Nachdenklich betrachtete Nike das vor ihr liegende leere Büro, sie war froh, dass sie hatte verhindern können, dass Luis tatsächlich seine Funktion als CEO in der Firma niederlegte. Seit der Vorstandssitzung vor wenigen Wochen war der Umgang zwischen ihnen auf einer rein professionellen Ebene, auch wenn die Spannung zwischen ihnen weiterhin deutlich spürbar war. Ein Gespräch über ihre private Situation oder ihren weiteren Umgang miteinander hatte es nicht gegeben und es zeichnete sich nicht ab, dass ein solches Gespräch irgendwann stattfinden würde. Zu ihrer Überraschung erleichterte Nike jedoch genau dieser Gedanke. Sie wollte nicht darüber sprechen, denn sie wusste nicht zu welchem Ergebnis dieses Gespräch führen sollte. Eine Beziehung stand für sie nicht im Raum, schon gar nicht in der Schwebe angesichts der ungeklärten Vaterschaft, daraus resultierende Beziehungsprobleme mit ihrem Chef konnte sie ebenfalls nicht gebrauchen. Auch Paul war weiter in ihrem Leben präsent, gelegentlich traf sie sich mit ihm, allerdings auf rein platonischer Ebene. Sie konnte und wollte ihn bis zur Klärung der Vaterschaft nicht vor den Kopf stoßen, daher bemühte sie sich um einen freundschaftlichen Umgang mit ihm, auch wenn sie wusste, dass für ihn auch mehr in Frage kam. Das aktuell bestehende Konstrukt ihres Lebens funktionierte, auch wenn ihr bewusst war, dass bereits die kleinste Erschütterung in der Lage war es zum Einsturz zu bringen.
„Ich möchte dich bei der Geburt dabeihaben“, erklärte Nike und sah ihre Freundin erwartungsvoll an. Irritiert sah April auf: „Und der Vater?“. Nike atmete tief durch: „Auch, wenn ich mir absolut sicher bin, dass Luis der Vater ist, möchte ich diese Entscheidung nicht treffen. Was wenn ich falsch liege? Es wäre nicht fair.“ Sie nahm einen Schluck Tee, zuckte mit den Schultern und lächelte: „Du hast mich zu jeder Untersuchung begleitet. Es wäre schön, wenn du dabei wärst. Luis und Paul informiere ich nach der Geburt.“
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Luis betrachtete nachdenklich das Bier in seiner Hand. Liv, welche ihm ebenfalls mit einem gekühlten Bier gegenübersaß, sah ihn erwartungsvoll an. Er hatte sich den Mittag freigenommen um in Ruhe mit ihr, und vor allem ohne Finlay, zu sprechen. „Finlay bekommt vermutlich eine kleine Schwester“, erklärte er möglichst ruhig. „Was?“, entfuhr es Liv. „Das ist nicht dein Ernst“, schüttelte sie fassungslos den Kopf. Er zuckte mit den Schultern. Mit einer anderen Reaktion hatte er nicht gerechnet: „Es ist kompliziert.“ Liv überlegte kurz und sah ihn entgeistert an: „Luis, bitte sag mir, dass es nur ein dummer Zufall ist, dass ausgerechnet deine Assistentin grade schwanger ist“. Luis schüttelte kaum merklich den Kopf. Er hätte wissen müssen, dass Liv allein darauf kommt. „Du hast deine Assistentin geschwängert?“, platzte es förmlich aus ihr heraus. „Was ist los mit dir? Bist du in einer verfrühten Midlife-Crisis? Wie alt ist diese Frau? 25?“. „Liv“, begann er beschwichtigend. „Sie ist 28. Es gibt mit Nike keine Schwierigkeiten. Wir verstehen uns gut“. Fragend sah ihn Liv an. „Es ist nicht sicher, dass ich der Vater bin, deswegen habe ich noch nichts gesagt“, fuhr er fort. „Ich werde es erst nach der Geburt erfahren und ich bin grade einfach ratlos, wie ich damit umgehen soll, vor allem in Bezug auf Finlay.“, gab er nun ehrlich zu. Livs Blick wurde etwas sanfter. „Wenn ich es ihm jetzt sage, ist er enttäuscht, wenn dem am Ende doch nicht so ist. Sage ich es ihm nicht und er erfährt es erst, wenn sicher ist, dass es seine Schwester ist, wird er von mir enttäuscht sein. Ich kann ihm keine Offenheit und Ehrlichkeit predigen und ihm so etwas verheimlichen.“ „Luis“, unterbrach Liv ihn nun mit ruhiger Stimme. Er hatte sich in rage geredet. „Unser Sohn ist 14 Jahre alt und sehr vernünftig für sein Alter, er ist kein kleines Kind mehr. Sag es ihm, wenn auch du sicher bist. Er wird es verstehen.“ „Meinst du?“, hakte er nachdenklich nach, woraufhin seine Gegenüber nickte und ihn aufmuntert anlächelte: „Wie geht es dir damit?“, fragte sie nun ein wenig besorgt. Luis zuckte mit den Schultern. Darüber hatte er sich bisher keine Gedanken gemacht. „Es ist schwierig“, ergriff er ruhig das Wort „Egal, was bei dem Vaterschaftstest herauskommt“. „Du magst sie“, stellte Liv lächelnd fest. Luis sah auf das Bier in seiner Hand: „Mehr als das“.

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Challenge
RomansaNike Davis war mit ihren 28 Jahren fest im Berufsleben angekommen. Ihr Abschluss in Wirtschaftspsychologie hatte ihr eine super Chance in einem weltweit vertretenen Unternehmen in den USA ermöglicht, wo sie nun seit drei Jahren als persönliche Assi...