10. Kapitel 6.3 - Der Gerichtsprozess

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„Nun." Der König erhob sich nach dem Beschluss. „Gibt es jemanden, der Caroline anbieten möchte, ihrer oder seiner Familie beizutreten?"

Schweigen erfüllte den Raum, bis der Mann in Lila sich erhob.

Sie hatten ihn Maurice genannt, oder?

„Du hast bereits fünfundzwanzig Mündel. Deine maximale Kapazität ist erreicht und du kannst dich gleich wieder hinsetzen, Menschenfreund!", giftete ein Mann neben Dominic ihn an.

„Danke für die Erinnerung, Felix." Maurice verbeugte sich spöttisch in seine Richtung. „Es geht mir nicht darum das Angebot auszusprechen. Ich möchte dir, Caroline, nur sagen, dass ich dich für unschuldig halte und dir gerne eine Chance im Rahmen meiner Familie gegeben hätte. Aus genanntem Grund ist es leider nicht im Bereich des Möglichen, aber ich möchte meine Hoffnung kundtun, dass sich jemand meldet." Seine Stimme hob sich leicht. „Ich fand es sehr spannend dich heute kennen zu lernen und habe den Wunsch, das weiterzuführen."

Er setzte sich und Caroline hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Ein tief empfundenes Danke war alles, was sie herausbrachte. Wie gut es tat, dass ihr jemand freundlich gesonnen war. Es war Balsam für ihre, von Todesangst und Demütigung geschundene Seele.

Nach einigen Sekunden erhob sich die blaugewandete Frau, die seit ihrem Kommentar zu Beginn nichts mehr gesagt hatte.

„Daran kann mich nur anschließen. Mein Name ist Maria und ich fand es ebenfalls sehr spannend", sprach sie sanft. „Zwar bin ich nicht absolut von deiner Unschuld überzeugt, doch glaube ich, dass du mit der richtigen Lenkung zu einem wertvollen Mitglied unserer wundervollen Gemeinschaft werden könntest. Ich möchte dir daher einen Platz in meiner Familie als mein Mündel anbieten." Sie lächelte und ihre Augen strahlten.

Wolltest du mich nicht eben noch brennen sehen?

Caroline sah sich um. Sie bemerkte wie Maurice sich auf die Unterlippe biss und die Arme verschränkte. Damien blickte wütend und, das bildete sie sich wahrscheinlich ein, besorgt. Rebekka schüttelte nahezu unmerklich den Kopf. Wenn sie nicht ihre Intuition gewarnt hätte, das war deutlich. Thomas sah die Frau an, sein Gesicht blieb für Caroline jedoch nicht interpretierbar.

Sie trat einen Schritt auf Maria zu und lächelte ebenfalls.

„Danke My Lady, ich weiß das sehr zu schätzen", begann sie höflich. „Für mich ist dieses Konzept und Ihr als Wesen aus Mythen und Sagen noch fremd."

Maria nickte verständnisvoll.

„Was ich allerdings in Grundzügen begreife, ist dass ich nicht auch nur ansatzweise in der Lage bin Eure Motive, Werte, Loyalitäten und Agenden zu verstehen. Von Wesen, die sich nicht nur körperlich fundamental von uns unterscheiden, sondern auch in allem anderen. Wenn ich nur versuche mir vorzustellen, nicht nur zwei Weltkriege, sondern auch Hungersnöte, Hexenverfolgung, uneingeschränkte Herrschaft der Kirche und Vernichtung halb Europas durch die Pest erlebt zu haben. Ich wüsste nicht, wie mich das geprägt hätte." Sie schüttelte in gespielter Verwirrung den Kopf. „Wenn Themen wie Gleichberechtigung, Demokratie, Trennung von Staat und Kirche, Anerkennung der Wissenschaft erst in jüngster Vergangenheit aufgetaucht wären und auch dann nur eine untergeordnete Rolle in meinem Leben gespielt hätten."

Marias Lächeln war verschwunden, doch Caroline trat betont gelassen einen Schritt näher und fuhr unbeirrt, nun mit leiser Stimme, fort.

„Ich bin sicher, Ihr habt über die Jahrhunderte hinweg genug Erfahrung und Methoden gesammelt, die mich - natürlich im Rahmen aller Eurer Regeln und Gesetzte - nach dem Scheiterhaufen betteln lassen werden. Falls Ihr also glaubt, ich würde auch nur den Bruchteil einer Sekunde erwägen, mich zum Spielball einer Person zu machen, die keine Skrupel hat solche Methoden zur Lenkung einzusetzen und ganz offensichtlich auf Vergeltung aus ist, habt ihr euch geirrt."

Kristallinsel - Gefangene der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt