Gedankenreise

42 6 0
                                    

Zugegeben, an den Rest der Party konnte ich mich nicht mehr so deutlich erinnern.
Ich wusste noch, dass Keith und TJ nüchtern genug gewesen waren um zu kapieren, dass sie sich gerade geküsst hatten. Ich wusste noch, wie wir darauf angestoßen hatten.
Und das war dann auch schon mein fünfter Met gewesen, vielleicht auch mein sechster, ich hatte nicht mitgezählt. Leute, der Met, den sie bei Partys ausschenkten, hatte schon ein bisschen (sehr viel) mehr Prozentgehalt, als so ein durchschnittlicher Met, den es zum Mittagessen gibt.
Macht es mir nicht nach und kippt fünf davon in euch rein!

Ich hatte noch einige Momente der Party in Erinnerung. Wie ich Maggie noch einmal auf die Tanzfläche gezogen hatte. Wie sich mehrere Mädchen und sogar zwei Kerle an meinem Freund versucht hatten.
Ich wusste noch, dass ich mich verwandelt und sie umgebracht hatte. Keine Ahnung, zu was für Tieren ich geworden war.
Das nächste, was ich wusste war, dass ich auf Magnus Bett saß und er beide Hände an meinen Kopf gelegt hatte.


Als ich endlich wieder klar denken konnte, schaute ich zu ihm auf. Magnus sah tadelnd auf mich herunter.
"Was hab ich angestellt?", fragte ich heißer.
"Du hast dich in einen fucking Blauwal verwandelt und alles platt gemacht!", schimpfte Magnus und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Ups.", murmelte ich, konnte mir ein Grinsen aber nicht ganz verkneifen.
"Ups?", wiederholte Magnus, "Alex, ich sagte "alles" und ich meinte "alles"! Das Buffet, den DJ, alle Tische, du hast sogar ein paar Discokugeln und Teile der Beleuchtung erwischt!"
Jetzt fing ich langsam an zu kapieren, was genau Maggie mit "alles" meinte.
Mein Freund schüttelte tadelnd den Kopf und fuhr fort: "Es sind nicht mal die Hälfte aller Einherjer mit dem Leben davon gekommen, du hast sie einfach zerquetscht! Naja, und dann haben TJ, Keith und ich fast eine halbe Stunde gebraucht, dich dazu zu bringen wieder ein Mensch zu werden. Du hast dich einfach geweigert dich zurück zu verwandeln. Jedenfalls hättest du dich mit dieser Aktion fast selbst umgebracht. Alex, hast du eine Ahnung was mit Walen an Land passiert?"
Natürlich wusste ich das. Sie starben, weil ihr eigenes Gewicht ihre Organe zerquetschte. Aber daran hatte ich wohl nicht gedacht, als ich zu einem Blauwal geworden war. Um fair zu sein, ich war auch hochkant betrunken gewesen.

"Wie habt ihr es dann geschafft?", fragte ich und musste mich räuspern. Meine Kehle war völlig ausgetrocknet und meine Stimme war kratzig und heißer.
"Ich hab meine Kräfte benutzt um dich so gut es ging zu beruhigen.", sagte er und ich wusste sofort, dass er mir mal wieder nur einen Teil der Wahrheit erzählte.
"Magnus?", fragte ich also nochmal, "Was hast du gemacht um mich zurück zu verwandeln?"

Mein Freund ließ die Schultern sinken und ließ sich neben mir auf die Kante des Bettes fallen. Er zögerte noch einen Moment und wich meinem Blick aus, als er leise gestand: "Ich bin in deinen Kopf rein und... hab dir mehr oder weniger... befohlen es zu tun."
Mir wurde eiskalt. Jetzt verstand ich auch, warum Magnus so schuldbewusst aussah. Ich hasste es kotrolliert zu werden. Ich hasste es, wenn Leute mir befahlen etwas zu tun und ich gehorchen musste. Und so wie Maggie es beschrieb... in meinen Kopf rein und es mir befohlen. Das klang mir viel zu sehr nach der Methode, die Loki benutzt hatte um mich und Samirah zu kontrollieren. Ich starrte Magnus fassungslos an.
Er saß neben mir auf dem Bett und hatte die Finger verkrampft auf seinen Schoß gelegt. Er trug immer noch das selbe Shirt, dass er zur Party angehabt hatte, aber er leuchtete nicht mehr, also funkelten auch keine Regenbögen auf dem Stoff. Trotzdem kam mir der Stoff unnatürlich sauber und rein vor.
Ich schaute an mir selbst herunter. Ich war von oben bis unten mit Blut bespritzt. Meine Hände, meine Arme, mein ganzer Bauch, alles war voll mit Blut. Kein Wunder eigentlich, immerhin hatte ich mit meinem eigenen Körper bestimmt hunderte von Einherjer zerquetscht wie Ameisen. Doch dann schaute ich wieder zu Magnus.
Er war ähnlich verdreckt wie ich. Seine Hände waren voller Blut, seine Hose und Schuhe auch. Doch sein Hemd war strahlend weiß. Irgendwie machte mich das noch wütender. Es war, als könnte Magnus einfach so in meine Gedanken eindringen und mir Befehle geben und trotzdem ein reiner, kleiner Engel bleiben.

Unveränderbar! - Oder?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt