3. Kapitel 3 - Was Bluten Kann, Kann Auch Sterben

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Da waren bestimmt dicke Blutergüsse an ihrem Hals. Sie hatte keine Möglichkeit nachzusehen, aber sie konnte den Kopf nur unter Schmerzen bewegen und wenn sie seitlich an der Kehle entlangfuhr, fühlte die Haut sich empfindlich geschwollen an. Die Sneaker waren noch immer komplett durchnässt und das Shirt klebten feucht am Körper. Immerhin schenkte die winddichte Jacke ein klein wenig Wärme. Ihre Umhängetasche vermisste sie. Die kleine Nagelschere in ihrem Make-up-Täschchen wäre verdammt nützlich gewesen.

Im trüben Schein der flackernden Leuchtstoffröhre, blickte sie auf die gefesselten Handgelenke und machte sich wieder an der dünnen Stelle direkt unter dem Knoten zu schaffen. Der Ring an der feuchten Wand war offenbar in Eile  angebracht worden. Eine Kante der Metallplatte darunter stand wenige Millimeter ab. Sie war nicht scharf, aber  spitz genug, um das Seil mit jeder Reibung etwas mürber zu machen. Eine Faser nach der anderen löste sich. Wenn es nur nicht so schrecklich schmerzen würde. Die Stricke waren eng gebunden, sodass die Haut von den Bewegungen langsam aufging und zu wässern begann. 

Das Gefährt ächzte wieder und unwillkürlich huschte Carolines Blick hinüber zu Isy. Trotz der harten unbequemen Pritsche schlief das Mädchen tief und fest. Mit Sicherheit waren die Betäubungsmittel mit dafür verantwortlich, dass keines der Geräusche sie aufzuwecken vermochte. 

Tränen traten in ihre Augen und sie zog die Brauen so verzweifelt zusammen, dass die steile Falte auf der Stirn sich nie wieder glätten würde. Sie sah von den Handgelenken ein Stück weiter den Arm entlang. An der weichen Innenseite prangte eine kleine rote Sichel. Die Frau hatte sie wirklich geschnitten. Hatte sie das Blut zwischen den Fingerspitzen verrieben? Was war hier nur los? Organhändler kamen ihr in den Sinn. Dann würde auch der Kommentar, dass sie alt sei Sinn ergeben. Wobei, mindestens ein weiterer Gefangener passte nicht in das Beuteschema. Auch wenn es nicht die geringste Rolle spielte, fühlte Caroline sich gekränkt. Einunddreißig war nicht alt! Mit schmerzverzerrtem Gesicht machte sie sich wieder daran, ihre Fessel aufzureiben.

Die Entführerin war nur einmal erschienen, hatte Toilettengänge angeboten und Wasser gebracht. Sie mussten also sicher einige Stunden unterwegs gewesen sein als sich fast unmerklich etwas änderte. Die Motoren waren immer leiser geworden und röhrten nun plötzlich auf Hochtouren. Die Fahrtrichtung schien sich ebenfalls geändert zu haben, auch wenn Caroline aufgrund der geringen Beschleunigung nicht sicher war.

KRRRK! Ein lautes Krachen hallte durch das Gefährt, gepaart mit einem heftigen Ruck, der sie aufschreien ließ. Auch die anderen schreckten hoch und sahen sich ängstlich um. Isy war endlich wach und sah sich mit schreckensgeweiteten Augen um. Sie und ein kurviges Mädchen mit schwarzem krausem Haar pressten sich eng an die Wand, als wollten sie damit verschmelzen.

Die plötzliche Bewegung, so schmerzhaft sie für ihre geschundenen Handgelenke war, hatte die mürbe Stelle am Seil weiter aufgerissen, sodass es nur noch an ein paar dünnen Fäden zusammenhing. Wenn Caroline sich durchringen konnte, die Handgelenke ruckartig auseinanderzuziehen, würde es mit Sicherheit reißen. Jetzt musste sich nur noch eine Situation ergeben, in der ihr freie Hände nutzen würden. Vielleicht würde man sie, nachdem die Ketten gelöst waren, eine Weile allein lassen? Vielleicht könnte sie ...

Das hässliche Quietschen der Metalltür unterbrach ihre dürftigen Fluchtpläne. Schnell verdeckte sie die aufgeriebene Stelle des Seils als die Kidnapper den Raum betraten.

Die Frau trat als erste ein. Ihr schwarzes Haar war zu einem strengen Knoten zusammengebunden, aus dem sich in der Zwischenzeit einige Locken gelöst hatten. Ihr Gesichtsausdruck war wie zuvor emotionslos. Carolines Herz setzte einen Schlag aus, als das Raubtier eintrat, das sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt hatte. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin musste er den Kopf dabei einziehen. Ihm nach folgte ein noch größerer Mann, der einem Actionfilm entsprungen zu sein schien. Sein blondes Haar war kurz geschnitten. Er trug ein Muskelshirt, Cargohosen und Springerstiefel.

Kristallinsel - Gefangene der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt