11. Kapitel 6.4 - Der Gerichtsprozess

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In dem Tumult beugte Thomas sich etwas zu Caroline herunter.

„Nicht vergessen zu atmen!", flüsterte er ihr mit einem angedeuteten Lächeln auf den Lippen zu.

Ihr fiel erst bei seinen Worten auf, dass sie seit seinem Angebot keinen Atemzug getan hatte. Hastig saugte sie Luft ein und verschluckte sich prompt an einem Tropfen ihres eigenen Speichels. Hustend rang sie um Fassung und als sie aufblickte war die Andeutung zu einem sehr sichtbaren Lächeln geworden. Etwas belustigt aber vor allem freundlich.

Was zur Hölle soll ich jetzt bloß machen?

Sie hatte ihn völlig außen vor gelassen, nicht mal darüber nachgedacht, dass er als König der Vorsitzende, also auch Mitglied des Parlaments war. Tags zuvor hatten sie diskutiert, dass nicht nur Eva, sondern auch der König selbst zu den Vampiren gehörten, die keine Mündel besaßen. Caroline hatte die Geschwister als jenseits des Systems klassifiziert. Anscheinend lag sie damit falsch.

„Warum tust du das? Was willst du von mir?", flüsterte Caroline. Sie musste Zeit zum Nachdenken gewinnen!

Er lächelte sie unverändert an und sie bemerkte ihren Fehler. Sie hatte eben den König geduzt! Reflexartig schlug sie sich die noch immer gebundenen Hände vor den Mund und wollte sich korrigieren, er winkte jedoch ab.

„Ich habe während der letzten halben Stunde mehr über die Realität der Menschen, die neu zu uns kommen, erfahren als den letzten fünfundzwanzig Jahren. Um ehrlich zu sein hat sie mich, im Vergleich zu anderen dringlicheren Themen wenig interessiert. Es ist Zeit das zu ändern." Er sprach leise und doch konnte sie ihn gut verstehen.

Der Tumult hatte sich kaum gelegt und es war, als würden sie sich unter vier Augen unterhalten.

„Es ist selten, dass wir Menschen deines Alters ohne guten Grund neu zuführen. Es ist einfacher sich anzupassen, wenn man jung ist. Gleichzeitig wird wenig Neues eingebracht und alte Ideen werden nicht, in angemessenem Maße natürlich, herausgefordert."

Er trat noch ein wenig näher.

„Korrigier mich bitte, wenn ich falsch liege, aber ich habe den Eindruck, du hast einiges zu unseren Ideen und Konzept zu sagen, oder?"

Sie antwortete nicht unmittelbar, nickte aber schließlich zögerlich.

„Gut. Außerdem bin ich, offen gesagt, kein Anhänger der Todesstrafe."

Er trat etwas zurück und blickte sich kurz um. Die Geräusche legten sich weiter und immer mehr Personen schauten gespannt in die Mitte des Ovals.

„Was sagst du?" Es lag nun kein Lächeln mehr auf seinen Lippen.

Er wirkte noch immer freundlich, doch sie war sicher, dass er nun eine Antwort von ihr brauchte. Es war zu wenig Zeit. Sie hatte keine Zeit sich die Pros und Contras aufzulisten, zu werten, abzuwägen, so lange hin und herzuschieben, bis sie sich mit dem Ergebnis wohl fühlte. Sie hatte keine Nacht, die sie darüber schlafen konnte, um erfrischt neue Sichtweisen einzunehmen. Sie hatte keine Zeit um mit jemandem über das Für und Wider zu sprechen.

Was sie jetzt tun musste, war eine reine Bauchentscheidung zu treffen und sie hasste es!

Hilfesuchend schaute sie sich um. Sie sah das strahlende Gesicht von Maurice und das überraschte von Rebekka. Damiens und Evas Ausdruck konnte sie nicht einordnen. Sie sah nichts, was ihr weiterhalf.

„Okay." Sie blickte Thomas nicht an, sondern auf den Boden vor seinen Füßen. Fast hoffte sie er hätte das Flüstern nicht gehört.

„Bedeutet das du stimmst zu?" Er hatte seine Stimme kein bisschen erhoben und doch kam es ihr vor, als würde er schreien. Um sie herum wurde es vollkommen ruhig.

Kristallinsel - Gefangene der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt