Epilog

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„Thomas, welch freudige Überraschung!" Maria erwartete ihn im Esszimmer ihrer prächtigen Stadtvilla mit einem breiten Lächeln. „Kann ich dir etwas anbieten? Louis ist gerade dabei das Dessert zu servieren."

„Für ein paar Minuten deiner Zeit wäre ich dankbar. Unter vier Augen." Er wies durch die Terrassentür in den Garten. „Wollen wir ein paar Meter gehen?"

„Was immer dir beliebt!" Maria erhob sich und gab ihrem Mündel einen Wink, auf den es sich mit dem silbern glänzenden Tablett in Händen und einer leichten Verbeugung zurückzog.

Die Sonne berührte fast den Horizont. Bald wurde die blaue Stunde anbrechen.

„Ich weiß, was du versuchst, und möchte dich wissen lassen, dass es zwecklos ist." Er sparte sich den Smalltalk und kam direkt zur Sache. „Weder die Wache, die Wissenschaftler, Caroline oder auch nur ansatzweise die Mehrheit des Parlaments, werden sich gegen mich und meine Politik wenden."

„Thomas!" Sie lachte leise. „Was denkst du dir wieder aus, mein junger Freund. Wenn ich es darauf abgesehen hätte, die Loyalitäten deiner Unterstützer zu untergraben, wäre das bereits geschehen. Ich habe weder etwas gegen dein neues Spielzeug noch gegen deine Politik." Das breite Lächeln ließ ihre Augen unberührt. 

„Du hast durchaus etwas gegen die ein oder anderen Gesetze, die deine persönlichen Vorlieben einschränken. Das hast du mehr als deutlich gemacht."

„Persönliche Vorlieben, sagst du? Naturgegebene Begierden und Ansprüche, sage ich. Sind wir uns einig, dass wir uns dahingehend uneins sind." Sie hatten die aus Naturstein geformte Terrasse hinter sich gelassen und schlenderten einen schmalen Kiesweg entlang, durch die Blumenpracht des Gartens. 

"Ist es, nur wegen ein paar verunglückter Menschen notwendig, mit Hausdurchsuchungen und Misstrauen die Gräben tiefer zu ziehen, als sie ohnehin schon sind?" Sie warf ihm einen herausfordernden Seitenblick zu. "Man könnte fast meinen, du würdest es selbst darauf anlegen, den Kreis deiner Unterstützer auszudünnen."

„Darf ich dich daran erinnern, dass es da draußen eine ganze Welt gibt, in der du dich uneingeschränkt ausleben kannst, meine Liebe. Es zwingt dich niemand hier zu sein und dich an unsere Regeln zu halten." 

„Das tust du allerdings! Indem du die Technologie, die uns das Wandeln im Sonnenlicht ermöglicht, unter Verschluss behältst! Gib uns die Daten, ein paar gute Leute und wir ziehen unserer Wege."

Sie waren an der niedrigen Mauer, die den begradigten Garten abgrenzte und auf der anderen Seite einige Meter in die Tiefe führte, angekommen. Der Ausblick über die Dächer New Blackburns und den golden schimmernden Ozean war atemberaubend. Sie hatten ein wundervolles Fleckchen Erde als Heimat gewählt.

„Ihr stellt das Vermögen, wir die Technologie. Das war die jüngste Vereinbarung. All unsere bisherigen Bündnisse waren auf Geben und Nehmen angelegt. In letzter Zeit hat sich das Verhältnis, wie viel gegeben und wie viel genommen wird, deutlich verschoben."

„Vorsicht Thomas." Die schmalen dunklen Augenbraugen zogen sich gefährlich zusammen. "Unterschätze nicht unseren Anteil. Ich war bereits Jahrhunderte in dieser Welt, als du an der Brust deiner Mutter gehangen hast! Ich habe Kämpfe gefochten und Kriege geführt, als du lediglich ein wertloser rechtloser Bauernknabe warst. Glaub nicht, dass du noch hier wärst oder weiter bestehen könntest, ohne meine Unterstützung!"

Es war selten, dass er sie aufgebracht erlebte. Es musste bereits Jahre, wenn nicht Jahrzehnte her sein, dass er sie hatte die Stimme erheben hören. Es befriedigte ihn zutiefst, dass es ihm gelungen war ihre synthetische Freundlichkeit zu durchdringen. 

„Maria, was denkst du dir nur wieder aus, liebe Freundin", lächelte er sie an. Auf ihren Bluff würde er nicht eingehen. Sie wussten beide, dass die Zeiten, in der sie ihm hätte das Wasser reichen können, vorüber waren. "Ich würde dich niemals unterschätzen. Ich möchte dich lediglich daran erinnern, dich an unsere Regeln zu halten und außerdem keine Menschen vor den Augen meines Schützlings zu Tode zu foltern."

Kristallinsel - Gefangene der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt