Ich. Bin. Normal!

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Während Viktoria mich noch überrascht anschaute, knurrte Dad gepresst: "Alex, Gespräch. Jetzt!" Er stürmte aus dem Esszimmer, die Treppe nach oben und ich folgte ihm mit gemischten Gefühlen. 

Teilweise war ich stocksauer, dass Dad mich immer noch nicht akzeptieren wollte, teils hatte ich Angst was jetzt kam und alles mischte sich mit Gefühlen, die ich gerade gar nicht haben sollte. Unsicherheit, Nervosität und am schlimmsten Schuld und Scham!

Ich wollte mich nicht für meine Kräfte schämen, ich wollte mich ihretwegen nicht schuldig fühlen! Meine Fähigkeiten waren ein Teil von mir, sie machten aus wer ich war. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie andere es aushielten, sich nicht ständig zu verändern. Es war nicht fair von meinem Vater sie unterdrücken zu wollen. Als ich an Maggi vorbeiging, hielt er mich ganz kurz auf, indem er mit seiner Hand meine streifte und ein leicht prickelndes Gefühl von Verständnis durch meine Adern schickte. Ich war immer noch überrascht um wie viel stärker Magnus geworden war, seit Frey ihn unterrichtete und ihm einige Trix und Zauber zeigte. 

Ich folgte meinem Dad die Treppe hinauf und in mein altes Zimmer am Ende des Ganges. 

Als ich es betrat war mir sofort klar, dass Dad es nach seinem Geschmack eingerichtet hatte. Alles war ordentlich und glänzte. An den Wänden hingen Fotos von seinen Erfolgen in der Firma, das Hochzeitsfoto von ihm und Viktoria und sogar ein paar langweilig-weiße Teller waren ausgestellt. Ich verzog angewidert das Gesicht. Als ob diese Teller besonders genug waren um ausgestellt zu werden. Die waren bestimmt nicht mal Handgemacht.

Ich glaubte schon zu wissen was mich erwartete, deshalb war ich überrascht, als Dad tief Luft holte, und mich erst lange anstarrte, bevor er zu sprechen begann. 

„Tu das nie wieder, Alex!", knurrte er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, „Ich hatte meine Gründe meiner Frau nicht von deinen Problemen zu erzählen." „Meine Probleme?", zischte ich wütend, „Darüber haben wir schon gesprochen, Dad. Es sind keine Probleme. Das ist es wie ich bin!"

Mein Vater sah erst aus, als wollte er etwas erwidern, aber dann überlegte er es sich anders und sagte: „Solange du unter meinem Dach lebst, wirst du dich an meine Regeln halten, Alex. Du wirst niemandem sonst erzählen, dass du kein ganzes Mädchen bist. Und ich will auch nicht, dass du mit meinem zukünftigen Sohn spielst und ihm dabei solche Flausen in den Kopf setzt mit genderfluid und allem." 

Ich runzelte wütend die Stirn, aber mir war klar, dass ich meinen Vater nicht umstimmen konnte. Doch die Nachricht, dass das Kind ein Junge werden würde, stimmte mich traurig. Ich erinnerte mich noch daran, was ich auf unserer ersten Mission, bei einem Einbruch in Randolfs Haus, zu Maggi gesagt hatte. Dass meine Familie zwar Geld hatte, aber nicht die Dinge die für meinen Dad wirklich wichtig waren, wie einen Sohn und Erben. Jetzt schien es diesen Sohn und Erben zu geben.

„Wenn du eh ein neues Kind bekommst, warum hast du mich dann zurückgerufen? Was willst du noch von mir, Vater?" „Du hast nun ein Geschäft.", meinte Dad schulterzuckend, „Es wird Zeit, dass du lernst es zu führen, damit du den Namen Fierro nicht völlig in den Dreck ziehst." 

Ich ballte meine Hände zu Fäusten und knurrte: „Den Kunden gefällt was ich verkaufe! Erst gestern oder vorgestern habe ich drei Tassen für 1200 Dollar verkauft. Drei Tassen! Hast du jemals so viel Umsatz mit nur drei verdammten Tassen gemacht?" Das schien meinem Vater kurz den Atem zu verschlagen. Ich nutzte den Moment um ihm den Rest zu geben und mich für immer gehen zu lassen.

„Aber was sollst. Am besten ich nehme jetzt meinen Koffer und sage Magnus Bescheid, dass wir zurück nach Walhalla gehen. Ich checke wieder im Hotel ein, und vielleicht kommen wir sogar noch rechtzeitig zur täglichen Schlacht. Ich könnte gerade wirklich jemanden in Gestalt einer Kobra oder eines Löwen oder einfach mit meinen Waffen umbringen. Mit schön viel Blut!" Ich drehte mich zur Tür und griff im Vorbeigehen nach meinem Koffer, als mein Vater sagte: „Alex! Bleib... bleib da." Zögernd blieb ich stehen. Eigentlich wollte ich nicht bleiben, aber Magnus hatte ausnahmsweise einmal Recht. Ich sollte meiner sterblichen Familie vielleicht doch noch eine Chance geben, bevor sie starben. Ich drehte mich widerstrebend wieder zu Dad um. 

Er sah aus als müsste er mit sich kämpfen um die nächsten Worte hervorzubringen. „Alex, hör zu. Natürlich freue ich mich, einen Sohn zubekommen, aber... ich brauche auch dich. Du hast nun ein Geschäft in dem du Töpfereien verkaufst. Ich weiß, dass du Talent hast, Tochter. Ich will, dass du lernst wie man einen Beruf ausübt, mit Anwälten umgeht, Umsatz macht." 

Ich stieß ein Schnauben aus. Oh ja, ich machte Umsatz, aber mein Beruf war hauptsächlich Einherje zu sein und auf den Weltuntergang zu warten. Und um die Anwälte hatte ich mich bereits gekümmert. Der Laden gehörte mir, den Raum dafür hatte ich gekauft und nicht gemietet und der ganze Papierkram war unterschrieben. Anwälte können mich mal! Und notfalls hatte ich immer noch Odin auf Abruf. Der würde Anwälten sicher gerne eine PowerPoint Präsentation über Eigentums- und Verkaufsrechte halten. 

Doch mein Vater redete schon weiter: "Deshalb habe ich dich bereits an einer Schule am Rand von Bosten angemeldet. Dort wirst du alles lernen, was du für die Berufswelt brauchst und deinen sozialen Radius erweitern, indem du Nachmittagskurse besuchen und Freigegenstände ausüben wirst. Auf dem Schreibtisch", er deutete zu besagtem Möbelstück im Zimmer, "findest du eine Liste mit alle deinen Kursen und Freigegenständen zu denen ich dich angemeldet habe. Und jetzt komm. Sag deinem Freund er soll gehen und danach zeige ich dir das Haus und erkläre dir die Hausordnung."

Dad verließ das Zimmer und ließ mich einfach stehen. Meine Finger verkrampften sich um meine Garrotte und heiße Tränen brannten in meinen Augen. Ich hatte es gewusst. Ich hatte es die ganze Zeit gewusst! Mein Vater wollte mich nicht wirklich zurück, er wollte mich nur kontrollieren können. Er hatte mich an einer beschissenen Schule angemeldet und meine Fächer für mich ausgesucht! Ich würde wieder vorgeben müssen ein Mädchen zu sein, selbst wenn ich gerade ein Junge war. Mit einem wütenden Schrei ließ ich das eine Ende meiner Garrotte los und ließ den Draht durch die Luft zischen. Im Flug verlängerte er sich und schlang sich um eine blassblaue Zier-Vase, die auf dem Fensterbrett stand. Ich riss ihn zurück und die Vase wurde in zwei Teile zerschnitten und fiel zu Boden, wo sie zu Scherben zersprang. Es war mir nicht schade darum. Auch nicht um die Schnitte, die meine Waffe an den Wänden und Möbeln hinterlassen hatte. Trotzdem musste ich wieder runter. 

Schnell kontrollierte ich im Spiegel des Schminktisches mein Aussehen und ging dann ins anschließende Bad um mir die geröteten Augen zu waschen und meine Haare glatt zu streichen. Dann erst ging ich wieder ins Esszimmer. Mein Vater war bereits da und hörte Viktoria und Magnus zu, die über irgendeinen Arztkram sprachen. Es ging um Impfungen für Kinder, soweit ich das verstand. Als ich hereinkam stand Magnus sofort auf und kam zu mir. 

Mit einem entschuldigenden Lächeln zu Viktoria zog er mich in die Eingangshalle und fragte: "Alex, alles gut bei dir? Ich hab dich oben schreien hören." "War ich wirklich so laut?", knurrte ich missmutig, doch Maggi schüttelte den Kopf: "Nein, ich hab es nur gehört, weil ich Einherje bin. Du weißt schon, verstärkte Sinne und so. Geht es dir gut? Was hat dein Vater dir gesagt?" "Ich soll in eine Schule gehen. Und Fächer belegen, die er mir ausgesucht hat.", erklärte ich sauer. Maggi kratzte sich am Hinterkopf und murmelte: "Wundert mich, dass er noch lebt.", etwas lauter sagte er dann, "Okay, meinst du, dein Vater lässt dich raus, damit wir uns treffen können? Ich meine, dein Unterricht wird schon nicht bis Mitternacht gehen." Schwach nickte ich und lehnte mich gegen ihn. "Und wenn ich einfach wieder mit nach Walhalla komme?", fragte ich schwach. 

Maggi schloss seine Arme um mich und  küsste mich sanft. "Komm schon, Al. Normalerweise gibst du doch auch nicht auf. Aber versuch nicht zu sterben, ja? Du weißt ja, dass du sonst echt tot bist und ich glaube nicht, dass ich in den nächsten zweihundert Jahren jemanden finde der so super ist wie du." Ich verdrehte die Augen und boxte ihn gegen die Schulter. Maggi stolperte einen Schritt zurück und schaute mich sauer an. Wir hatten beide das leise Knacken gehört. Hinter uns schnappte jemand nach Luft. 


Unveränderbar! - Oder?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt