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"Du und mein Bruderherz. Wurde auch endlich Zeit." Tura grinste in ihren Tee. "Und dafür musstest du nur die Peiniger deiner Vergangenheit in Ratten verwandeln."
Kara nickte. "Es hat mich überrascht, aber es geht mir tatsächlich besser." Der Gott war vorsichtig gewesen, dass konnte sie nicht bestreiten. Es war schön und sie hatte einige Erinnerungen mit dieser Erfahrung überlagern können.
"Ja, ich weiß er sieht toll aus." Die Kriegsgöttin schnippte vor ihrem Gesicht um sie aus der Erinnerung zu holen. "Aber dein Tee wird kalt. Und ich hab mir solche Mühe gegeben."
"Entschuldige." Sie nahm einen Schluck des abgekühlten Gebräus. Es schmeckte bitter. Sie war wirklich keine Meisterin der Zubereitung. Um den Geschmack zu überspielen knabberte Kara an einem sehr süßen Stück Obst. Eine Frucht, die sie definitiv noch nie probiert hatte. Gut möglich, dass die Götter hier eigene Kreationen anbauten. Oder besser wachsen ließen.
Die Göttin hatte sie abgeholt, als Eironn schon wieder bei seiner Arbeit war. Als sie den Pavillon betreten hatte, hatte sie kurz die Nase gehoben und dann gegrinst. Ihre Zweisamkeit blieb also vor dieser Schwester nicht lange verborgen. "Merken die anderen es eigentlich auch?" Kara konnte darauf verzichten wissende Blicke der anderen Götter zu spüren. Oder mehr als nötig über die gemeinsame Zeit zu erzählen.
"Ja. Sie riechen das. Wörtlich. Mehr an dir als Khaos. Aber sie sind fair genug, dich nicht darauf anzusprechen."
Kara nickte verstehend. Trotzdem sollte sie die Gemeinschaftsräume, in denen die anderen Götter auftauchen konnten meiden. "Gut zu wissen. Aber... ich bin jetzt nichts besonderes, oder?" Sie konnte auch auf eine weitere Hetzjagd der Menschen, im Zweifel auch der Midia, verzichten.
"Naja. Du bist die Geliebte eines Gottes. Früher war das nichts Großes. Nicht nur Kahlia, Nimean und ich haben uns schnell verliebt. Aber Dot und Khaos waren wesentlich vorsichtiger und haben nur selten jemanden ausgewählt. Und Vymi..." Sie seufzte. "Die ist wählerisch, sag ich dir. Nichts was sie interessiert."
"Ist das denn schlimm?"
"Nein nein. Nur wir haben es lange als seltsam empfunden. Also, dass sie irgendwie nie Frust abbauen musste. Aber wir akzeptieren es. Tatsächlich waren Khaos und Dot die ersten, die sich nicht für das Privatleben der anderen interessiert haben." Schnell klopfte sie auf den Tisch. "Zurück zu Khaos: was hältst du von seiner Götterform? Ich denke ja, das Geweih ist übertrieben. Da kann er sich auch gleich einen Baum aus dem Kopf wachsen lassen."
"Ich hab sie nur einmal gesehen und auch nicht lang. Aber ein Hirsch könnte damit sicher nicht weit laufen. Diese... Formen. Entwickelt ihr sie selbst?"
"Natürlich." Tura ließ ihre eigenen Hörner und die Flügel wieder erscheinen. "Wir wählen eine Form die nach unserer Meinung gut zu unserer Aufgabe passte. In meinem Fall Konflikte, das heißt Angriff oder Flucht." Sie deutete erst auf die Hörner, dann die Flügel. "Chaos fasst einen Teil von Entwicklung auf, darum der, ich nenne es wie es ist, Baum. Eine Quelle, verschiedene Zweige. Dot hat sich für Federn entschieden, weil sie den gravierendsten Unterschied zwischen Himmel und Erde darstellen. Nichts anderes ist ihr Gebiet. Eine einschneidende Veränderung. Das muss nichtmal der Übergang vom Leben in den Tod sein. Es kann auch eine Entscheidung sein."
"Jage ich diesen Hasen oder warte ich auf den Nächsten?"
"Nein. Mehr: jage ich den Hasen oder fresse ab sofort Früchte."
"Interessant." Der Tee wurde kälter nicht besser. "Gibt es mehr, dass ich über die Götterform wissen muss? Oder, das du erzählen kannst? Was ist mit der wahren Form gemeint?"
"Die wahre Form ist die erste, die wir angenommen haben. Sie wird schnell von der Götterform ersetzt, in der wir uns materialisieren. Es ist also quasi ein reiner Zustand ohne Bewusstsein. Und die Götterform..." Die Göttin grinste. "Tja, das ist bei jedem anders. Bei mir gibt es keine großen Unterschiede zur Tarnform. Khaos sieht komplett anders aus."
"Das ist die Tarnform.", bestätigte Kara ihre Aussage und deutete auf die Form ohne Hörner und Flügel. Tura nickte. "Und vor der wahren Form haben die Leute Angst?"
"Meistens. Wir sprechen hier über eine Form ohne Körper, reine Energie. Ich glaube, ich bin eine silberne Wolke..." Sie tippte sich nachdenklich ans Kinn, zuckte dann aber nur unwissend die Schultern. "Hat Khaos dich darauf gebracht?"
"Er hat es erwähnt. Die Formen die ich kenne, als Täuschungen bezeichnet."
"Stimmt auch. Die wahre Form ist versteckt in uns selbst. Je nach Macht des Gottes besteht nämlich die Gefahr, dass die Energie, sollte sie freigesetzt werden, alles vernichtet. Darum bleibt sie verborgen. Und darum können Götter auch nicht so leicht sterben. Du hast seine Verletzungen gesehen. Jeden Sterblichen, jeden Midia hätte allein der Blutverlust getötet. Khaos kann man in Streifen schneiden und auf der ganzen Welt verteilen, er würde trotzdem nicht sterben. Er würde heilen, wenn man ihn wieder zusammensetzt."
"Auge und Zähne sind nachgewachsen..."
"Vermutlich hat er Ersatz geschaffen. Damit verlieren die Originale ihre Eigenschaften und sind ganz gewöhnliche Organe."
Kara legte die Scheibe Obst wieder zurück. Dieser Teil des Gesprächs hatte ihr den Appetit verdorben. "Es gibt noch viel zu lernen."
"Jep. Nur Dot entscheidet, ob du genug weißt." Sie unterbrach sich selbst und grinste. "Der Fluch ist fertig. Treffen in Versammlungsraum eins. Kommst du mit?"

MidiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt