34. Kapitel 16.2 - Von schwanzlosen Katzen und diebischen Elstern

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„Komm, ich begleite dich zurück." Thomas ging Richtung Ausgang und Caroline holte mit wenigen schnellen Schritte auf.

„Danke! Ich dachte wirklich, sie wollen mir jetzt etwas anhängen."

„Nein, wenn sie das vorhätten, würden sie es nicht auf so plumpe Weise in aller Öffentlichkeit versuchen."

Caroline blickte zweifelnd zu ihm auf. „Na ja, wem würdest du eher glauben. Einer ganzen Gruppe von Ältesten oder ..." Sie unterbrach sich, denn selbst in ihren eigenen Ohren hörte sich die Frage wehleidig an.

„Weißt du," Er warf ihr einen Seitenblick zu. „wir bestrafen Menschen nicht einfach aufgrund irgendwelcher aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen. Bitte glaub mir, dass ich solche Vorwürfe sehr sorgfältig prüfe. Insbesondere bei deiner Vorgeschichte."

Sie wagte nicht darauf hinzuweisen, dass Dominic mit Sicherheit in der Lage wäre Beweise sehr sorgfältig zu manipulieren. Irgendetwas plante der Mistkerl, da war sie sicher!

Vorerst war Caroline erleichtert, dass ihr Vormund nicht mehr wütend wirkte. Und das sollte bitte so bleiben! Mit Schweigen würde sie zumindest nicht noch mehr kaputt machen. Das explosive Gemisch aus Wut und Angst, das seit gestern in ihrem Innersten gärte, war keine gute Basis für ein Gespräch.

„Es freut mich, dass deine erste Tanzstunde erfolgreich war." Thomas hatte leider nicht vor, den Spaziergang durch die Schlossanlagen wortlos zu verbringen.

„Ähm, ja." Was sollte sie darauf schon antworten? „Hast du mit Jean gesprochen?"

„Nein. Ich habe die letzte halbe Stunde damit verbracht euch zuzuhören."

Caroline blieb wie angewurzelt stehen.

Sie und Jean hatten die große Tür des Saals nicht verschlossen und gelegentlich waren Leute vorbei gekommen, aber sie hätte niemals damit gerechnet, dass jemand lauschen würde. Warum fühlte es sich an, als hätte er sie hintergangen? Sie müsste sich längst daran gewöhnt haben, dass er kam und ging, wie es ihm passte. Daran, dass sie keine Privatsphäre mehr hatte, außer der, die er ihr einräumte.

„Wieso hat dich das interessiert?", fragte sie, in der Hoffnung, dass ihre Stimme nicht allzu brüchig klang.

„Ich wollte wissen, wie es dir nach gestern geht. Wie du dir unser Gespräch zu Herzen genommen hast und ob du..." Er hatte sich zu ihr umgedreht und brach ab, als er ihren Ausdruck sah.

Sie musste sich zusammenreißen. Man sah ihr den Schmerz und die Wut wohl deutlich an.

„Du wolltest wissen, ob ich es verkrafte, wenn du so mit mir sprichst, oder? Ob ich deine Anweisungen umsetze. Ohne zu schmollen und anderen das Leben auch schwer zu machen." Sie lächelte ihn an, so gut es ging ohne künstlich zu wirken. Es war ein hoffnungsloser Versuch.

„Caroline." Er kam näher, hob seine Hand zu ihrer Wange und strich sanft darüber.

Wie selten er sie bisher bewusst berührt hatte. Beim Prozess. Nach ihrer Bestrafung, als er die Salbe aufgetragen hatte. Bei der Blutentnahme. Schließlich gestern, als er sie so fest gepackt hatte, dass sie sich trotz der Hitze für ein Langarmshirt entschieden hatte.

Das sanfte Streicheln ihrer Wange war die einzige willkürliche Berührung, die keinem Zweck diente. Es löste in ihr keine unmittelbare Angst aus, rief allerdings deutlich in Erinnerung, dass er das jederzeit tun konnte, wenn ihm danach war. Unabhängig davon, ob es sie wollte oder nicht.

Ein Bruchteil ihrer Gefühle musste nach außen gedrungen sein, denn er vollendete die Bewegung nicht, sondern ließ die Hand sinken und trat einen Schritt zurück.

Kristallinsel - Gefangene der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt