Augenblick

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Ein leises Klopfen an ihrer Bürotür ließ Nike aufschauen. „Ja bitte“, bemerkte sie beiläufig. Es war ungewöhnlich, dass jemand tatsächlich eine Rückmeldung abwartete, bevor er eintrat. „Guten Morgen“. Eine junge Frau, vielleicht Mitte 20 betrat ihr Büro und lächelte sie höflich an: „Mein Name ist Emma Wilson, ich habe um 9 Uhr einen Termin bei Mr. Jenkins“. Ein wenig verwirrt sah sie auf den Kalender neben sich. Es war kein Termin eingetragen. Emma musste ihre Irritation bemerkt haben: „Ich habe mich für mein Praxissemester hier beworben“, erklärte sie ruhig. Nike lächelte: „Bitte warten Sie kurz“, forderte sie die junge Frau auf, klopfte an Luis Tür und wartete seine Antwort ab, bevor sie eintrat: „Mr. Jenkins“, sprach sie ihren Chef höflich an, welcher sie musterte. „In meinem Büro wartet eine Miss Wilson, sie sagt sie hätte einen Termin.“ Ihr Gegenüber lächelte und erhob sich: „Das ist richtig, danke“. „Mister Jenkins“, sprach Nike Luis erneut an, welcher erwartungsvoll direkt neben ihr stehen blieb. Sie stockte, als ihr der Geruch seines Aftershaves in die Nase stieg, ein Geruch, den sie nur zu gut kannte. Sofort schossen Erinnerungen in ihren Kopf, welche sie die letzten Monate sorgfältig zu vergraben versucht hatte. „Bitte?“, riss er sie aus ihren Gedanken und sah sie gespannt an. Nike atmete tief durch, sammelte sich: „Wenn Sie keine Doppelbelegungen in ihrem Terminkalender möchten, sollten Sie mich zumindest über ihre Termine in Kenntnis setzen.“ bemerkte sie nun wieder gefasst und sah ihm unmittelbar in seine hellgrauen Augen. Nike glaubte ein leichtes Schmunzeln auf seinen Lippen zu erkennen, während er ihren Blick für einen Moment erwiderte: „Natürlich“, bemerkte er ruhig, wandte sich ab und verließ sein Büro.

„Luis Jenkins“, stellte er sich höflich vor, als er bei der jungen Dame ankam. „Guten Morgen“, grüßte sie ebenfalls, nahm seine Hand entgegen und lächelte verlegen: „Emma Wilson“. Er deutete freundlich auf sein Büro und sah kurz zu Nike: „Würden Sie dazukommen, Nike?“. Verwirrt sah sie ihn an und nickte knapp. „Gerne“.

„Das ist meine Assistentin, Nike Davis, ich hoffe es ist in Ordnung für Sie, wenn sie ebenfalls an dem Gespräch teilnimmt“, erklärte er ruhig, nachdem sie sich am Besprechungstisch niedergelassen hatten. Emma nickte: „Natürlich“. „Ihr Vater hat mir berichtet, dass Sie gerne ihr Praxissemester bei uns absolvieren würden.“, fuhr er sachlich fort. Sie nickte etwas verlegen: „Ja es ist mir ein wenig peinlich, dass mein Vater Sie angesprochen hat. Er kam mir leider zuvor“. „Haben Sie Ihre Unterlagen dabei?“, fragte er. „Natürlich“ erwiderte sie, während sie hektisch in ihrer Tasche wühlte und eine Mappe auf den Tisch legte. Ein Schmunzeln huschte über Nikes Lippen. Sie war ihr sympathisch. Luis nahm die Mappe an sich und sah sich geduldig die Unterlagen in seiner Hand an: „Wirtschaftspsychologie also“, bemerkte er und lächelte knapp. „Da haben Sie gleich die Expertin neben sich sitzen“. Emma sah unsicher zu Nike, welche freundlich grinste: „Ein sehr interessantes Fachgebiet.“, bestätigte sie.

„Nun was sagen Sie?“, fragte Luis, während er sich noch einmal Emmas Unterlagen ansah. Nike überlegte: „Sie hat für mich einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Sicherlich wäre ein Praxissemester bei uns sinnvoll für sie.“ „Ihr Vater ist ein ehemaliger Kunde von mir. Ich habe bereits mehrere Projekte von ihm betreut.“, erklärte er „Ich würde ungerne absagen. Könnten Sie sich vorstellen Ihr ein wenig unter die Arme zu greifen?“ „Natürlich“ antwortete sie, ohne zu zögern. „Vielen Dank“, bemerkte er ruhig, bevor er die Mappe in seiner Hand zuklappte, sich erhob und zu seinem Schreibtisch ging. Dieser Geruch ging ihr einfach nicht aus der Nase, ein leichter Schauer kroch über ihren Rücken. Wie er sie berührt hatte, wie er sie geküsste hatte. „Ist noch etwas, Nike?“, wurde sie erneut abrupt aus ihren Erinnerungen gerissen. Weshalb hatte dieser Mann nur einen solche Wirkung auf sie. Nach den Geschehnissen der letzten Monate hatte sie erwartet, eine eisige Stimmung zwischen ihnen vorzufinden, doch wie es schien war sie alles andere als eisig.

Nike schmunzelte, als sie Malia dabei beobachtete, wie sie das Licht oberhalb der Wickelkommode fixierte. Ihr Blick blieb an den Augen ihrer Tochter hängen, sie hatten sich seit der Geburt nach und nach verändert. Das Blau schien immer mehr zu verblassen, sodass es inzwischen einen leichten grauen Schimmer erkennen ließ. Kurzerhand schossen ihr die Augen ihres Chefs in den Sinn. Hellgraue Augen.

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„Mister Jenkins“, ertönte erneut die Stimme seiner Assistentin. Er stoppte neben ihr und sah sie erwartungsvoll an. Statt einer Reaktion, sah Nike ihn lediglich sprachlos an. Ihre Augen hatten sich verändert, ein Ausdruck, der ihm durchaus bekannt war. „Bitte?“, setzte er nach und sah sie gespannt an. Nike atmete merklich: „Wenn Sie keine Doppelbelegungen in ihrem Terminkalender möchten, sollten Sie mich zumindest über ihre Termine in Kenntnis setzen.“, bemerkte sie nun selbstbewusst und sah ihm fest in die Augen. Ein Blick, welcher ihm einen Schauer über den Rücken jagte. Es hatte sich nichts verändert, sie hatte sich nicht verändert. Ein leichtes Schmunzeln huschte über seine Lippen. „Natürlich“.

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