Wer ist eigentlich Paul?

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„Es war eine gute Entscheidung die Präsentation von Simon halten zu lassen“, stellte Mr. Jenkins fest und blätterte in seinen Unterlagen. Nike war erleichtert, dass sie die ARCO-Bank tatsächlich als Neukunden hatten gewinnen können. Das Grundgerüst des Systems stand, der Kunde war überaus zufrieden und die Zusammenarbeit mit Mr. Jenkins fand ausschließlich auf professioneller Ebene statt. Sie schätze den fachlichen Austausch mit ihm und genoss es gefordert zu werden. Besser hätte es nicht laufen können. Keiner der Beiden hatte ein Wort über das was zwischen ihnen geschehen war verloren und dennoch musste sie sich eingestehen, dass sie hin und wieder an die Berührungen ihres Chefs dachte. Er war ein extrem attraktiver und ausgesprochen intelligenter Mann, der ihr in fachlicher Hinsicht immer wieder die Stirn bot und genau das sprach sie unheimlich an: „Ich würde heute gerne pünktlich um 12 Uhr Mittagspause machen, wäre das in Ordnung?“, fragte Nike ruhig, bevor sie das Büro ihres Chefs verließ. Mr. Jenkins sah von seinen Papieren hoch, lächelte knapp und nickte: „Selbstverständlich“.

Nike platzierte grade das letzte Dokument in der Unterschriftenmappe für Mr. Jenkins, als sie ein Klopfen an ihrer Tür vernahm. „Ja bitte“, antwortete sie beiläufig ohne wirklich aufzusehen. „Hey Sweetie“, vernahm sie die ihr inzwischen bekannte Stimme. Erstaunt blickte sie auf. Vor ihr stand ein athletischer, muskulöser junger Mann mit brauner Kurzhaarfrisur und blauen Augen. „Paul, was machst du denn hier?“, wollte sie verwirrt wissen. „Wir haben schon 12:10 Uhr. Wir waren doch um 12 Uhr verabredet. Da dachte ich, ich hole dich einfach ab.“, erwiderte er selbstsicher. Nike traf sich nun seit ein paar Wochen auf eher, zumindest für sie, lockeren Basis mit Paul. Dass er sie nun tatsächlich im Büro abholen wollte, fühlte sich für sie eher nach einer Grenzüberschreitung an.

„Nike, wollten Sie heute nicht pünktlich um 12 Uhr in der Pause sein?“. Mr. Jenkins stand im Türrahmen seines Büros, warf einen Blick auf die Uhr und bemerkte erst kurz darauf Nikes Besuch. „Ich habe noch die Unterschriften fertig gemacht“, entgegnete sie etwas verlegen. „Und Sie sind?“, fragte er höflich, nachdem er seine Unterschriftenmappe von Nike entgegengenommen hatte. Noch bevor Nike etwas erwidern konnte, trat Paul auf ihren Chef zu und streckte ihm die Hand entgegen: „Paul“ grinste er selbstbewusst, als Mr. Jenkins seine Hand ergriff: „Jenkins“, erwiderte dieser höflich. Die beiden Männer so nebeneinander zu sehen gab ein abstraktes Bild ab. Mr. Jenkins, gewohnt gut gekleidet in einem perfekt sitzenden Anzug und ihm gegenüber Paul, welcher eine figurbetonte Jeans und ein hautenges Shirt trug, um seinen im Fitnessstudio gestählten Oberkörper regelrecht zur Schau zu stellen. „Ich wollte mein Mädchen abholen“, fuhr Paul nun selbstverständlich fort. Für einen kurzen Moment glaubte Nike eine Veränderung in Mr. Jenkins Blick zu erkennen. Wie gerne wäre sie im Erdboden versunken.
„Ich möchte nicht, dass du mich im Büro abholst“, stellte Nike klar und biss in ihr Sandwich. Paul sah sie sichtlich verwirrt an. „Weshalb nicht?“, hakte er nach und stocherte in seinem Salat herum. „Das ist meine Arbeit, Paul. Meine Kollegen müssen nicht wissen mit wem ich mich so in meiner Freizeit treffe“. „Für mich brauchst du dich nun wirklich nicht zu schämen.“, erklärte er selbstsicher. Nike zögerte: „Darum geht es doch auch gar nicht. Es ist einfach unprofessionell.“ Er nickte und zuckte mit den Schultern: „Von mir aus, wenn dir das so wichtig ist.“ Nike lächelte zufrieden. „Das ist es.“ Paul überlegte kurz: „Wer ist dieser Jenkins?“ „Unser Chief Executive Officer“, antwortete sie beiläufig und biss erneut in ihr Sandwich. Fragend sah Paul sie an: „Euer was?“. Sie stockte: „Unser CEO, also mein Chef“, fuhr sie, fast erschrocken darüber, dass ihr gegenüber diese Betitelung nicht kannte, erklärend fort. Paul war ein wirklich netter junger Mann und es harmonierte vor allem in körperlicher Hinsicht wunderbar, allerdings definierte er sich deutlich mehr über seine Muskeln als über seinen Verstand, womit Nike hin und wieder ihre Schwierigkeiten hatte. Sie liebte es eigentlich anspruchsvolle Diskussionen über die aktuellen wirtschaftlichen oder politischen Geschehnisse zu führen, aber darauf musste sie mit Paul eher verzichten.  

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„Nike, wollten Sie heute nicht pünktlich um 12 Uhr in der Pause sein?“, bemerkte Luis ruhig, und warf einen Blick auf seine Uhr. Erst einen Augenblick später bemerkte er den Mann in seinem Vorzimmer, welcher ihm fast gegenüberstand. Er war nicht besonders groß, jedoch recht muskulös. Eher ein Typ Mann, der seine Abende im Fitnessstudio verbrachte und das auch mit seiner körperbetonten Kleidung zur Schau stellen musste. „Ich habe noch die Unterschriften fertig gemacht“, rechtfertigte sich seine Assistentin fast schon verlegen. Ihr schien die Situation mehr als unangenehm zu sein. „Und Sie sind?“, hakte er höflich nach, obwohl es in Luis Augen die Aufgabe seines Gegenübers gewesen wäre sich vorzustellen. „Paul“, grinste er überzogen und streckte ihm seine Hand entgegen. „Jenkins“, entgegnete er möglichst höflich und musterte sein Gegenüber. „Ich wollte mein Mädchen abholen“. Er stockte kurz. Dieser Mann war der Freund seiner Assistentin? Wie konnte es sein, dass eine so unglaublich intelligente und anspruchsvolle Frau einen solch aufgeblasenen Macho an ihrer Seite hatte.

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