56. Kapitel 27 - Zukunft

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Am Morgen nach der Aussprache mit Thomas, wühlte Caroline sich durch ihren Kleiderschrank auf der Suche nach dem Anlass entsprechender Kleidung. Was wäre die beste Wahl, wenn man seinem Vampirvormund unter die Augen trat, der einen kurz zuvor in den Selbstmord getrieben und dann davon abgehalten hatte, um sich im Anschluss gegenseitig Horrorlebensgeschichten zu erzählen und verflossene Gefühle zu gestehen?

Sie hielt inne, als sie im untersten Eck des Kleiderschranks die kleine hölzerne Kiste entdeckte. Sorgsam zog sie die dunkle Box heraus und öffnete den Deckel zögerlich. Nein, es war zu früh. Dennoch holte sie das beige Ding heraus und betrachtete das Gummiband ausgiebig.

Erinnerungen, wie sie es wenige Tage nach der Brandzeichnung, noch unter den Schmerzen leidend, gesehen und verzweifelt versucht hatte zu zerreißen, überkamen sie. Statt eine Schere zu holen und ihm den Rest zu geben, hatte sie es in diese Kiste gestopft und unter anderen Kleidungsstücken vergraben.

Heute würde sie es nicht anlegen. Morgen auch nicht. Aber vielleicht an einem anderen Tag. Sie hängte es auf einen Kleiderbügel, entschied sich für einfach Jeans mit T-Shirt und ging ins Wohnzimmer um ihren Kaffee zu trinken.

Kaum hatte die Tasse die Lippen berührt, als Joël hereinkam.

„Wie geht es dir?" Sein Ausdruck war neugierig besorgt. „Thomas sagt ihr hättet gesprochen?"

„Das haben wir." Lächelnd sprang auf und nahm den Vampir fest in die Arme. „Ich weiß nicht, was du ihm gestern gesagt hast, aber danke!", flüsterte sie.

„Ach," Er erwiderte die Umarmung beherzt. „Ich habe ihm nur erklärt, dass er nicht mehr der Mann, Freund und König ist, dem ich damals gefolgt bin, wenn er es nötig hat dich so zu behandeln, und dass er es geradebiegen soll, weil er die Insel sonst ohne mich managen kann. Oder so ähnlich."

„Oder so ähnlich?" Sie wollte sich von ihm lösen, um ihn ungläubig anzusehen, doch er knuddelte sie unbeeindruckt weiter.

„Ja, so ähnlich." Mit einem Mal hielt er sie eine Armlänge entfernt an den Schultern und sah sie ernst an. "Denk bitte nicht, du wärst hier allein, Liebes. Glaub mir, ich war nicht der Einzige, der ihm die Hölle heiß gemacht hat." Er ließ sie los und grinste breit.

In dem Augenblick klopfte es an der Tür und Thomas kam herein.

„Ich hätte mir denken können, dass dich dein Weg direkt hierher führt", seufzte er in Richtung seines Freundes, lächelte aber.

„Soll ich euch alleine lassen?" Konträr zu seinen Worten machte Joël es sich auf der Couch bequem und schnappte sich ein Croissant.

„Nein, das betrifft dich auch. Ich habe eben mit Damien gesprochen. Die Hausdurchsuchungen bei Maria in der Stadt und auch auf ihrem Anwesen auf dem Land, waren erfolglos. Sie haben die Frau, das verschwundene Mündel, nicht gefunden."

„Fuck!" Joëls Blick wurde ernst. "Sie hat sie entweder verschwinden lassen, oder sie ist schon eine Weile irgendwo begraben. Seit wann ist sie offiziell tot?"

„Seit etwas mehr als drei Jahren." Thomas setzte sich zu ihnen. „Maria hat Asmus anderthalb Jahre am Leben gehalten. Ich traue ihr mittlerweile alles zu."

Caroline folgte dem Gespräch und Erleichterung durchflutete sie. Es wurde keine ihrer Behauptungen mehr in Frage gestellt. Die beiden Männer besprachen noch den Status der mittlerweile aktiven Task Force zum Schutz von Menschenrechten und der Verschärfung einiger Gesetze diesbezüglich. Als Joël sich verabschiedete, fühlte Caroline sich rundum abgeholt. Sie hatte viel verpasst in den letzten Wochen.

„Ich weiß, es sind nur wenige Stunden vergangen, aber wollen wir unser Gespräch fortsetzten? Mir sind ein paar Ideen zur Gestaltung unserer Beziehung gekommen", schlug Thomas vor, als die Tür hinter seinem Freund ins Schloss gefallen war.

Kristallinsel - Gefangene der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt