Guten Morgen

521 22 0
                                    

Das schrille Piepen ihres Weckers riss Nike aus dem Schlaf. Schlaftrunken griff sie nach dem Handy auf ihrem Nachtisch, welches jedoch an diesem Morgen dort nicht zu finden war. Irritiert öffnete sie die Augen, sah sich um und erblickte Luis, welcher mit noch geöffnetem Hemd vor ihr stand und ihr ihr Handy entgegenhielt. Schlagartig war sie wach, nahm ihr noch immer schrill piependes Handy entgegen und brachte es zum Schweigen. Bei dem Anblick ihres Chefs schossen sofort Erinnerungen der letzten Nacht in ihren Kopf. Wie er mit seiner Zunge ihre Brustwarzen liebkost hatte, wie er mit seinen Fingern in sie eingedrungen war und sie damit schon fast zum Höhepunkt gebracht hatte. Wie er sich unter ihren Berührungen fast schon gewunden hatte, wie sie ihn lustvoll geritten hatte, sie allein durch die langsamen Bewegungen ihrer Hüften seinen Höhepunkt bewusst hinausgezögert hatte. „Guten Morgen“, wurde sie aus ihren Erinnerungen. Luis sah sie erwartungsvoll an, konnte sich jedoch ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Er musste gemerkt haben, in welchen Gedanken sie versunken gewesen war. Sie schluckte: „Guten Morgen“. „Sehen wir uns beim Frühstück?“, fragte er gewohnt ruhig. Sein Blick jedoch blieb kurz an ihrem Körper hängen, welcher nicht mehr vollständig von der Decke bedeckt war und veränderte sich augenblicklich, was Nike schmunzeln ließ. Die Nacht hatte wie es schien seine ruhige und beherrschte Fassade zum Bröckeln gebracht. Sie ließ sich zurück ins Bett sinken, ohne den Blick von ihrem Gegenüber abzuwenden, nickte und beantwortete so seine zuvor gestellte Frage. Sie genoss es den Mann vor sich einfach ungeniert zu beobachten. Zuzusehen, wie er langsam sein Hemd zuknöpfte und sorgfältig in seine Hose schob, sein Jackett vom Boden aufhob und die danebenliegende Krawatte in seiner Tasche verschwinden ließ. Er fuhr sich mit einer Hand durch sein zerzaustes lockiges Haar, lächelte knapp und verließ ohne weiteres Wort Nikes Zimmer.

Nike atmete tief durch und warf einen Blick auf ihr Handy. Drei verpasste Anrufe und etliche ungelesene Nachrichten. Sie musste mit Paul sprechen. Sie wollte sicher keinen Vergleich ziehen, aber der Unterschied stach förmlich hervor. Paul war darauf fixiert möglichst gut dazustehen und das Kino in seinem Kopf, welches durch die Pornoindustrie geprägt war, umzusetzen. Luis hingegen handelte intuitiv, zärtlich, ruhig, dennoch bestimmt und leidenschaftlich. Sie warf ihr Handy neben sich und zog sich das Kopfkissen über das Gesicht. „Was in Pittsburgh passiert, bleibt in Pittsburgh“, wiederholte sie leise die Worte ihres Chefs. Hoffentlich wurde es nicht kompliziert.

Luis saß ihr ruhig und in seine Zeitung vertieft gegenüber. Sie beobachtete ihn und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse: „Haben Sie gut geschlafen?“, fragte sie höflich. Offensichtlich irritiert von der förmlichen Anrede, sah ihr Gegenüber auf. Er überlegte kurz, lächelte dann jedoch. Er schien zu verstehen, dass Nike nichts an ihrem professionellen Verhältnis zueinander verändern wollte.  „Ich denke schon“, beantworte er schmunzelnd ihre Frage. „Und Sie?“, hakte er ebenfalls nach. Nike lächelte verschmitzt: „Ganz in Ordnung, würde ich sagen.“, entgegnete sie und griff erneut nach ihrer Tasse.
Nikes Blick blieb immer wieder aufs Neue an ihrem Chef hängen, welcher konzentriert dem aktuellen Vortrag folgte und sich Notizen machte. Seine ruhige, reservierte, fast schon anmutige Art faszinierte sie. Er war kein Poser, er prahlte nicht, er gab nicht an und dennoch schien er seinen Kollegen deutlich überlegen zu sein. Sie hatte gehofft, dass sich diese Spannung zwischen ihnen nach den Ereignissen der letzten Nacht etwas entspannt hatte, doch sie musste sich eingestehen, sie war noch immer mehr als deutlich spürbar.

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Luis öffnete schwerfällig die Augen. Er brauchte einen kurzen Moment, um zu realisieren, was in der letzten Nacht geschehen war. Neben ihm lag seine Assistentin, lediglich bis zur Hüfte mit einem dünnen Bettlaken bedeckt. Ihren Kopf hatte sie förmlich im Kopfkissen vergraben, ihre wirren Locken umspielten ihren Kopf, fielen teils leicht über die nackte Haut ihres Rückens. Wir gerne hätte er ihre Haut erneut auf seiner gespürt. Er atmete tief durch, bevor er seinen Blick von der neben ihm liegenden Frau abwandte, sich leise aus dem Bett erhob und begann sich anzuziehen. Ein schrilles, unangenehmes Piepen erfüllte den Raum. Er lauschte kurz und entdeckte ihr Handy unter ihrer Bluse auf dem Boden liegend. Nike streckte sich, griff verschlafen auf ihren Nachttisch, fand jedoch die Quelle des Lärms offensichtlich nicht. Irritiert sah sie sich um, bis ihr Blick an ihm hängen blieb. Höflich streckte er ihr ihr Handy entgegen, welches sie sogleich entgegennahm und das Piepen des Handys ausschaltete. Ohne ein Wort sah sie ihn einfach an. Er wusste, was ihr durch den Kopf ging, er sah es in ihren Augen und genau diese Tatsache ließ ihn Schmunzeln. „Guten Morgen“, brach er das Schweigen.

ChallengeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt