33. Kapitel 16.1 - Von schwanzlosen Katzen und diebischen Elstern

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Wie Thomas angekündigt hatte, teilte Isy ihr am nächsten Tag beim Frühstück mit, wann und wo Carolines erster Tanzunterricht stattfinden würde.

Sie traf Jean und Petra am späten Nachmittag in einem kleinen, etwa fünfzig Quadratmeter großen Saal im Haupthaus.

Der gebürtige Kanadier war in den Vierzigern und sah aus, als hätte er jahrelang professionell Ballett getanzt. Seine Bewegungen waren grazil und Caroline hätte es nicht gewundert, würde er plötzlich abheben und mit Leichtigkeit durch die Lüfte gleiten.

Sie fragte sich, wie schnell er an ihrer Unfähigkeit sich Schrittfolgen zu merken, verzweifeln würde.

Petra dagegen stammte aus Österreich und was ihr an Eleganz fehlte, glich sie durch Strenge und Disziplin aus. Sie war ebenfalls schon einige Jahrzehnte auf der Insel und dafür verantwortlich Carolines Manieren auf Vordermann zu bringen.

„Du bist Mündel des Königs und als solches wirst du Kontakt zu sämtlichen Nobles, Lords und Ladys haben, du wirst Gäste aus aller Welt treffen und somit ist es für deinen Alltag unausweichlich, dass dir die angemessenen Umgangsformen in Fleisch und Blut übergehen. Es wird ..." Die steife Dame musste nicht mal Luft holen um ihren Auftrag vollständig herunterzurattern.

Caroline machte sich trotz des strengen Tons keine Sorgen. Sie war mehr als motiviert alles zu lernen, was diese verrückte Welt, in der sie gelandet war, erklärte.

Sie hatte das Gespräch mit Thomas noch nicht verkraftet, doch es gelang ihr die Angst, die er ausgelöst hatte, für den Moment zu verdrängen. Es gab nichts, was sie tun konnte, außer ihren Beitrag so gut es ihr möglich war zu leisten.

Petra hatte sich schnell wieder verabschiedet. Ihr Unterricht fand an den Vormittagen statt, an denen Caroline nicht im Labor arbeitete. Jean kündigte an, sie an vier Abenden in der Woche für mindestens anderthalb Stunden trainieren zu wollen. Offensichtlich hatte er vor, ohne Verzögerung loszulegen.

„So Chéri, beginnen wir bei der Basis, damit ich sehen kann, wo wir anfangen müssen." Er ging mit einer fließenden Bewegung in die Knie. Seine Glieder schienen aus Wasser und seine Gelenke aus Wachs zu bestehen. Die Realität bog sich um ihn herum, als wollte sie ihm bei seinem Gleiten nicht im Weg sein.

Er forderte sie mit einer Handbewegung auf den Knicks nachzumachen. Wenn sie sich vorher schon ungelenk vorgekommen war, war das nichts im direkten Vergleich zu ihm. Sie mied den Blick in den bodentiefen Spiegel, als sie versuchte ihn zu imitieren.

„Nicht schlecht, nicht schlecht. Ich glaube das machen wir noch zwei oder dreimal." Er klang nicht erzürnt, sondern so aufrichtig motiviert es ihr beizubringen, dass sie lachen musste.

„Ja bitte?" Er hob fragend die Augenbrauen. Selbst das sah zum Niederknien aus.

„Ich bin nicht aus Zucker, du kannst mir gerne sagen, wenn es hoffnungslos ist."

„Ah Schätzchen, niemand ist hoffnungslos. Ich sorge dafür, dass du nicht nur den gesamten Hofstaat sondern auch den König selbst beeindrucken wirst."

„Das sind hohe Ziele. Wie viele Jahre hast du dafür eingeplant?" Sie verschränke die Arme und sah ihn lächelnd und mit schief gelegtem Kopf an.

„Oh, der erste große Ball für Gäste ist in zwei Monaten angesetzt." Er lachte, als ihr die Gesichtszüge engleisten. „Keine Sorge, bis dahin gleitest du dahin wie der wunderschöne Schwan, der in dir schlummert!"

„Der Schwan liegt im Koma. Es braucht mit Sicherheit etwas mehr als ein paar Stunden Training, damit er aufwacht", murmelte sie grummelig.

Der unangenehme Knoten in ihrem Bauch erinnerte sie daran, dass es in ihrem eigenen Interesse war ihr Bestes zu geben und nicht jede Person zu vergraulen, die ihr helfen wollte. Jean konnte ja nichts dafür, dass Thomas ein kontrollsüchtiger Arsch war! Sie warf einen schnellen prüfenden Blick auf ihren Arm. Der lange Ärmel ihres Shirts verbarg die kleinen, jedoch deutlich sichtbaren blauen Flecken zuverlässig.

Kristallinsel - Gefangene der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt