Fröstelnd blickte Jocelyn hinüber zu den Bergen, auf deren Spitze Schnee lag. Sie saß mit angezogenen Beinen auf dem Boden und sprach dann und wann ein Wärmzauber, um der klirrenden Kälte entgegenzuwirken. Alles war ihr lieber, als in dem Zelt mit Hermine und Ron zu sitzen. Harry lief einige Meter von ihr entfernt unruhig auf und ab, während er immer wieder gedankenverloren auf das Medaillon hinunterblickte, das er an einer Kette um den Hals trug. Er und die anderen waren sehr zurückhaltend gewesen, als es darum ging, ihr zu erzählen, wie sie daran gelangt waren, aber es schien ein ziemlich riskantes Unterfangen gewesen zu sein. Zumindest wenn Jocelyn danach ging, wie aufgeregt Harry, Ron und Hermine gewesen waren, bevor sie an jenem Morgen vor drei Wochen aufbrachen, um es sich zu beschaffen – und dass Ron mit einer Verletzung am Arm zurückgekommen war. Seitdem schien er noch unleidlicher und unausstehlicher zu sein als zuvor. Hermine wollte ihn das Medaillon inzwischen kaum noch tragen lassen, da die drei zu dem Entschluss gekommen waren, dass Voldemorts Seelenbruchteil selbst in dieser Form gefährlich war. Es wirkte sich irgendwie auf das Gemüt und die Gedanken desjenigen aus, der das Medaillon längere Zeit trug, weshalb die drei sich eigentlich regelmäßig mit dem Tragen abwechselten. Niemand – offenbar nicht einmal Harry – vertraute Jocelyn genug, um es ihr zu überlassen. Aber so unglücklich war sie darüber gar nicht. Wenn sie bedachte, in was für eine düstere Stimmung es seinen Träger versetzte, war sie froh, diese Bürde nicht auch noch tragen zu müssen. Ihr reichten ihre eigenen düsteren Gedanken und Gefühle. Seit Tagen schlief sie kaum noch eine Nacht durch und die Spannung im Zelt setzte ihr zusätzlich zu. Während Hermine sich darauf beschränkte, ihr weitgehend aus dem Weg zu gehen – und das war selbst in einem Zelt dieser Größe sehr schwierig –, brachte ihr Ron offene Feindseligkeit entgegen, die sie so gut es ging zu ignorieren versuchte. Rons Feindseligkeit weckte wiederum Harrys Unmut und alles in allem war die Stimmung unerträglich geworden. Jocelyn warf Harry, der mit dem Rücken zu ihr stand, einen kurzen Blick zu. Seit er und die anderen beiden aufgebrochen waren, um sich den Horkrux zu beschaffen, hatte sie kaum mehr als ein paar Sätze mit ihm gewechselt. Er schien ihr ebenfalls aus dem Weg gehen zu wollen – er sah ihr nicht einmal mehr richtig in die Augen. Dazu kam, dass er den Horkrux nun schon seit fast 24 Stunden ununterbrochen über dem Herzen trug, was eine verheerende Auswirkung auf seine Stimmung hatte. Als er sich umwandte, um sein unruhiges Hin- und Herlaufen wieder aufzunehmen, fing sie kurz seinen Blick auf und zuckte innerlich zurück. Seine Augen wirkten irgendwie viel dunkler als sonst und hatten einen merkwürdigen, harten Glanz, den sie nicht von ihm kannte. Sie wandte den Blick rasch wieder nach vorne und sah wieder hinüber zu den Bergen, während sie – wie so oft in den letzten Wochen – an Draco dachte. Egal, wie oft sie die gleichen Gedanken wieder und wieder vor sich her wälzte – sie kam einfach auf keine Lösung. Sie wusste, dass sie unbedingt etwas unternehmen musste, irgendetwas. Sie konnte nicht zulassen, dass Draco weiterhin da draußen herumlief mit dem Imperius-Fluch belegt und so furchtbar schutzlos vor Voldemort. Aber sie wusste nicht, was sie unternehmen könnte, das nicht vollkommen hirnrissig war, um ihn da rauszuholen.
„Denkst du an Malfoy?" Jocelyn schrak heftig zusammen, als sie auf einmal direkt hinter sich Harrys Stimme hören. Sie hatte nicht gehört, dass er zu ihr herübergekommen war. Hastig legte sie den Kopf in den Nacken und sah zu ihm auf. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte, vor allem, da sein Gesicht finster und verschlossen wirkte, also begnügte sie sich schließlich mit einem leisen, schlichten: „Ja".
Harry schnaubte und schien sich bereits wieder abwenden zu wollen, doch sie hielt ihn auf. „Bist du sicher, dass du das Medaillon nicht lieber Hermine geben solltest?", fragte sie ihn und dachte an den Moment vorhin zurück, als er Hermine harsch abgewiesen hatte, als diese ihm das Medaillon abnehmen wollte.
„Wieso?", fragte Harry mit einem merkwürdigen, lauernden Unterton in der Stimme.
„Du wirkst nur so...", sie verstummte und ihr fiel kein passendes Wort ein.
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Burning Darkness
Fanfiction„Vertraust du mir?" Jocelyn drehte den Kopf, um Draco anzuschauen und ein aufgeregtes Zittern überkam sie, als sie erfolglos versuchte, den unbekannten Ausdruck auf seinem Gesicht zu entziffern. „Ja", flüsterte sie schließlich. Er verzog den Mund...