergefunden.

"Mmmrrh", brummte sie leise mit geschlossenen Augen vor sich hin. Wie gut es sich angefühlt hatte die Hand in sein Haar zu krallen, um ihm deutlich zu zeigen, was sie mochte. Der Gedanke,  wie er sich im Anschluss schnell das Kondom übergestreift und ungeduldig, aber dennoch langsam in sie eingedrungen war, ließ ihren Unterleib angenehm zucken. 

Das Piepsen ihres Handys riss sie aus dem Tagtraum. Mist! Vermutlich Isy, die wissen wollte wo sie blieb! 

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Obwohl sie sich beeilte, kam sie ein paar Minuten später als geplant zum Abendessen und ihre neue Freundin sah sie wissend und breit grinsend an. „Ich hatte ja eigentlich nicht damit gerechnet, dass wir dich heute noch wiedersehen!" Glücklich bemerkte Caroline, wie Isys Augen leuchteten und das Strahlen nicht nur ihr Gesicht, sondern den ganzen Körper ergriff. Als wäre diese Reaktion eine Spiegelung ihrer eigenen Gefühle. 

„Als könnte mich Sex jemals von Pasta fernhalten!" In gespielter Empörung ließ sie sich wie gewohnt neben Isy auf den Stuhl fallen und schnappte hungrig die Karte. „Und wo geht's heute Abend hin? Habt ihr schon eine Entscheidung getroffen, oder wolltet ihr abwarten, wie sehr uns das Essen zusetzt?"

Kristallinsel - Gefangene der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt