100 Jahre später
Die roten Punkte und Flecken waren stark zurückgegangen. Der Grund, warum Eironn Kara mit hinaus aus der Götterwelt gebracht hat.
Unruhen waren aufgetreten, nachdem keine Kinder mehr geboren wurden. Die Menschen hatten sich gegenseitig beschuldigt und viele waren dabei gestorben.
Manche hatten Rat und Erlösung bei Jahra erbeten. Weitere waren in Opferungen gestorben.
Nach Nimeans Auftritt und der Befreiung der Opfer der Stillen Nacht, waren diese Feste nicht mehr gefeiert worden. Als man sie wieder beginnen wollte, weil man in der Entführung den Auslöser sah, zeigte sich der Gott ein weiteres Mal und rettete die Frauen.
Inzwischen lebten nur noch Jahras Magier. Sie hatten sich in einer Stadt zurückgezogen. Die Felder außen lagen brach, Wild war vertrieben. Doch der Gott hatte ihnen die Fähigkeit genommen, zu verhungern.Wie dunkle Zähne ragten die zerbrochenen Mauern und Türme der Festungsstadt vor ihnen auf. Die Götter hatten die anderen Städte bereits wieder mit der Natur verbunden. Das Tor stand weit offen. Niemand versuchte mehr sich zu verteidigen.
Kara strich über ihren Bogen. Es war die Festung, aus der sie vor Jahren mit Eironn geflohen war. Ihr Vater herrschte noch immer hier und für ihn hatte sie einen besonderen Pfeil vorgesehen.
"Bereit?" Eironn drückte ermutigend ihre Hand. Sie nickte, obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug. Aber hier konnte es enden. Dot lief ein paar Schritte hinter ihnen. Während der Fluch gewirkt hatte, hatte sie mehr zu tun gehabt. Nun, wo es nur noch die Magier gab hatte sie viel freie Zeit.
"Den Anführer und seine Vertrauten übernehmen wir, Schwesterherz."
"Lasst euch Zeit." Die Todesgöttin ging an ihnen vorbei. Schwarze Klingen in beiden Händen schritt sie durch das Tor. Es folgte schnell der erste abgehackte Schrei.Eironn und Kara folgten ihr. Sie behielten die Festung jedoch im Auge. Die sterbenden Magier in der Stadt ignorierten sie. Schwarze Klingen bohrten sich grausam in ihre Körper. Sie starben nicht sofort, das ließ die Göttin nicht zu. Doch Jahra hatte den Fehler gemacht, sie anders als Midia, schwere Verletzungen nur zeitweise aushalten zu lassen.
Durch ein weiteres offenes Tor betraten die beiden Magier die Zentralfestung. Dicke Luft und der Gestank von Verwesung würde eigentlich alle Eindringlinge zurück treiben. Der Chaosgott hatte jedoch die praktische Gabe, die Luft um sich herum zu reinigen. Diese hatte er auch mit Kara geteilt, damit sie in solchen Momenten nicht von Giften oder Gestank beeinträchtigt wurde.Es war eine einzige, große Halle, die sie schlussendlich betraten. Auf einem alten Thron wartete Karas Vater, zu seinen Seiten drei Magier und eine Frau. Sie schien noch jung, ebenfalls eine Magierin, doch mit gesenktem Kopf und das Kleid blutverkrustet kniete sie unter den vier.
Eigentlich wollte Kara eine solche retten, doch Eironn war schneller. Ein goldener Blitz traf sie und verzerrte ihre Gestalt. Sie schrumpfte und als weißes Fellbündel sah sie zwischen den Anwesenden hin und her. Dann rollte sie sich zusammen und aus dem Thronsaal hinaus. Kara warf dem Gott an ihrer Seite einen fragenden Blick zu. Sie wusste zwar, dass er nicht töten konnte und hauptsächlich neue Lebewesen erschuf, aber darüber schien er gerade nicht nachgedacht zu haben.
Zu ihrem Glück schien die drei Magier an der Seite des Anführers jedoch nun ebenfalls verstört und bedachten Eironn mit Aufmerksamkeit.
Nicht so der Vierte.
"Kara." Die Stimme des Vaters war rau. Er hatte weder gegessen noch getrunken oder seine Stimme oft benutzt. Die letzten Magier faulten lebendig vor sich hin. Aber er zog den Blick seiner Tochter wieder zu sich.
Sie nahm den Bogen von der Schulter und legte den ersten Pfeil an. Ein schwarzes Holz, nur für diese Aufgabe gewachsen.
"Du hast dich nicht verändert. Wir hätten wieder eine Familie werden können." Auch wenn Bedauern in seiner Stimme schwingen sollte, blieb sie kalt. Der Blick lag verächtlich auf ihr.
"Ihr habt die Midia und die Götter ausgenutzt. Das ist die Strafe.", antwortete sie ebenso kühl. Dieser Mann teilte einzig sein Blut mit ihr.
Sein Blick schwenkte zu Eironn. "Der Entführer meiner geliebten Tochter." Nun reagierten auch die anderen drei wieder. "Ich sehe, du hast dich erholt."
"Ich bezweifle, dass du deine Worte ehrlich wählst." Von Eironn ging eine unscheinbare Energiewelle aus. Die Götteraura, die seine Gegenüber zur Wahrheit zwang.
"Ich habe sie gehasst. Ihre Mutter hat mich betrogen. Einer dieser Magierabschaume ist ihr Vater. Ich habe ihn getötet, als ich es erfahren habe. Dann sollten die beiden folgen. Aber ihre Mutter ist geflohen." Er tastete überrascht nach den aufgesprungenen Lippen, doch sein Geständnis unterbrach er nicht. "Ich war wütend, als ich von ihrem klanglosen Tod erfuhr, aber noch konnte ich dieses Ding bestrafen, dass sie mir untergeschoben hatte. Als ich sie endlich fand wollte ich sie leiden lassen. Doch zuerst musstest du aus dem Weg geräumt werden." Er grinste. "Doch du hast nicht gezuckt. Egal was man dir angetan hat. Und da traf ich eine Entscheidung, die euch endgültig beide gebrochen hätte. Wäre nur dieser verfluchte, machtgierige Idiot nicht gewesen. Kein Angriff, keine Flucht. Ich wollte die Verzweiflung in den Augen dieser Missgeburt sehen."
Kara ließ ihren Pfeil los. Seine Worte trafen sie mehr als sie sollten. Er traf den Magier in der Schulter. Der grinste nur und zog ihn heraus. Blut durchtränkte das dreckige, sicher einmal sehr teure Gewand. "Das büßt du mir.", zischte der Mann und richtete den Arm auf sie. Eine Energiewelle traf sie, jedoch nicht so unvorbereitet, wie geplant. Eironns Schutzschild ließ auch nicht mehr als Energie zu ihnen dringen. Kara fand ihren Stand schnell wieder. Der nächste Pfeil versenkte sich in seiner ausgestreckten Hand. Ein überraschter Schrei hallte im Saal wieder.
"Gib auf. Die Zeit Jahras ist vorbei. Wenn ihr euch ergebt, sterbt ihr schnell.", bot Eironn an, richtete sein Angebot jedoch an die Magier zu seiner Seite.
Die griffen als Antwort den Gott gleichzeitig an. Etwas, worauf er gewartet hatte und Kara eingeweiht hatte. Der eigentliche Grund für den Schild. Er wollte nicht versuchen, ob Kara die Angriffe überlebte. Als die Welle ihn traf verschwand Eironn und wurde durch die Götterform ersetzt. Sofort sprossen zu seinen Füßen Blumen und Gras. Eine Wiese breitete sich kreisförmig aus.
Die Magier hatten jedoch keine Zeit, ihr Erstaunen auszudrücken. Kara jagte ihnen Pfeile in die Hälse und fixierte sie so an der Wand hinter dem Thron. Khaos konnte nicht töten. Sie schon. Darum legte sie einen weiteren Pfeil vorsorglich auf den letzten Magier an. Der Mann, den sie einst als Vater kannte.
"Ich habe sie zusehen lassen.", knurrte er. "Deine Hure von Mutter habe ich am Tod ihres Geliebten teilhaben lassen. Du wärst die nächste gewesen. Aber sie konnte fliehen. Verräterin!" Er sprang auf. Der Pfeil traf ihn in der Brust und er taumelte kurz zurück. "Du Missgeburt! Falscher Gott! Gib' sie mir zurück! Du..." Er röchelte, als eine schwarze Klinge seinen Kopf vom Körper trennte.
"Niemand beleidigt meine Familie.", knurrte Dot und ließ den Kopf neben den Körper fallen. "Kapiert!?"Der Tote reagierte nicht. Leere Augen starrten an die Decke.
"Der letzte." Khaos nahm Karas Hand und senkte den Bogen. "Fehlt noch einer."
Kara nickte, folgte den Göttern, während hinter ihnen Ranken die Festung und die Leichen verschlangen und in die aufgewühlte Erde zerrten.
"Tut mir leid, Kleine. Ich wollte es wirklich euch überlassen.", rief Dot von vorne. "Aber das letzte war zu viel."
"Schon gut." Sie klammerte sich an Eironns Hand, der die Götterform wieder fallen ließ. Trotzdem hinterließ er eine Spur aus Blumen.
"Ach, da war noch was." Dot blieb stehen und hielt Eironn eine braune Tasche hin. "An die hat sich einer ziemlich geklammert. Und ich kenne deine Magie."
"Die hat lang gehalten." Ein geradezu liebevolles Lächeln widmete er der Tasche, die er vor hundert Jahren bei ihrer Gefangennahme verloren hatte. Vorsichtig nahm er sie an und klappte die Lasche auf. "Alles noch da. Ich bin selbst überrascht."

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Midia
FantasyNach der Zerstörung ihrer eigenen Welt musste die Menschheit in eine andere fliehen. Zurückgeworfen in die Anfänge der Zivilisation erinnern nicht einmal mehr Legenden an eine andere Zeit. Kara wurde in diese Welt geboren, die die Menschen den urspr...