Der Fels war einer Wiese gewichen, als Kara die Augen aufschlug. Es war die Wiese aus dem ersten Traum, als Eironn seine Magie mit ihr teilte.
Geweckt hatte sie diesmal eine Berührung an der Wange. Hauchfein, nicht mehr als ein Lufthauch.
"Sie ist wach...", flüsterte eine Stimme. Sie klang wie weit entfernt und doch klar, als stunde der Sprecher neben ihr.
"Eine Freude. Ein Erbe." Eine andere Stimme kicherte. Sie schien hinter ihr zu sein.
"Ein hässliches Ding...", stellte eine dritte Stimme klar. Der Sprecher musste direkt vor ihr stehen. "Was machen wir mit ihr?"
"Abstechen." Diese Stimme knurrte, wurde jedoch von einer weiteren zur Ordnung gerufen. Sie grummelte und schwieg.
"Wer ist sie?", fragte die erste Stimme. Irgendwo war ein leises Glöckchen zu vernehmen.
"Bleibt sie?"
"Sie soll verschwinden.", bestimmte die dritte Stimme und das Licht flackerte. "Sie ist ein Fehler."
"Unerwünscht." Die mordende Stimme."Ich bin sofort weg, wenn mir jemand sagt wie.", warf Kara ein. Alle Stimmen verstummten. Eine Weile schwiegen sie, bevor die Zweite flüsterte: "Sie hört uns. Freude. Verwirrung."
"Sie hört uns!" Eine Lichtsäule erschien vor ihr und aus ihr manifestierte sich eine Frau. Nun, zumindest ein eindeutig weibliches Wesen. Vier Katzenohren schmückten das weise Haar, darunter zwei der langen menschlicheren, zwei Schwänze peitschten aufgebracht. Die blauen Augen wirkten zu groß für ihr Gesicht. Schnell packte die Fremde Karas Hals und hob sie in die Luft. Erst leicht drückte sie zu. "Warum hört sie uns!", fauchte sie, die Besitzerin der dritten Stimme.
"Nein. Tu ihr nichts." Ein Schwung winziger Feen setzte sich auf ihren Arm und zerrte. Die Katzenfrau ließ sich nicht abbringen.
"Göttin...", brachte Kara röchelnd hervor, als die Frau als Reaktion auf die Feen fester zudrückte. Die Feen quietschen erschrocken auf, als sich dunkle Punkte vor Karas Augen bildeten.
"Hm, zumindest hat sie Grips." Die Frau ließ los. Unsanft fiel Kara zurück auf die Wiese, atmete schwer. "Nun, was willst du hier, Verräterin? Wenn mir deine Antwort nicht gefällt..." Demonstrativ verwandelte sie ihre Hand in eine Pfote. Scharfe Krallen fingen das Licht.
"Khalia..." Kara wich zurück, als die Katze knurrte. "Ihr bin ich zuletzt hier begegnet. Ich weiß nicht, wie ich hier her komme. Oder gehen kann."
Das Knurren klang nun gefährlicher. "Was erwartet man von Menschen. Lügner und Verräter. Nichts weiter."
Sie hob die Pfote zum Schlag. Fraglich, ob es die Magierin getötet hätte oder nur verletzte, jedenfalls schlang sich ein schwarzer Schatten um ihren Arm und hielt den Angriff auf.
"Wahrheit.", brummte die vierte Stimme. Der Schatten gehörte zu einer unförmigen Gestalt, die neben der Katze erschienen war.
"Nein, sie lügt. Seit seinem Verschwinden sprechen die Götter nicht mehr. Vor allem nicht mit Menschenabschaum."
"Wahrheit.", wiederholte die Kreatur, worauf die Feen eilig und synchron nickten.
Die Katze starrte auf sie herab. "Verschwinde...", fauchte sie, worauf die Wiese von Dunkelheit verschlungen wurde."Ein Traum?" Biene saß wieder neben ihr, als sie aufwachte.
"Ja. Merkwürdig." Kara rutschte die Decke von den Schultern. "Da waren Feen und ein Schatten und eine Katzenfrau? Aber mit sechs Ohren und die wollte mich umbringen."
"Der Geist der Jagd." Biene lächelte und deutete auf eine Nische in der Wand ganz in der Nähe. Die Statue glich der Frau perfekt. "Windfeen vermutlich. Und... Schatten gehören zu Dot."
"Also... gibt es mehr Leute, die von Göttern träumen?"
"Früher waren es mehr. Aber es kann auch an diesem Ort liegen. Auch wenn er für Sonne und Mond erschaffen wurde, sammeln sich hier viele Geister. Manchmal machen sie die Leute müde, um sich mit jemandem zu unterhalten." Die Wölfin lachte. "In der letzten Stunde habe ich von fünf dieser Träume gehört."
Dann konnte es nichts ungewöhnliches sein. Kara schloss wieder die Augen, betete, dass dem Magier nichts passiert war.
Als hätten es die Wölfe gehört, schallte ein Heulen durch die Schlucht. Schnell stimmten die Anwesenden ein, was Kara fragend zu Biene sehen ließ. Die war jedoch bereits wieder aufgesprungen und heulte ebenfalls mit. Nur in einer kurzen Atempause konnte sie übersetzen: "Ira ist hier..."Nun zögerte auch die Magierin nicht aufzuspringen und sich von der Wölfe durch die beiden Rudel führen zu lassen. Doch die Menge war dicht. Die Werwölfe waren aufgeregt, die Wanderwölfe sammelten sich zwischen ihnen, doch trotz der Größe bot sich kein leichtes Durchkommen für Kara. Besonders nicht, als plötzlich jemand aus der Menge nach ihr griff und sie am Handgelenk aufhielt.
Sofort wurde sie zurückgezogen, an den Rand der Menge. Biene war untergetaucht. "Achte die Gesetze.", knurrte der Wolf neben ihr und brachte sie aus der Menge. "Kennst du nicht einmal deinen Rang, Mensch?" Unsanft wurde sie zu Boden gestoßen. Der dunkelhaarige Riese sah auf sie herab.
"Rang? Ich will doch nur zu Eironn." Den Staub abklopfend rappelte sie sich auf.
"Wölfe haben Ränge, Menschlein." Wieder knurrte der Mann. "Du stehst an letzter Stelle. Nur wer oben steht, kann zurücktreten, aber das tut hier offensichtlich niemand." Er griff sie wieder und zerrte sie weiter von der Menge weg.
"Ich kann auch warten." Sie versuchte erfolglos den eisernen Griff zu lösen, während sie ihm stolpernd folgte. "Ich bleibe am Rand stehen. Ich..." Der Schlag kam aus dem Nichts. Seine Faust traf ihr Gesicht, dunkle Punkte tanzten vor ihren Augen und sie stolperte auf den steinigen Boden. Blinzeln und mit verschwommenem Blick sah sie auf, sah dunkle Augen auf sie niederstarren. Dann verließ sie das Bewusstsein.
Die Ohnmacht behielt sie nicht lange, der harte Boden verriet ihr jedoch, dass sie die Schlucht noch nicht verlassen haben konnten. Etwas zu sehen blieb ihr verwehrt. Um sie herum war es dunkel und als sie sich aufsetzen wollte, schnitten Seile in ihre Handgelenke.
"Verflucht." Kara rüttelte ihre Hände, die Seile schnitten jedoch nur tiefer und warmes Blut benetzte ihre Finger. "He! Hilfe!", rief sie verzweifelt und stützte sich auf die verbundenen Hände. Mit ihren Füßen hatte aber jemand das gleiche gemacht und sie musste sich kriechend fortbewegen. Viel Strecke schaffte sie jedoch im Raupengang nicht, bis sie an eine Wand stieß.
"Hilfe! Biene!", wiederholte sie, aber nicht einmal das Echo antwortete ihr.
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Midia
FantasyNach der Zerstörung ihrer eigenen Welt musste die Menschheit in eine andere fliehen. Zurückgeworfen in die Anfänge der Zivilisation erinnern nicht einmal mehr Legenden an eine andere Zeit. Kara wurde in diese Welt geboren, die die Menschen den urspr...