Kristallinsel - Gefangene der Vampire

44. Kapitel 20.2 - Indiana Jones lässt grüßen

Ein Skelett, mindestens zwei Meter lang, war in einem Bett aus Stein und Fels platziert worden. Das Glas schien Museumsqualität zu haben, denn es spiegelte nicht und jedes Detail war klar erkennbar.

Der unnatürlich weit aufgerissene Kiefer, die langen Reißzähne, ausgefahrene Krallen an den Fingern und kleinere an den Zehen, ein langgezogener Schädel und sonderbar gekrümmte Verläufe der Mittelhand- und Fußknochen.

„Oh mein Gott", wimmerte sie leise, die Hände noch immer auf den Mund gepresst.

„Ja, es ist echt und gibt eine Vorstellung davon, was sie waren." Thomas Grinsen war verschwunden. „Die Geschichten der Alten erzählen welch ein Schrecken diese Wesen für Menschen und Vampire gewesen sind. Wahre Monster. Wir Vampire sind zu großen Teilen noch menschenähnlich. Diese Dinger waren Bestien. Wir nennen sie Andere oder auch Wandler. Falls sie je einen Namen für sich selbst hatten, ist er in Vergessenheit geraten. Es ist nicht bekannt, ob sie immer so aussahen" Sein Kinn zuckte in Richtung des Glasscheibe. „oder ob sie die Möglichkeit hatten sich ein vollständig menschliches Äußeres zu geben. Die Mutationen waren nicht so gravierend, dass es unmöglich gewesen wäre."

„Und wie habt ihr sie besiegt?", flüsterte Caroline, unfähig sich zu bewegen.

„Fast hätten wir das nicht. Wie wir, schienen sie unsterblich zu sein, allerdings ohne Lichtempfindlichkeit. Auch in Kraft und Regeneration waren sie uns überlegen. Es brauchte mindestens drei von uns, um eines dieser Wesen zu töten. Sie zu köpfen, ihnen das Herz herauszureißen und zu verbrennen. Wir wissen nicht, wie sie entstanden sind und ob sie sich fortgepflanzt haben. Zum Glück waren die Vampire damals schon an Zahl überlegen, aber es gab viele Opfer. Hunderte. Vielleicht tausende."

Er räusperte sich umständlich und fuhr etwas lauter fort.

"Die letzten Wandler-Gruppen existierten vor knapp 500 Jahren. Sie haben in Europa und, soweit wir wissen, Afrika und Asien systematisch Jagd auf meine Art gemacht. Haben uns und auch Menschen aus Spaß gefoltert, vergewaltigt, getötet. Am schlimmsten war es in Norwegen und Zentraleuropa, vor allem im heutigen Rumänien. Die Angst, dass einige entkommen sein könnten, ist nie ganz verschwunden."

Caroline schluckte schwer. „Und sie haben alle so ausgesehen?" Sie konnte den Blick nicht von den leeren Höhlen des grausigen Schädels abwenden.

„Viel Literatur ist verloren oder wurde zerstört, aber schau mal hier drüben." Er lief zu einem Regal direkt neben der Absperrung. „Diese Zeichnungen zeigen Humanoide mit wölfischen Zügen, wie das Exemplar zu unseren Füßen. Allerdings haben manche auch Ähnlichkeit mit Bären, sind mit Schuppen und Kiemen versehen oder haben sogar libellenähnliche Flügel. Wir wissen nicht was davon der Fantasie entsprungen ist und was real war. Die noch lebenden Ältesten, die diese Wesen selbst gesehen haben, erinnerten sich an Fänge, Krallen und Züge von Raubtieren."

Das brüchige Papier war bereits so ausgeblichen, dass die Figuren kaum auszumachen waren, doch die scharfen Augen schienen sich in Carolines zu bohren.

„Ich hätte niemals gedacht, dass Vampire auch Opfer sein können. Dass ihr die Furcht, die ihr auslöst, auch selbst kennt", flüsterte sie unbewusst.

„Du fürchtest uns?" Thomas sah sie gekränkt an. „Mich?"

„Manchmal." Caroline neigte den Kopf zur Seite und entblößte wie zufällig ihren Hals. „Legt ihr es nicht genau darauf an?"

Eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. „Wenn wir mit Angst herrschen wollten, hätten wir andere Methoden mit euch umzugehen, glaub mir." Er verschränkte die Arme.

„Aber die willst du nicht nutzen. Wie kommt das?"

Es gab mit Sicherheit genug Vampire auf der Welt, für die Menschen nur Nahrung und Sklaven waren. Manche der Inselvampire machten sich nicht die geringste Mühe diese Haltung zu verbergen und es wäre fatal, sollte ihr Vormund nicht mehr in der Lage sein, sie unter Kontrolle zu halten. Trotz aller Differenzen, die sie mit Thomas hatte, wollte sie niemandem Anlass geben an seiner Stellung und Kompetenz zu zweifeln.