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Sie war in dem winzigen Raum eingesperrt, konnte sich nicht mal mehr ausstrecken. Der Platz genügte nur, um in der Ecke zu kauern. Alle paar Stunden gab ihr jemand abgestandenes Wasser und hartes Brot. Die einzigen Momente, in denen ein Funken Licht in die Zelle fiel, sonst war es dunkel. Kara zitterte an der Wand, es fühlte sich an, als sei alles aus Eis. Auch ein Zauber der Zelle. Sie wusste ihr Erzeuger wollte sie zurück zu den Menschen bringen. Und das Gespräch hatte nicht so geendet, wie er es sich wohl erwartete hätte. Er war gegangen. Seitdem war sie alleine. Niemand hatte mehr mit ihr gesprochen. Nicht mal Ratten verirrten sich in ihr Loch.
Irgendwann hörte sie auf die Mahlzeiten zu zählen, akzeptierte ihr Schicksal und nahm sich trotzdem weiterhin jede Kraft, die man ihr ließ. Sie bewegte sich, obwohl sie sich kaum rühren konnte. Die Hände konntesie zu Fäusten ballen. Die Kette, die sie an der Wand hielt und ihre Fesseln waren sogar einfach verschwunden. Sie wurden nutzlos, wenn der Gefangene sich kaum bewegen konnte. Die Magie konnte sie jedoch jederzeit zurückholen. Nur einmal kam ein weiterer Besucher. Eine Wache, die sie grund- und wortlos verprügelt hatte. Mehrere Mahlzeiten hatte sie sich nur unter Schmerzen bewegen können. Danach erwartete sie, dass er nicht der einzige blieb. Ein Irrtum. Vielleicht hatte der Anführer es auch erfahren und ihn getötet, dass er seine wertvolle Tochter verletzt hatte.
Die Jäger, ihr Anführer besonders, wollten sie brechen, doch das ließ Kara nicht zu. Die Worte, die der Wind ihr mitgegeben hatte hatten sich verankert. Sie solle stark bleiben. Sie wollte es auch. Und sie wollte zurück zu den Wölfen. Der Gedanke, dass ihre Freundinnen in Sicherheit waren hielt sie bei Verstand. Dass Eironn in ihrer Nähe sein musste, ließ sie weiter nach einem Fluchtweg suchen. Wenn die Götter ihrer Bitte nachkamen und ihr nicht halfen, musste sie es selbst.

Ein neuer Besuch kam ihn die Zelle. Ein Fremder zerrte sie auf die Füße und durch die Tür. Doch sie trugen kaum noch und so stolperte sie oft. Der Mann, ein Jäger, achtete nicht darauf, zerrte sie wortlos weiter und wenn er sie schleifte.
Sie zählte die verschlossenen Türen nicht, zu beiden Seiten, doch es waren viele. Dennoch drang kein Ton auf den Gang. Magische Zellen, wie die ihre.
Bald wechselte der Gang zu Treppen. Sie fiel mehr hinunter, als dass sie die Stufen traf. Auch hier zählte sie nicht die Schritte, doch es ging weit hinab. Irgendwann verschwand das Mauerwerk und wurde durch grob behauenen Fels ersetzt. Eine Höhle, vermutlich natürlich entstanden, wurde ausgebaut. Auch hier zählte sie nicht die Türen. Doch waren es hier schwarze Steine, die die Eingänge verschlossen.
"Kara." Die Stimme ihres Erzeugers senkte die Temperatur noch weiter, als der Soldat sie endlich entließ. Sie hallte von den kalten Wänden wieder.
Müde sah Kara auf, doch ihre Sicht war verschwommen. Es brannten nur wenige Fackeln im Zwielicht, doch als sich ihr Blick langsam klärte, nahm sie Umrisse war. Erst ihr Vater, gehüllt in einen viel zu feinen roten Mantel, dann drei weitere Soldaten zu dem, der sie hergebracht hatte. Zwei davon zerrten sie an den Armen in eine halbwegs stehende Position.
"Schön, dass du uns besuchst. Du weist doch, warum du hier bist?"
"Ira..." Sie wollte endlich erfahren wo der Magier war. Oder zumindest, ob er noch lebte.
Einer der Soldaten trat vor. Unvorbereitet traf sie der Schlag in den Magen und presste ihre Luft aus den Lungen. Der Schmerz verflog schnell. "Vergiss deinen Entführer.", befahl ihr Vater und deutete hinter sich. In der Wand lag eine große, dunkle Öffnung. "Wichtig ist, dass du dich erinnerst, wem deine Treue gehört."
Damit ging er vor, hinein in die Dunkelheit. Die Soldaten folgten ihm und Kara zwangen sie mit sich.

Hinter der Öffnung lag eine freie Fläche. Sie konnte sich nicht erinnern nach oben gezerrt worden zu sein, doch über ihnen waren deutlich Sterne zu sehen. Doch der Wind und frische Luft fehlten. Waren sie also doch viel tiefer, als es schien? Sie schloss einen Moment die Augen, spürte die Magie im Stein. Wieder ein magisch erzeugter Raum. Der Boden war mit dunklem Sand bestreut, Fackeln waren auch hier an den Wänden verteilt. Zwischen den Fackeln waren große Holzhaufen verteilt. Auf jeden standen mehrere Personen. Blut glänzte rot im Feuerschein, die Köpfe waren gesenkt. In ihre Mitte folgten die Soldaten dem Anführer und zwangen Kara wieder auf die Knie. Erst jetzt bemerkte sie auch die unzähligen Augen, die sich auf in den Fels gehauene Tribünen um den Platz drängten.

Ihr Vater hob die Arme und erhob die Stimme: "Menschen. Heute begrüßen wir einen Gast. Meine verlorene Tochter ist zurückgekehrt. Gefangen gehalten von Monstern, geschändet von einem abtrünnigen Magier. Und doch soll sie zurück in unsere Gemeinschaft kommen. Wir nehmen sie auf, trotz ihrer Verfehlungen. Wir sind gnädig, wie unser Gott es befohlen hat. Und doch hat er uns auch diese Welt geschenkt, dass wir ihre Herrscher sind. Und Herrscher müssen Härte zeigen." Er deutete auf einen der Scheiterhaufen. "Dies sind jene, die unsere Gemeinschaft gefährden. Abtrünnige. Verräter. Verfluchte. Doch unser Gott zeigte uns einen Weg sie zu befreien. Sie zu reinigen, auf dass sie wieder ein Teil des Ganzen werden." Aus den Tribünen lösten sich zehn Männer und sprangen in die Arena. Jeder griff nach einer Fackel und stellte sich neben einen Richtplatz. "Ihr, die ihr schwört die Menschen zu beschützen, zeigt nun eure Loyalität und werdet zu den Wächtern, die unser Volk vor den Monstern bewahrt."

Gleichzeitig hoben die Männer stumm die Fackeln, schlugen sich mit der Faust auf die Brust und legten sie an Holz und Stroh.
Die Haufen loderten schnell hell und heiß. Die Gefangenen schrien. Schmerz und Angst, der Gestank von brennendem Fleisch füllten die Halle.
Alle vier Soldaten hielten Kara fest, zwangen sie, die grausamen Feuertode mitanzusehen.

Sie wusste nicht, wie lange es dauerte. Wann sie sich ergab und in die Flammen starrte. Doch es dauerte zu lang. Zu lang, bis die Feuer erloschen, die Schreie verstummten und sie Eironns naive Vorstellung, dass die Auslöschung der Menschen nicht der Wille der Götter sei, beiseite schob. Warum sollten die Götter die Menschen verschonen, wenn sie es nicht einmal selbst taten?

MidiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt