Nike biss genüsslich in ihr Brötchen und sah aus dem Fenster. Ihre Begegnung mit Mr. Jenkins am Abend zuvor ging ihr nicht aus dem Kopf. Dieser Mann stand nicht auf Männer, zumindest nicht ausschließlich. „Hast du gut geschlafen?", riss April sie aus ihren Gedanken und ließ sich auf dem Stuhl neben ihr nieder. Nike nickte: „Und wie. Das Bett war himmlisch". „Dann behalte es gut in Erinnerung. Heute Abend schlafen wir schließlich auf dem Boden", bemerkte April lachend und nippte an ihrem Kaffee. Nike war sich noch nicht sicher, ob auf dem Boden schlafen für sie in die Kategorie Abenteuer fiel. Die Bezeichnung Abenteuerwochenende allerdings war passend: Geplant war eine Mountainbike-Tour zum Delaware River, von dort aus weiter mit dem Kanu und zu Fuß zu einem bereits vorbereiteten Camp im Wald, wo am Lagerfeuer gegessen und übernachtet werden sollte. Nur ein kleiner Teil ihrer Kolleginnen und Kollegen hatten sich für das gesamte Tagesprogramm angemeldet, einige nahmen nur an der Radtour und am Abendessen teil, andere kamen nur zum Kanufahren und die ganz gemütlichen Kollegen ließen es sich den ganzen Tag mit Wellness gut gehen und wurden erst am Abend zum Essen ins Camp gebracht. Im Großen und Ganzen war für jeden was dabei. April und sie hatten sich selbstverständlich für das gesamte Tagesprogramm angemeldet und sie erwartete ein anstrengender Tag. „Guten Morgen", grüßte Mr. Jenkins höflich, als er an ihrem Tisch vorbeitrat. Mit einer Stoffhose und einem gutsitzenden Hemd gehörte er wohl zu den Menschen, die den Tag im Hotel verbrachten, wobei Nike davon ausging, dass er die Zeit eher zum Arbeiten nutzen würde, als den Tag im Wellnessbereich zu verbringen. April schmunzelte und beugte sich zu Nike vor: „Ich habe nichts Anderes erwartet".
Nike verschloss ihren Helm. Sie hatte sich für ein neutrales, aber vor allem praktisches Outfit entschieden. Mit ihrer knielangen schwarzen Sporthose und einem hellgrünen enganliegenden Funktionsshirt fühlte sie sich gut ausgestattet. Mehr würde sie bei dem warm und sonnig gemeldeten Tag nicht benötigen. Ihre Sachen für den Abend und die Nacht sollten gesammelt mit dem Auto zum Camp gebracht werden. „Sportlich, sportlich Nike", erklang Aprils Stimme neben ihr, was ihr ein Lachen entlockte: „Na im Businessoutfit radelt es sich schlecht", konterte sie und sah ihre Freundin an, welche ebenfalls in Sporthose, Shirt und Helm auf ihrem Fahrrad saß. „Wäre interessant geworden", ertönte nun eine weitere Stimme hinter ihr. Irritiert sah sie sich um und erblickte Mr. Jenkins, welcher leicht schmunzelte. Nike betrachtete ihn mit einem verschmitzten Grinsen: „Bei Ihnen hätte ich zumindest ein Hemd erwartet, Mr. Jenkins.". Das Grinsen auf seinen Lippen wurde deutlicher: „Ich hatte kurz darüber nachgedacht", antwortete er knapp und gewohnt ruhig. Er trug eine graue kurze Sporthose, ein schwarzes enganliegendes Langarmshirt und schwarz orangene Turnschuhe, welche perfekt zu seinem Helm passten. Er fuhr vermutlich nicht zum ersten Mal Mountainbike. „Man sieht sich sicher", fügte er höflich hinzu und rollte mit seinem Mountainbike einige Meter nach vorne, wo er schon von einem der Vorstandsmitglieder erwartet wurde. Aprils Blick folgte ihrem Chef: „Ganz schön knackig", stellte sie erstaunt fest und sah dann zu Nike, welche nur grinste und mit den Schultern zuckte. April hatte Recht, er sah ausgesprochen gut aus. „Auf geht's", hörte sie die Stimme einer Kollegin. Nike war gespannt, was für eine Route sie erwartete.
April war mit ein paar Kollegen zurückgefallen und auch Nike hatte mit der Steigung zu kämpfen, bei der sie hoffte, dass sie bald überwunden war: „Scheiß Berg", entfuhr es ihr leise. „Wer wird denn da fluchen", hörte sie Mr. Jenkins, der nun überraschend gemütlich neben ihr fuhr. „Wo es bergauf geht, geht es danach auch wieder bergab." „Haben Sie noch mehr Motivationssprüche im Sortiment?" Mr. Jenkins lachte zu ihrer Verwunderung: „Mir würden sicher noch ein paar einfallen, wenn es Ihnen hilft". „So etwas lernt man also in Seminaren für Führungskräfte", stellte Nike schmunzelnd fest und sah ihren Chef an, welcher ebenfalls lächelte: „Ausschließlich. Sie sollten ein bis zwei Gänge runterschalten", stellte nun auch er etwas außer Atem fest. „Bitte?", entfuhr es ihr irritiert. Mr. Jenkins grinste und deutete mit einer Hand auf ihr Fahrrad. „Wenn sie ein bis zwei Gänge herunterschalten, müssen Sie sich nicht so quälen." Nike überlegte kurz, befolgte dann jedoch den Ratschlag ihres Chefs, welcher sich als sehr hilfreich herausstellte. „Wieso sieht das bei Ihnen so gemütlich aus?", wollte sie atemlos wissen. „Ich habe einen 14-Jährigen Sohn, der mich auf Trapp hält.", entgegnete dieser mit einem leichten Schulterzucken. „Wir sind viel unterwegs".
Oben am Berg befand sich ein Aussichtspunkt mit einigen Bänken, wo bereits ein Teil ihrer Kolleginnen und Kollegen wartete. Nike atmete erst einmal tief durch, bevor sie von ihrem Fahrrad abstieg. Beim Auftreten spürte sie, wie ein stechender Schmerz durch ihre Wade zog und diese sich schlagartig verkrampfte. Einen Wadenkrampf konnte sie nun grade wirklich nicht gebrauchen. Mr. Jenkins musste bei ihrem schmerzverzerrten Gesichtsausdruck aufmerksam geworden sein: „Ist alles in Ordnung?". Nike winkte lächelnd ab und hüpfte auf einem Bein zur nächst gelegenen Bank: „Alles gut, nur ein Krampf". Sie ließ sich auf die Bank fallen und massierte ihre schmerzende Wade. Mr. Jenkins trat mit seiner Wasserflasche in der Hand neben sie, beobachtete sie einen Moment, bis er seine Flasche abstellte und sich vor sie kniete. Er deutete auf ihr Bein: „Darf ich?". Perplex sah sie den Mann an, dessen Gesicht nun wieder verblüffend nah an ihrem war und nickte knapp. Er legte eine Hand an ihre Wade und drückte mit der Anderen vorsichtig ihre Zehen Richtung Knie. „Autsch", entfuhr es ihr, woraufhin Mr. Jenkins sie entschuldigend ansah: „Entschuldigen Sie". Die Hand an ihrer Wade war warm und massierte die schmerzende Stelle erstaunlich behutsam, bis die Schmerzen langsam abklangen. „Besser?", erkundigte sich ihr gegenüber ruhig. Nike sah ihn an, wieder glaubte sie ein leichtes Funkeln in seinen Augen zu sehen. Sie konnte diesen Mann einfach nicht einschätzen. Flirtete er mit ihr? Tat er es nicht? War er schwul? War er es nicht? Sie riss sich aus ihren Gedanken, seine Hand lag sanft auf ihrer Haut: „Ja, danke", erwiderte sie knapp und zog ihr Bein zu sich um seiner Berührung zu entfliehen, welche eindeutig zu angenehm gewesen war. Mr. Jenkins lächelte höflich, nickte knapp, griff seine Flasche und stand auf: „Sie sollten Magnesium nehmen, wenn Sie den Tag ohne weitere Krämpfe überstehen wollen", bemerkte wieder vollkommen neutral und wurde von einem Kollegen in ein Gespräch verwickelt.
„Na, massiert er gut?", zog April Nike leise auf, als sie außer Atem neben sie trat. Nike warf ihrer Freundin einen bösen Blick zu, lächelte dann jedoch: „Ich hatte nur einen Krampf, aber wenn du es genau wissen willst, er hat unglaublich weiche Informatiker Hände". April lachte und warf einen verträumten Blick zu Mr. Jenkins: „Von ihm würde ich mich auch massieren lassen". Nike schüttelte lachend den Kopf und stieß ihrer Freundin leicht mit dem Ellbogen in die Seite: „Du bist vergeben".
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Luis fuhr sich noch einmal mit der Hand durch seine lockigen Haare, bevor er den Helm aufsetzte und unter dem Kinn verschloss. Er freute sich auf die Tour, auch wenn es vermutlich nicht mit dem zu vergleichen war, was er sonst gemeinsam mit Finlay fuhr. An den Wochenenden verbrachten sie oft Stunden mit dem Mountainbike im Wald. „Na im Businessoutfit radelt es sich schlecht", hörte er eine ihm bekannt Stimme. Vor ihm erblickte er seine Assistentin in einem enganliegenden hellgrünen Shirt, welches im Gegensatz zu den Blusen, die sie auf der Arbeit trug, ihre schlanke sportliche Figur noch betonte. „Wäre interessant geworden", stellte er mit einem Schmunzeln fest. Irritiert drehte sie sich um, musterte ihn und grinste verschmitzt: „Bei Ihnen hätte ich zumindest ein Hemd erwartet, Mr. Jenkins.". Er mochte ihre Schlagfertigkeit.
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Challenge
RomanceNike Davis war mit ihren 28 Jahren fest im Berufsleben angekommen. Ihr Abschluss in Wirtschaftspsychologie hatte ihr eine super Chance in einem weltweit vertretenen Unternehmen in den USA ermöglicht, wo sie nun seit drei Jahren als persönliche Assi...