32. Kapitel 15.3 - U wie Unbefriedigend!

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Als es Nacht wurde, hatte sie sich so weit beruhigt, dass sie sich mit dem Buch beschäftigen konnte, das sie mitgenommen hatte. Es war ein altes deutsches Märchenbuch der Gebrüder Grimm, ein sehr früher Druck. Es erzählte die Märchen auf die brutale und ursprüngliche Art, in der sie verfasst wurden, bevor man sie an heutige Verhältnisse angepasst hatte.

Caroline war gerade an der Stelle angekommen, an der Rapunzels Prinz in die Dornen stürzte und sie ihm die Augen ausstachen, als sich die Türe zu ihrem Wohnzimmer öffnete. Behutsam schloss sie das Buch und hob langsam den Blick. Thomas war vor ihr stehen geblieben und sah sie ernst an.

Sie wollte losplappern und ihn fragen, ob Damien zu ihm gekommen und ihm erzählt hatte was geschehen war. Sie wollte sich entschuldigen, ihn fragen, ob alles in Ordnung war und wie sie in Zukunft mit solchen Situationen umgehen würden.

Aber sie zwang sich zu schweigen, die Stille auszuhalten. Manchmal, nein meistens, war es besser in kritischen Situationen den Mund zu halten und abzuwarten in welche Richtung das Gegenüber lenkte.

„Damien war eben bei mir", begann er nach einer Weile, als sie ihn nur schweigend ansah. „Gibt es etwas, worüber du mit mir sprechen willst?"

„Ich vermute nichts, was er dir nicht bereits gesagt hat", antwortete sie ausweichend und senkte den Blick.

„Ich möchte gerne wissen, wie deine Perspektive ist." In seiner Stimme schwang Ungeduld mit.

„Okay," sie sah ihn an. „Wir haben uns in der Bibliothek geküsst und wahrscheinlich hätten wir miteinander geschlafen, wenn Rebekka uns nicht unterbrochen hätte. Zwischen uns funkt es schon eine Weile, aber wir haben nicht erwartet, dass so schnell etwas passieren würde. Damien hat gesagt er wollte darüber mit dir sprechen."

Sie hoffte das würde ausreichen. Tiefer in ihre Gefühlswelt wollte sie wirklich nicht eintauchen.

„Und was genau glaubst du tut ihr da? Was erwartest du dir davon?"

War er etwa wütend? Welches verdammte Recht hat er wütend zu sein?

„Was meinst du? Ich erwarte gar nichts!"

„Das heißt, es ist vollkommen in Ordnung für dich, wenn Damien dich eine Weile benutzt, dann fallenlässt und ihr weiter zusammen im selben Gebäude wohnt, wo ihr euch täglich seht. Du wirst trotzdem weiterhin deinen Aufgaben nachkommen und es wird in keiner Weise beeinflussen, wie unser Alltag vonstatten geht?"

Ah, daher weht der Wind. Caroline lächelte.

„Du gehst also davon aus, dass Sex etwas ist, was mir angetan wird. Etwas, das mein Leben verändert, mich in eine Abhängigkeit bringt, mich die Kontrolle über meine Gefühle verlieren lässt?"

Der Gesichtsausdruck ihres Gegenübers veränderte sich. Thomas wirkte nicht mehr aufgebracht, sondern gespannt. Außerdem meinte sie Mitgefühl zu erkennen. Er setzte sich ihr gegenüber.

„Nicht nur Sex. Frauen verbinden damit oft Gefühle für den Partner mit dem ..." Er unterbrach seine verständnisvoll vorgetragene Rede, als sie in herzliches Lachen ausbrach. „Was ist so witzig?"

„Eigentlich nichts. Glaub mir bitte, ich kann sehr gut zwischen Sex, Gefühlen und einer Professionalität im Alltag trennen." Sie legte den Märchenband beiseite und wendete sich ihm komplett zu. „Ich sage das nicht nur aus dem Wunschdenken heraus, dass ich es bestimmt hinkriegen werde, sondern weil ich es aus konkreten Erfahrung weiß."

„Ist das so?" Er lehnte sich zurück.

„Ja. Ist es." Sie zögerte kurz. "Aber nur aus Interesse, hat Damien tatsächlich das Wort benutzen in den Mund genommen, oder war das deine Interpretation?"

Kristallinsel - Gefangene der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt