Alles auf Anfang

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Nike hatte sich dazu entschieden nach nur zwei Monaten wieder zu arbeiten, ihr Job war ihr einfach zu wichtig. Malia verbrachte einen Teil der Zeit bei einer Tagesmutter, die sie sorgfältig ausgesucht hatte und einen Teil mit Paul. Er war bemüht, er war ein guter Vater aber nicht der Vater, den sie sich für ihr Kind gewünscht hatte.

Der Gedanke Luis wieder im Büro zu begegnen, nachdem es genau diese zwei Monate keinen Kontakt zwischen ihnen gegeben hatte, war seltsam. Ein wenig nervös stellte sie ihre Tasche neben sich auf dem Boden ab, schaltete den Computer ein und ließ sich auf ihrem Schreibtischstuhl nieder. Zu ihrer Überraschung war ihr Tisch vollkommen ordentlich, keine losen Blätter, keine wirren Aktenstapel. Wie sich Luis wohl in der Zeit ohne seine Assistentin organisiert hatte?

„Guten Morgen, Nike“, hörte sie eine ihr bekannte Stimme neben sich. „Schön, dass Sie wieder da sind“. Nike lächelte zaghaft, sah auf und stockte. Luis stand in einem perfekt sitzenden grauen Anzug vor ihr, darunter ein weißes enganliegendes Hemd, welches in seiner gut geschnittenen Stoffhose mit cognacfarbenem Gürtel verschwand. Eine graue dazu passende Krawatte und seine ebenfalls cognacfarbenen Lederschuhe rundeten sein Outfit perfekt ab. Sie hatte vergessen, wie attraktiv dieser Mann war und schluckte: „Den ganzen Tag zu Hause zu sein ist einfach nichts für mich“, ergriff sie nach kurzer Pause das Wort. „Hätte ich Ihnen auch nicht zugetraut“, bemerkte Luis mit einem leichten Schmunzeln, legte ihr eine Mappe auf den Schreibtisch und machte sich auf den Weg zurück in sein Büro. „Luis“, entfuhr es ihr nervös, woraufhin er sich noch einmal zu ihr wandte. „Es tut mir leid. Malia…“, begann sie ihren Satz, bis ihr Luis ruhig, aber bestimmt ins Wort fiel: „Ich möchte nicht darüber sprechen, Nike.“ Verwundert sah Nike ihren Gegenüber an. „Bitte bereiten Sie die Unterschriften heute schon früher vor. Ich habe um 10 Uhr bereits ein Meeting“, fuhr er sachlich fort, zog sich in sein Büro zurück und ließ sie perplex zurück. Dieses Gefühl der Verwirrung kannte sie nur zu gut, wie oft hatte er sie zu Beginn ihrer Zusammenarbeit aus dem Konzept gebracht und verdutzt zurückgelassen.  

„Ich habe Malia grade hingelegt“, hörte sie Pauls Stimme als sie müde ihre Wohnung betrat. „Wie war dein erster Tag?“, fragte er aufmerksam. Nike ließ ihre Tasche neben die Couch sinken: „Ich glaube ganz gut“, erwiderte sie „Hat Malia gut gegessen“, fuhr sie fort. „Sehr gut sogar.“ antwortete Paul lächelnd und deutete auf die Couch: „Setz dich, ich habe essen besorgt.“ Es war nicht ungewöhnlich, dass Paul den ein oder anderen Abend bei ihr verbrachte, denn es war einfacher Malia in ihrem eigenen Bett schlafen zu legen, als sie am Abend noch einmal umzubetten. Zudem wollte sie die Kleine noch nicht allein bei Paul übernachten lassen, für den Anfang also die beste Lösung.

„Ich glaube ich gehe jetzt lieber ins Bett“, bemerkte Nike, als sie sich von der Couch erhob. Paul, welcher ebenfalls aufgestanden war, trat einen Schritt auf Nike zu. „Sehen wir uns morgen?“, wollte er ruhig wissen. „Ich weiß es noch nicht“, erklärte sie ruhig „Vielen Dank für das Essen, Paul“. Ihr Gegenüber lächelte und trat erneut einen Schritt auf sie zu, bevor er eine Hand sanft an ihre Taille legte und sich seine Lippen ihren behutsam näherten. Nike wich augenblicklich einen Schritt zurück: „Paul, wir haben darüber gesprochen“, entfuhr es ihr „Du gehst jetzt besser“.

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Ein leichtes Schmunzeln trat auf Luis Lippen, als er Nike an ihrem Arbeitsplatz erblickte. Die zwei Monate ohne seine Assistentin hatten ihn herausgefordert. Zwar hatte es eine Übergangslösung gegeben, aber fachlich und auch menschlich gesehen konnte Nike einfach niemand ersetzten. Für einen kurzen Moment stand er da und beobachtete die junge Frau vor sich. Er hatte vergessen, wie umwerfend diese Frau aussah. Ihre dunkelblonden Locken waren wirr hochgesteckt, ihre weiße dünne Bluse umschmeichelte ihren schlanken Oberkörper und ihr kurzer Rock ließ auf ihre sportlichen Beine blicken, welche wie gewohnt in schwarzen Pumps endeten. Nichts an ihr ließ erahnen, dass sie erst vor knapp zwei Monaten ein Kind auf die Welt gebracht hatte. Er schluckte, er hatte gehofft, dass die zwei Monate Abstand auch diese undefinierbare Spannung zwischen ihnen gelöst hatte, doch genau dies schien nicht der Fall zu sein. „Guten Morgen, Nike“, hörte er seine ruhige Stimme.

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