Unruhig schlug sie die Augen auf, um dem Albtraum zu entkommen. Im gleichen Moment hatte sie den Inhalt des Traumes schon vergessen. Sie wusste nicht, wie lange sie schon geschlafen hatte, benötigte einen Moment um sich zu orientieren und wäre sicher direkt aufgesprungen, wenn Eironn sie nicht immer noch festhalten würde.
Sein leuchten störte nicht, das war sicher bei den anderen Göttern genauso. Dafür gab es ihr die Möglichkeit ihn im Schlaf zu beobachten. Die Lider waren halb geschlossen. Er hatte lange auf der Flucht vor den Menschen gelebt und sicher hatte er es sich angewöhnt, auch im Schlaf seinen Schutz nicht zu vernachlässigen. Die Verletzungen, für die ihr Vater verantwortlich war, hatten keine Spuren mehr hinterlassen. Mit Schaudern erinnerte die sich an das Blut und die offenen Wunden. Schnell blinzelte sie und richtete ihren Blick auf etwas anderes. Die geschwungenen Lippen waren einen kleinen Spalt geöffnet. Nur wie ein Hauch erreichte sie sein warmer Atem, als atmete er nicht. Vielleicht war auch das etwas, dass er auf der Flucht angenommen hatte. Bei Tura hatte sie nicht darauf geachtet.
Vorsichtig hob sie die Hand und legte die Finger an seine Lippen. Weich fühlten sie sich an. Der Gedanke, wie sie sich auf ihren anfühlen, ließ sie das Zucken der Mundwinkel übersehen."Eironn?", flüsterte sie, als er sich für sie zu schnell über sie bewegte und aus goldenen Augen ansah.
"Schlecht geträumt.", stellte er fest und legte seine Stirn an ihre. "Worum ging es?"
"Vergessen." Ihre Gedanken setzten durch die plötzliche, neue Nähe aus. Außerdem hatte sie noch immer die Hand erhoben, die jetzt eine Barriere zwischen ihnen bildete. "Habe ich dich... geweckt?"
"Halbschlaf." Eironn hielt den Blickkontakt ohne zu blinzeln. "Ich muss es mir abgewöhnen."
"Ah." Sie blinzelte, als ihr heiß wurde. "Das ist mir... zu nah?" Sie nahm die Hand weg und versuchte ihn von sich zu drücken. Dabei verweilte ihre Hand einen Moment zu lange auf der glatten Brust des Gottes. Warum mussten Götter auch in jeder Hinsicht perfekt sein?
"Sind wir nicht." Er stemmte sich ein Stück zurück und legte sich wieder zur Seite. Vorsichtig strich er ihr eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. "Wir sind am weitesten von Perfektion entfernt."
"Das bezweifle ich." Sie verlor weiterhin gegen sich, ihn nicht anzusehen. "Im Vergleich zu allen anderen, die ich kenne."
"Und trotzdem ist das alles eine Täuschung." Er wirkte kurz traurig, während er darüber sprach. "Unsere wahre Form verschreckt die Leute. Selbst das, was du bisher gesehen ist, ist nichts weiter als eine Täuschung. Beide Formen."
"Und wenn ich mich auch in deine wahre Form verliebe?" Kara versuchte sich an einem Lächeln, doch ihr Herz schlug dadurch noch schneller.
"Dann wärst du Erste." Er setzte eine kurze Pause, dann schüttelte der den Kopf. "Nein, nicht einmal andere Götter kennen meine wahre Form. Wir verstecken sie alle voreinander und uns selbst."
"Ich zwinge dich zu nichts."
Eironn lächelte wieder dankbar. Er legte die Hand an ihre Taille und zog sie zu sich. "Du zeigst viel Verständnis.", flüsterte er und legte den Kopf an ihre Schulter. "Mir sind schon solche begegnet, die darauf bestanden haben."
"Andere?" Ein Stich der Eifersucht durchzuckte ihr Herz. "Frauen? Hattest du schon..."
"Auch. Und ja. Aber es ist schon lange her. Mehr als ein Leben."
Sie beruhigte sich wieder, dabei war es von Anfang an klar. Er lebte schon lange, er hatte schon unter Menschen gelebt und davor in seiner Welt war er sicher auch begehrt. "Sind eigentlich alle Götter wie ihr? Jung und schön? Be... liebt?"
"Manche. Das ist von einigen Dingen abhängig." Er hob den Kopf wieder. "Manche haben Tiergestalt. Manche nur teilweise, aber mehr als wir. Manche wirken lieber alt und weise." Wieder strich er ihr Strähnen aus dem Gesicht. "Viele haben sich auch mit ihren Kreaturen vergnügt und eine endlose Zahl Kinder auf die Welt losgelassen."
"Zu denen gehörst du nicht." Hoffte sie zumindest. Sonst...
Weiche Lippen unterbrachen ihre Gedanken. Dadurch wurde ihr nur wärmer und sie schon sich die Decke von den Schultern.
"Eironn..." Sie zog den Kopf zurück und fing seinen schuldbewussten Blick auf.
"Verzeih. Das war... falsch." Der Gott erhob sich und verließ das Bett. "Schlaf weiter..."Kara starrte ihm einen Moment nach, während er durch die offenen Wände in Richtung Wald verschwand. Erst als er schon außer Sichtweite war reagierte sie wieder, verließ gleichfalls schnell das Bett und rannte ihm nach.
Das Gras war weich unter den nackten Füßen, die Luft warm. Trotzdem war ihr noch heiß und der wenige Gegenwind durch das Laufen machte es nicht besser.
Der Wald bestand mehr aus einer Ansammlung von Bäumen, die jemand auf eine Wiese gepflanzt hatte. Hier leuchtete das Gras jedoch bei jeder Berührung und machte es ihr leicht den Spuren des Gottes tiefer hinein zu folgen.
Obwohl er langsamer losgelaufen war, konnte sie ihn noch nicht sehen, je tiefer sie in den Wald vordrang. "Eironn! Warte!", rief sie in die Nacht, durchbrach die Stille, die in der Natur herrschte. Tiere schien es hier nicht zu geben. Schlafende Vögel wären bestimmt vor Schreck aufgeflogen.
Die leuchtenden Spuren wurden heller, als sie doch zu ihm aufschloss und erleichtert langsamer wurde.Sie fand den Gott an einem Teich. Am Ufer sitzend, die Beine angezogen und mit dem Rücken zu ihr.
"Eironn?" Sie trat näher und ließ sich mit kleinem Abstand neben ihm sinken. Sie wollte nach ihm greifen, ließ den Arm auf halbem Weg jedoch wieder sinken. Was sollte sie sagen? Sich entschuldigen, weil sie überrascht reagiert hatte.
"Es tut mir leid." Der Gott unterbrach das Schweigen, ohne den Blick vom Teich abzuwenden. "Ich habe nicht nachgedacht."
"Mir tut es leid. Ich war erschrocken und..." Kara schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht, was passiert ist."
"Das war mehr als ein Schreck." Eironn hob den Kopf und warf ein kleines Steinchen in den Teich. Mit einem in der Stille ohrenbetäubenden Plopp ging es unter. "Du hattest Angst vor dem, was folgt."
"Hm." Dafür musste sie keine Gedanken lesen können. Aber woher diese Angst kam hatte sie wohl verdrängt. "Aber warum?"
"Meine Erzählung? Ein schlechtes Erlebnis unter..."
"Nicht.", unterbrach sie und drängte verdrängte Bilder zurück in ihre Gedanken. Hinter eine dicke Mauer, hinter der sie weiter ihr Dasein fristen sollten. Trotzdem waren sie zurück. Raue Hände auf ihrer Haut, grobe Küsse und das Geräusch von reißendem Stoff. Der Traum hatte ihnen einen Weg geöffnet. Ihr wurde schlecht und sie klammerte sich an Eironns Arm. Sie musste nichts sagen, damit er verstand und sie vorsichtig in eine Umarmung schloss.
"Verzeih.", bat er erneut und strich ihr über den Rücken.
Sie schüttelte den Kopf, so gut es ging. Dann nickte sie. "Es ist... vergangen. Du bist anders." Es war eine kleine Hoffnung, ihr Verstand würde es auch glauben. "Du bist nicht..."
Er drückte sie fester, als eine neue Welle Gefühle sie überrollte. Jäger mochten Midia jagen, weil sie in ihren Erzählungen Monster und Bestien sind, selbst sind sie jedoch viel schlimmer. "Kannst du es mich nicht vergessen lassen? Ich will doch nur... auch glücklich werden..."
"Es könnte dich verändern." Seine Stimme war leise. "Deine Persönlichkeit besteht aus deinen Erfahrungen. Eine Löschung..."
"Ich riskiere es." Sie blinzelte die aufsteigenden Tränen weg und sah an ihm hoch. "Bitte. Ich will... glücklich werden."
Eironn schwieg, dann schloss er die Augen und legte eine Hand an ihre Schläfe. "Es war dein Wunsch...", flüsterte er und warme Magie drang in ihren Kopf. Nebel legte sich um die Mauer, die Erinnerungen.Kara blinzelte irritiert, als sie sich am Teich wiederfand. Sie erinnerte sich, dass sie vor Eironns Kuss zurückgeschreckt war, dieser war davongelaufen, und sie war ihm gefolgt. "Willst du nicht mehr? Du hast mich nur überrascht. Gehen wir zurück?"
Er wirkte traurig, als er den Blick erwiderte, dann schüttelte er den Kopf. "Nein. Lass uns gehen. Es war... eine kurze Nacht. Wir sollten noch etwas schlafen." Eironn stand auf und half dann ihr. Hand in Hand führte er sie zurück zum Pavillon. Aber die ganze Zeit hatte sie das Gefühl, dass er sich verändert hatte.
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Midia
FantastikNach der Zerstörung ihrer eigenen Welt musste die Menschheit in eine andere fliehen. Zurückgeworfen in die Anfänge der Zivilisation erinnern nicht einmal mehr Legenden an eine andere Zeit. Kara wurde in diese Welt geboren, die die Menschen den urspr...