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Es wurde schon dunkel, als Kara zurück in ihr Dorf kam. Obwohl es mehr ein vorübergehendes Lager war. Die Jäger zogen weiter, wenn alle Bedrohungen beseitigt waren. Auf dem Hauptplatz brannte wie Tag und Nacht seit entzünden das große Lagerfeuer, aus einigen Hütten stieg zusätzlich Rauch auf. Die Rinde mit der Kohlezeichnung hatte sie zu den anderen gebracht. Gut versteckt in einem hohlen Baum außerhalb des Dorfes. Nicht, dass sich jemand weit genug hinauswagen würde, wenn er nicht nach den Wesen suchte.
Ihre eigene Hütte lag abseits des großen Feuers, am Rand. Ohne Familie und Status, stand ihr nicht viel mehr zu. Geduldet wurde sie auch nur noch bis zum Einbruch des Winters, da sie sich weigerte auf vermeintliche Werwolfsrudel Jagd zu machen. Sie war keine Jägerin. Nur ein Kind, das mit seiner Mutter in diese Gemeinschaft gekommen war, als sie in größter Not waren. Sie waren aufgenommen worden, dank der Kräuterkünste ihrer Mutter. Ein Talent, das ihr verwehrt blieb und ihren Aufenthalt seit dem Tod der Mutter drastisch verkürzte.

In der kleinen Hütte, nicht mehr als eine Kammer mit gerade genug Platz um zu schlafen und einem kleinen Feuer zum kochen, erwartete sie Dunkelheit und Kälte. Viel Wärme hielt sich durch die undichten Wände und das einfache Dach nicht. Dicke Decken hatten sie die letzten beiden Winter überstehen lassen. Auch nur knapp, da zu dieser Zeit niemand die Hütten verließ, wenn er nicht musste. Holz sammeln und Jagdtouren waren die wenigen Ausnahmen.
Und selbst von dem Holz, welches sie selbst fand musste immer ein Teil an das große Feuer abgegeben werden. Das Feuer, dass sie vor den Bestien schützte, denn diese fürchteten sich vor den unkontrollierbaren Kraft der Natur.
Immer wenn jemand diese Geschichte erzählte, schüttelte Kara gedanklich den Kopf. Warum sollten sich Werwölfe - ausgerechnet Werwölfe! - die zum Teil menschlich sind, vor Feuer fürchten? Aber die Jäger zweifelten nicht. Oder irrten. Wer sollte die Menschen denn sonst vor den Gefahren der Wildnis schützen? Niemand zweifelte ihre Lehren und Worte an, wenn man nicht als Sympathisant...
Kara beendete den Gedanken nicht. Wieder schüttelte sie den Kopf und entfachte ihr Feuer. Der Topf mit Suppe hing noch darüber, aus dem Rauchabzug drang weitere kalte Luft. Seufzend rührte sie in dem Topf, blickte unsicher zu dem Bündel ihrer Habseligkeiten, die sie bei der Vertreibung mit sich nehmen würde. Vorräte für eine Woche, wenn sie sparsam war, einige Münzen, ein dicker Mantel, ihre Decken. Dazu noch Kleinigkeiten wie Nadeln und Garn, Kräuterpasten ihrer Mutter und ein Bogen, auf den sie besonders stolz war. Dazu hatte sie zwar nur fünf Pfeile, doch sie war in der Lage zu jagen. Ein Pfeil konnte lange halten, wenn man ihn wiederfand.
Manchmal überlegte sie, schon vor der Frist das Dorf zu verlassen. Man würde sie weder aufhalten noch vermissen. Sie könnte vor dem harten Winter länger allein überleben. Oder...

Das hämmern an ihrer Tür riss sie aus den Gedanken. "Versammlung. Anwesenheitspflicht.", brummte der Jäger durch die Tür, dann entfernten sich die stapfenden Schritte.
Kara war genervt. Versammlungen brachten nie etwas Gutes. Noch dazu galt die Anwesenheitspflicht für alle Bewohner des Lagers. Selbst Kinder und Alte - nicht dass man als Jäger besonders alt wurde.
Sie schichtete Steine über ihre Feuerstelle, um ein übergreifen auf die Wände zu verhindern, dann nahm sie ihr Paket und brachte es vor die Tür. Für den Fall, dass doch etwas passierte, wollte sie nicht erst in ihre Hütte zurück müssen, um alles zu holen. So machten es auch alle anderen und brachten ihre wichtigsten Güter zu steinernen Ablageorten. Niemand stahl in dieser Gemeinschaft. Diese Regel war die Erste, die jeder lernte. Es waren auch zu Wenige, um ständig misstrauisch seinem Gegenüber zu sein.

Die Versammlung wurde vor dem großen Feuer abgehalten. Der Anführer der Jäger wartete auf einem Podest, einer leeren Kiste, bis die knapp zwanzig Mitglieder anwesend waren. Kinder machten immerhin eine zusätzliche Hälfte aus. Dreißig Personen, die alle dem Hünen von Anführer lauschten.
"Bitte Ruhe.", bat er freundlich, obwohl schon alle stumm auf den Platz gekommen waren. "Wir haben wieder einen Durchbruch erzielt. Ein Rudel Werwölfe hat sich in dieser Gegend niedergelassen. Sie sind in einer Höhle, einen halben Tag entfernt. Bestätigter Bericht von meiner Nummer zwei hier."
"Bericht ist bestätigt." Der zweite Anführer reichte dem ersten einen braunen Sack. Aus diesem zog der Anführer einen Klumpen Fell. Nur kurz erkannte sie die Gestalt eines Welpen, bevor sie den Blick abwandte. Ein totes Jungtier, sollte für niemanden ein leichter Anblick sein. Es ist, als würde man ein Kleinkind zu seiner Trophäe machen.
"Der Angriff beginnt in der Dämmerung. Versammlung beendet."

Schnell eilte sie zurück zur Hütte, dem Bündel, ihrem Feuer.
Sie wollte keine weitere Jagd mehr miterleben, selbst der Appetit war ihr vergangen. Dafür hatte sie endlich der Entschluss des Aufbruchs gefasst. Wenn die Sonne aufging, würde sie die Gemeinschaft verlassen. Vielleicht war das Leben in einer Stadt besser...

MidiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt